Attraktiver Italiener mit amerikanischen Genen
Der Jeep Compass bringt einen Hauch von Individualität auf die Straße – Knackiges Fahrwerk, hoher Verbrauch
Vielleicht liegt es ja daran, dass der Testwagen in Italien zugelassen ist. Oder auch, dass Jeep vor Jahren von Fiat geschluckt wurde, denn: Wer hinter dem Steuer des kompakten SUV Jeep Compass Platz nimmt, den Vierzylinder-Benziner anwirft, den Blinkerhebel nach unten oder oben drückt, der hat von Anfang an das Gefühl, nicht in einem Amerikaner aus mexikanischer Produktion zu sitzen, sondern in einem hübsch gestylten Italiener – Fiat-Motorengeräusch inklusive. Und so geht es dann auch weiter.
Auf dem für große Fahrer nur durchschnittlich bequemen Sitz fühlt sich der vermeintliche Ami tatsächlich eher wie ein Turiner an. „Not fair“würde US-Präsident Trump über dieses Urteil twittern, ohne abzuwarten, was eigentlich gemeint ist. Das Auto fährt sich eben wie ein Südeuropäer. „Das ist auch gut so“, um einen anderen Politiker zu zitieren. Gar nicht schwammig oder behäbig, das Fahrwerk ist recht knackig abgestimmt. Es wäre zwar übertrieben, die Stoßdämpfereinstellung als hart zu bezeichnen, aber der Straßenzustand wird deutlich wahrgenommen. Dafür lenkt der Compass prima in die Kurven ein und wirkt dabei gar nicht wie ein SUV mit amerikanischen Genen. Vielleicht ist die Lenkung ein wenig zu leichtgängig geraten, alles in allem aber repräsentiert der Jeep den Branchendurchschnitt.
Feines Fahrverhalten, attraktives Design, gute Verarbeitung, ausreichendes Platzangebot für vier Passagiere
Warum das Fiat-Gefühl dann doch für einige Geschmäcker zu deutlich erlebbar ist? Zum einen sind es die Schalter, die an Tipo, Panda oder Tempra erinnern. Dazu kommt der Motorsound. Kein Brabbeln wie bei den größeren US-Brüdern, sondern eher der Klang eines Kleinwagens, ein bisschen gequält bei hohen Drehzahlen. Kurzum: Das 1,4-LiterAggregat mit beachtlichen 170 PS tönt bei kalter Maschine wie ein Fiat Uno. Hat der Wagen aber erst Betriebstemperatur erreicht, dann ist ein flinkes Fahren ohne Lärmbelästigung durchaus möglich. Die Neunstufen-Automatik hilft dabei, auch wenn in mancher Situation per Hand eingegriffen werden muss. Sie arbeitet in der Regel zwar einwandfrei, dennoch scheint der Wandler hin und wieder nicht zu wissen, welcher Gang gerade der beste ist.
Die Instrumente sind – zumindest auf den ersten Blick – prima gestaltet. Kommt es aber zu direkter Sonneneinstrahlung, erweist sich die Anordnung eher als suboptimal. Der konventionelle Tachometer und der Drehzahlmesser spiegeln dann unangenehm zwischen den digitalen Anzeigen. Bei Nacht alles bestens, im italienischen Sommer jedoch könnte die Reflexion gewöhnungsbedürftig sein.
Aber lassen wir das Mosern auf hohem Niveau. Der Jeep ist ansprechend gestaltet und auch gut verarbeitet. Innen wie außen. Die Oberflächen des Armaturenbretts sind nicht aus Hartplastik, die allgemeine Bedienung ist einfach, Infotainment und Navigationssystem sind kinderleicht über den zentralen Touchscreen zu steuern. Alles simpel und schnell. Zudem stehen zahlreiche Apps zur Verfügung wie etwa die Offroad-App, mit deren Hilfe der Allradler theoretisch alle Widerstände überwinden kann.
Damit sind wir bei der zentralen Frage: Brauchen wir im Südwesten der Republik wirklich einen Allrad? Die hiesigen Straßenmeistereien arbeiten so professionell, dass sie selbst bei plötzlichen Wintereinbrüchen in der Lage sind, die wichtigen Straßen zu räumen. Also ist der Allradantrieb wohl eher etwas fürs Gemüt oder Gefühl, eine Art Beruhigungspille. Notwendig ist er in aller Regel nicht.
Wer sich in dem Jeep dann beim Fahren nicht wohlfühlt, der hat allerhöchste Ansprüche. Ein Manko, zugegeben, sind die fehlenden Ablagen. Wer etwas Größeres in den Seiten oder zwischen den Sitzen verstauen möchte, sucht vergebens. Dafür reicht der Platz für vier Personen problemlos, ein fünfter Passagier allerdings freut sich recht schnell nach der Abfahrt auf die Ankunft. Aber das ist auch nicht anders im VW Tiguan, im Ford Kuga oder in einem vergleichbaren Koreaner oder Japaner. Für das Gepäck hingegen genügt der Kofferraum, der gut zu beladen ist und über einen herausnehmbaren Boden verfügt. Dort kann allerlei verstaut werden.
Schauen wir uns noch die nackten Fahrwerte an: Unter zehn Sekunden von 0 auf 100, und auch 200 km/h sind bei Vollgas drin. Ein Verkehrshindernis ist der schmucke Compass also nicht. Wie die CO2-Bilanz bei derart zügiger Fahrt aussieht, möchte man aber lieber nicht wissen. Den angegebenen Durchschnittsverbrauch von knapp unter sieben Litern haben wir nie erreicht, nicht einmal bei einem ausgesprochen defensiven Fahrstil. Bei uns schluckte der Motor durchschnittlich neun Liter. Wurden die Gänge ausgereizt, signalisierte der Bordcomputer sogar schnell einen zweistelligen Benzinkonsum. Ein Diesel macht das deutlich
Leichtgängige Lenkung, gequälter Motorsound, Automatik nicht optimal abgestimmt, hoher Verbrauch, Mangel an Ablageflächen
besser, aber in der aktuellen Diskussion um Fahrverbote wegen Stickoxiden wollen das die meisten nicht hören.
Mit Fahrassistenzsystemen ist der Compass gut ausgestattet. Der ToteWinkel-Warner ist ebenso an Bord wie der Spurhalteassistent und der Frontkollisionswarner. Im wahrsten Sinne des Wortes fand das Lautsprechersystem von Boals Anklang.
Für wen der Compass eine Alternative ist? Für alle, die sich an Volkswagen und Co. sattgesehen haben. Das Auto ist attraktiv gezeichnet. Von außen ist es unverkennbar ein Jeep, die harten Kanten sind verschwunden, und Motorhaube, Scheinwerfer sowie Kühlergrill sind einfach ganz anders gestaltet als bei der europäischen und asiatischen Konkurrenz. Die Technik ist auf dem aktuellen Stand. Es mag ja sein, dass es SUV-Modelle gibt, die ein paar Dinge besser können als der Jeep Compass. Aber ein Hauch von Individualität kann nicht schaden.