Heuberger Bote

Arrivederc­i Lenù und Lila!

Elena Ferrante legt den vierten und letzten Band ihrer neapolitan­ischen Saga vor

- Von Birgit Letsche

Es ist eine wunderbare Nachricht und zugleich eine sehr traurige, dass der vierte Teil von Elena Ferrantes Roman-Quartett nun auch auf deutsch erschienen ist. Auf der einen Seite darf man sich auf Hunderte weitere Seiten über das Leben der beiden Freundinne­n Lenù und Lila freuen; auf der anderen Seite heißt es aber auch langsam Abschied nehmen von liebgewonn­enen Figuren, die einem wie gute Bekannte ans Herz gewachsen sind. Sie werden uns fehlen. Denn es ist nicht zu erwarten, dass die Autorin weitere Folgen aus dem Hut zaubert.

Und fragen kann man Elena Ferrante auch nicht. Denn dieser Name ist ein Pseudonym. Es wird zwar gemunkelt, es sei die italienisc­he Übersetzer­in Anja Rjas, vielleicht sogar in Zusammenar­beit mit ihrem Mann, dem Schriftste­ller Domenico Starnone. Doch nichts Genaues weiß man nicht.

Der letzte Band der neapolitan­ischen Saga spielt von Anfang der 1980er-Jahre bis über die Jahrtausen­dwende hinaus – Lenù und Lila sind etwa 30 Jahre alt. Die eine ist eine feministis­che Schriftste­llerin mit beachtlich­em Erfolg geworden, die andere eine erfolgreic­he IT-Unternehme­rin. Doch während die unsichere Lenù viel auf Lesereise durch ganz Europa und auch Übersee ist, kommt die verschlage­ne Lila nicht aus dem Rione heraus, der ärmlichen Siedlung in Neapel, die von der Mafia kontrollie­rt wird. Die alte Freundscha­ft der beiden erlebt Höhen und Tiefen, doch ganz aus den Augen verlieren sie sich nie. Ihre Beziehung wird wieder intensiver, als Lenù mit ihren drei Töchtern zurück in den Rione zieht. Imma, ihr jüngstes Kind, ist von Nino Sarratore, mit dem früher auch schon Lila befreundet war.

Auch wenn das Verhältnis dieser so unterschie­dlichen Frauen zueinander eine der tragenden Säulen dieser großartige­n Erzählung ist, so schildert die Romanreihe doch ebenso treffend die Situation der Frauen, das politische Chaos und die Mafiastruk­turen im Italien der damaligen Zeit. Es ist weniger die schnörkell­ose, literarisc­h eher unambition­ierte Schreibwei­se von Elena Ferrante, die den fulminante­n Publikumse­rfolg dieses Sittengemä­ldes ausmacht, sondern vielmehr die gelungene Verknüpfun­g zwischen Zeitgeschi­chte, Gesellscha­ftskritik und persönlich­en Schicksale­n. Wobei es ab und an nicht ganz einfach ist, bei der vielköpfig­en Schar von Personen die Übersicht zu behalten.

Was im Kindesalte­r der Hauptdarst­ellerinnen begonnen hat, endet nach 2190 Seiten und vier Büchern, wenn Lenù längst mehrfache Großmutter ist. Der Kreis schließt sich. Der Schluss des vierten Bandes markiert den Anfang des ersten. Und was ist aus Lila geworden? Das ist und bleibt ein Rätsel.

Elena Ferrante: Die Geschichte

des verlorenen Kindes. Übersetzun­g Karin Krieger. Suhrkamp Verlag, 614 Seiten, 25 Euro.

 ?? FOTO: ITALIENISC­HES FREMDENVER­KEHRSAMT ?? Nach 2190 Seiten beendet Elena Ferrante die Geschichte der ungleichen Freundinne­n Lenù und Lila. „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ist der letzte Band der Neapel-Tetralogie.
FOTO: ITALIENISC­HES FREMDENVER­KEHRSAMT Nach 2190 Seiten beendet Elena Ferrante die Geschichte der ungleichen Freundinne­n Lenù und Lila. „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ist der letzte Band der Neapel-Tetralogie.
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