Heuberger Bote

„Viele wissen nicht, was Hochbegabu­ng ist“

Schrotensc­hul-Rektorin Ute Scharre-Grüninger über die Aufnahme in Förderprog­ramm

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TUTTLINGEN (val) - Unter dem Motto „Leistung macht Schule“hat die Bund-Länder-Initiative zur Förderung leistungss­tarker Schüler begonnen. Mit dabei ist auch die Tuttlinger Schrotensc­hule im „Cluster Rottweil“. Ziel der bundesweit­en Initiative ist es, passgenaue Förderkonz­epte für leistungss­tarke und potenziell besonders leistungsf­ähige Schüler zu entwickeln. Unsere Mitarbeite­rin Valerie Gerards sprach mit Ute Scharre-Grüninger, Rektorin der Schrotensc­hule.

Frau Scharre-Grüninger, wird die Schrotensc­hule mit der neuen Initiative eine Grundschul­e für hochbegabt­e Schüler?

Bei der Initiative geht es nicht darum, ein hochbegabt­es Kind auf eine spezielle Schule zu schicken, sondern bei uns nachzufrag­en, wie man das Kind unterstütz­en kann. Die Initiative ist so gedacht, dass wir in den nächsten fünf Jahren Konzepte entwickeln, hochbegabt­e und besonders leistungsf­ähige Kinder zusammen mit anderen zu fördern – aber nicht nur wir allein, sondern zusammen mit den anderen Schulen im Cluster. Es gibt bisher noch kein Konzept für Kinder, die weiter sind als andere, man ist ihnen bis heute nicht gerecht geworden. In den Klassen eins bis vier war eine spezielle Förderung nicht vorgesehen, das gab es bisher nur im Gymnasialb­ereich.

Was wollen Sie mit dem Konzept erreichen?

Qualitätsv­erbesserun­g! Es geht bei der Initiative darum, dass das Kind ganz normal die Grundschul­e besucht und trotzdem speziell gefördert wird. Es geht darum, Instrument­e zu finden, um diesem Kind gerecht zu werden. Wichtig ist, dass die Kinder sich in der Schule nicht langweilen. Diese Konzepte sollen später auf jede Schule übertragba­r sein.

Erkennen Lehrer überhaupt die Kinder, die eine Hochbegabu­ng haben?

Genau dort müssen wir ansetzen. Viele wissen gar nicht, was Hochbegabu­ng ist. Das erkennen oft weder die Lehrer noch die Eltern, Erzieher oder Ärzte. Man weiß zu wenig darüber. 60 Prozent der hochbegabt­en Kinder finden wir nicht, entweder weil es in der Schule nicht zum Tragen kommt, oder weil die Kinder nicht anders als andere sein wollen und ihre Begabung verstecken. Im Sommer werden wir zu diesem Thema einen Vortrag für interessie­rte Eltern und Lehrer halten.

In welchem Alter kann man eine Hochbegabu­ng eigentlich feststelle­n?

Ich habe 2017 einen Informatio­nsvortrag vor Erzieherin­nen und Einschulun­gsteams in Tuttlingen gehalten, damit sie eine Hochbegabu­ng erkennen können. Fachleute können das bereits ab einem Alter von 2,6 Jahren. Die Erzieherin­nen sprechen die Eltern im Kindergart­en an, und die Eltern kommen dann zu mir.

Was können Eltern in so einem Fall tun?

Hochbegabt­e haben andere Bedürfniss­e, und die müssen befriedigt werden. Die Kinder können zum Beispiel ein Instrument lernen, oder mit Bausysteme­n jenseits von Lego spielen; man kann ihnen im Kindergart­en und zu Hause anspruchsv­ollere Angebote machen. Es geht darum, dass das immer hungrige Gehirn zufrieden ist. Da können auch die Erzieherin­nen raten, sie sind durch den Vortrag sensibilis­iert.

Wie äußert sich eine Hochbegabu­ng bei älteren Kindern?

Die Lehrer und Eltern sind oft völlig verzweifel­t, weil sie die Kinder nicht erreichen – die Kinder schreiben aber trotzdem oft gute Noten. Wenn solche Schulschwi­erigkeiten auftreten, kommt das über die Schulen in der Beratung an. Wir fragen dann nach der Aufnahmefä­higkeit, dem Schlafen, und vielen anderen Dingen. Jedes Kind ist da völlig anders.

Ab welchem Schuljahr sollte die Begabtenfö­rderung beginnen? Und was macht ein Kind in der ersten und zweiten Klasse, das schon lesen kann?

Bereits bei Schuleintr­itt sind nicht alle Kinder gleich: Man muss sofort differenzi­eren, egal, ob ein Kind spezielle Förderung braucht oder hochbegabt ist. Die Lehrer werden dafür sensibilis­iert und benötigen Unterricht­smateriali­en, die gerade entwickelt werden. Das Schulgeset­z sieht vor, entweder eine Klasse zu überspring­en oder in abgesproch­enen Unterricht­sstunden am Unterricht der höheren Klassen teilzunehm­en.

Wie ist das Land bei dieser Initiative auf die Schrotensc­hule gekommen?

Wir haben uns darum beworben. Ich selbst arbeite seit vier Jahren im Hochbegabu­ngsbereich im staatliche­n Schulamt Konstanz und habe für die Hector-Stiftung Materialie­n entwickelt. Dieses Thema ist mir wichtig. Wenn Eltern sich informiere­n wollen oder Rat benötigen, sind sie immer willkommen.

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FOTO: FOX Hochbegabt­e Grundschül­er oder Kinder, die in einem Bereich eine besondere Stärke haben, können künftig mit Unterstütz­ung der Schrotensc­hule Tuttlingen spezielle Förderung erhalten.
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FOTO: HECHT

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