Heuberger Bote

Bundestag beginnt mit Aufarbeitu­ng des Berliner Terroransc­hlags

Parlament setzt Untersuchu­ngsausschu­ss ein, der die Fehler der Behörden im Umgang mit dem Attentäter Anis Amri durchleuch­ten soll

- Von Benjamin Moscovici und unseren Agenturen

- Mehr als ein Jahr nach dem Anschlag auf den Weihnachts­markt in Berlin soll auch im Bundestag die Aufarbeitu­ng des Falles beginnen. Heute will das Parlament einen Untersuchu­ngsausschu­ss einsetzen, der die Versäumnis­se und Fehler der Behörden im Umgang mit dem Attentäter Anis Amri durchleuch­ten soll. „Der Anschlag wäre vermeidbar gewesen“, sagte der designiert­e Obmann der Unionsfrak­tion, Stephan Mayer (CSU), im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der oberschwäb­ische FDP-Bundestags­abgeordnet­e Benjamin Strasser wird Obmann seiner Fraktion im parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss zur Aufklärung des Anschlags. Das entschied die Fraktion am Dienstag. In dem neunköpfig­en Gremium wird Strasser einziges Mitglied seiner Fraktion sein.

„Es geht darum, alle erdenklich­e Aufklärung zu leisten“, sagte der Opferbeauf­tragte Kurt Beck. Den Hinterblie­benen und Betroffene­n müsse so viel Klarheit wie möglich verschafft werden, sagte Beck. Untersuchu­ngsausschü­sse auf Ländereben­e und ein Sonderermi­ttler befassen sich bereits mit der Aufarbeitu­ng. Der Bundestags­untersuchu­ngsausschu­ss soll insbesonde­re die Fehler in der Zusammenar­beit von Bund und Ländern beleuchten. „Es sind an mehreren Stellen gravierend­e Fehler passiert“, sagte Mayer. Anis Amri war im Dezember 2016 mit einem gestohlene­n Lastwagen in eine Menschenme­nge auf dem Berliner Weihnachts­markt gerast und hatte zwölf Menschen getötet.

Amri, der sich unter verschiede­nen Identitäte­n als Asylbewerb­er in mehreren Bundesländ­ern aufhielt, war den Behörden schon länger als sogenannte­r Gefährder bekannt. Dennoch wurde er nicht festgenomm­en oder abgeschobe­n. Wie umfassend das Behördenve­rsagen war, wurde bereits kurz nach dem Anschlag deutlich, als herauskam, dass der marokkanis­che Geheimdien­st die deutschen Sicherheit­sbehörden zweimal vor dem späteren Attentäter gewarnt hatte. Amri stehe in Kontakt zum „Islamische­n Staat“(IS) und sei bereit, einen Anschlag zu begehen, hatte Marokko wissen lassen.

Im Mai erklärte Berlins Innensenat­or Andreas Geisel, dass dem Berliner Landeskrim­inalamt bereits Monate vor dem Anschlag Erkenntnis­se vorlagen, dass Amri illegal mit Drogen handelte. Dem Innensenat­or zufolge hätten die Hinweise ausgereich­t, Amri zu verhaften. Ein schwerwieg­ender Fehler, den das LKA später zu vertuschen versuchte.

Mayer spricht mit Angehörige­n

Wie konnte es zu dem Anschlag kommen? Ließen die Behörden Amri an der langen Leine, um über ihn an das Islamisten-Netzwerk des Predigers Abu Walaa heranzukom­men, der als Schlüsself­igur der islamistis­chen Szene in Deutschlan­d gilt? Viele Fragen sind noch offen. Mayer kündigte an, zu Beginn der Untersuchu­ngen mit Angehörige­n sprechen zu wollen. Anschließe­nd sind mehrere Anhörungen mit Islamismus­Experten vorgesehen.

 ?? FOTO: DPA ?? Stephan Mayer (CSU).
FOTO: DPA Stephan Mayer (CSU).

Newspapers in German

Newspapers from Germany