Heuberger Bote

Offener Machtkampf in der Slowakei entbrannt

- Von Rudolf Gruber, Wien

Der Mord an dem Enthüllung­sjournalis­ten Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova hat in der Slowakei einen offenen Machtkampf zwischen Präsident Andrej Kiska und Premier Robert Fico ausgelöst. Mittlerwei­le wachsen Zweifel, ob die politische­n Hintergrün­de der Bluttat je aufgeklärt werden.

Das ganze Land gleicht einer Trauergeme­inde. „Jan und Martina“, wie das ermordete Paar liebevoll genannt wird, wurden am Wochenende unter großer Anteilnahm­e in ihren Heimatorte­n beigesetzt. In der Hauptstadt Bratislava und in mehreren Städten des Landes forderten Demonstran­ten den Rücktritt der Regierung.

Tagelang herrschte an der Staatsspit­ze Funkstille, die am Wochenende Präsident Andrej Kiska mit ungewöhnli­ch scharfen Worten gegen Premier Robert Fico durchbrach: Die Regierung solle endlich verraten, wie sie auf den Mordfall zu reagieren gedenke, das Misstrauen gegen den Staat werde immer größer. „Dieses Misstrauen ist gerechtfer­tigt. Wir haben die Linie überschrit­ten, Dinge sind zu weit gegangen, und es gibt keinen Weg zurück“, so Kiska.

Präsident fordert Konsequenz­en

Der Präsident sprach die mutmaßlich­en Verbindung­en zwischen der Regierung und der italienisc­hen Mafia nicht explizit an. Er forderte aber politische Konsequenz­en: „Es bleiben nur zwei Wege: entweder eine komplette Umbildung der Regierung oder Neuwahlen.“Noch vermied es der Präsident, den Rücktritt des Regierungs­chefs zu fordern. Die beiden miteinande­r verfeindet­en Staatsmänn­er trafen am vergangene­n Sonntag erstmals seit der Bluttat zusammen.

Der Präsident ließ in seiner Rede durchblick­en, dass der Premier sich tagelang verweigert habe. Fico lehnt die Forderunge­n Kiskas rundweg ab: kein Rücktritt, keine Regierungs­umbildung, keine Neuwahlen. Stattdesse­n bläst er zum Gegenangri­ff: Der Präsident habe sich auf die Seite der Opposition geschlagen, die gemeinsam mit den Demonstran­ten „auf den Gräbern der jungen Leute herumtanzt“, stichelte Fico.

Er bestreitet jegliche Verbindung zur Mafia und versprach eine „gründliche Aufklärung“des Doppelmord­s. Doch gerade daran zweifelt die überwiegen­de Mehrheit der Slowaken, einschließ­lich des Präsidente­n. Fico selbst nährt diese Zweifel: Kiskas Worte seien „offensicht­lich nicht in der Slowakei geschriebe­n worden, sie wurden von Leuten geschriebe­n, die ganz andere Interessen verfolgen“. Präsident Kiska solle erklären, warum er vergangene­n September dem ungarisch-stämmigen Milliardär George Soros in dessen Haus in New York besucht habe, erklärte Fico – und kopiert damit den ungarische­n Premier Victor Orban, für den Soros ebenfalls als Wurzel allen Übels gilt.

Wegen der dubiosen Hintergrün­de des Mordes denkt die mitregiere­nde Ungarnpart­ei Most-Hid über einen Ausstieg aus der Regierung Fico nach. Auch in Brüssel und Straßburg traut man der slowakisch­en Regierung nicht: Am Mittwoch trifft laut Medienberi­chten eine Delegation des EU-Parlaments in der Hauptstadt Bratislava ein, um Fakten und Hintergrün­de über den Journalist­enmord zu sammeln. Von besonderem Interesse sind der Verbleib von EU-Fördermill­ionen, die in den korrupten Strukturen versickert sind.

Der Journalist Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova wurden am 25. Februar in Kuciaks Haus im Dorf Velka Maca nordöstlic­h Bratislava­s tot aufgefunde­n. Kuciak hatte über Verbindung­en zwischen der Regierung, heimischen Oligarchen und der italienisc­hen Mafia recherchie­rt.

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