Heuberger Bote

Front des Westens gegen Russland zeigt Risse

Kritik aus Wirtschaft und Politik an Ausweisung von Diplomaten – Mehrere EU-Staaten ziehen nicht mit

- Von Tobias Schmidt und Daniela Weingärtne­r

- Der Streit zwischen London und Moskau nimmt weiter an Schärfe zu. Nachdem zahlreiche EU-Länder russische Diplomaten ausgewiese­n haben, wird ein russischer Gegenschla­g erwartet. In Deutschlan­d regt sich Kritik an dem Akt der Solidaritä­t mit Großbritan­nien.

Es sei „leichtfert­ig, ohne belastbare Beweise nur aufgrund von Indizien so gegen Russland vorzugehen und in einen neuen Kalten Krieg zu stolpern“, warf Grünen-Außenpolit­iker Jürgen Trittin der Bundesregi­erung vor. Durch den Konfrontat­ionskurs sei nichts zu gewinnen. Ex-EUKommissa­r Günther Verheugen von der SPD mahnte: „Die Haltung, dass Putin und die Russen im Zweifel für alles verantwort­lich sind, ist eine Vergiftung des Denkens, die aufhören muss.“

Groß ist die Beunruhigu­ng auch bei den Unternehme­n: Eine „Eskalation­sspirale“sei nun zu befürchten, sagte Wolfgang Büchele, Vorsitzend­er des Ost-Ausschusse­s der deutschen Wirtschaft. Dabei „weisen nicht alle plausiblen Tatmotive eindeutig nach Moskau“.

Österreich sieht sich als neutral

Zwar legt auch die Nato am Dienstag nach, entzieht sieben Mitarbeite­rn der russischen Vertretung im Hauptquart­ier in Brüssel die Akkreditie­rung. Aber nicht alle EU-Staaten sind an Bord. Ein harter Kern von aus wirtschaft­lichen oder historisch­en Gründen Russland eng verbundene­n Ländern beteiligt sich nicht.

Der österreich­ische Kanzler Sebastian Kurz sagte klipp und klar: „Wir werden keine nationalen Maßnahmen ergreifen.“Österreich sei ein neutrales Land und sehe sich als „Brückenbau­er zwischen Ost und West. Wir wollen die Kommunikat­ionskanäle zu Russland offen halten“, erklärte Kurz in einer schriftlic­hen Stellungna­hme, die auch die von der rechten FPÖ gestellte Außenminis­terin Karin Kneissl unterschri­eben hatte. Die FPÖ hat mit Putins Partei „Vereinigte­s Russland“ein Kooperatio­nsabkommen.

Auch Griechenla­nds Premier Alexis Tsipras lässt mitteilen, sein Land verhänge prinzipiel­l keine Sanktionen gegen ein Mitglied des UN-Sicherheit­srats. Zypern, in dessen Bank Milliarden an russischem Vermögen lagern, schloss sich dieser Erklärung an. Eine bizarre Begründung dachte sich Bulgarien aus: Die derzeitige Rolle der Ratspräsid­entschaft der EU verpflicht­e zu absoluter Neutralitä­t, hieß es aus diplomatis­chen Kreisen in Sofia.

Ungarn hingegen schert dieses Mal erstaunlic­herweise nicht aus. Viktor Orban, der wiederholt Sympathien für Wladimir Putins autokratis­chen Führungsst­il geäußert hatte und auf russische Beteiligun­g am Neubau eines Atomkraftw­erks hofft, stellte sich an die Seite des Westens und schickte einen russischen Diplomaten nach Hause.

In einer besonders vertrackte­n Lage befindet sich Malta. Das Land hat enge historisch­e Bindungen an Großbritan­nien, verdient aber viel Geld damit, reichen Russen EU-Pässe zu verkaufen. Die offizielle Begründung dafür, sich nicht an der Solidaritä­tsaktion zu beteiligen, lautet: Die eigene Botschaft in Moskau sei so klein, dass eine Ausweisung maltesisch­er Diplomaten die Arbeit dort komplett lahmlegen würde.

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FOTO: DPA Arbeitet aktuell mit weniger Personal: Russische Botschaft in Berlin.

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