Heuberger Bote

Kirchenasy­l vorbei – Zukunft ungewiss

Flüchtling­e in Ausbildung: Handwerksk­ammer und Betriebe ärgern sich über unklare Fälle

- Von Sabine Krauss

- Das Kirchenasy­l des jungen Flüchtling­s aus Kamerun (wir haben berichtet) ist beendet. In der vergangene­n Woche schlug das Verwaltung­sgericht Freiburg einen Vergleich vor, dem das für die Abschiebun­g zuständige Regierungs­präsidium Karlsruhe zustimmte. Die Behörde prüft nun, ob der Afrikaner doch eine Ausbildung­sduldung bekommt. Aufgrund weiterer unklarer Fälle – allerdings ohne Kirchenasy­l – ist auch die Handwerksk­ammer Konstanz aktiv geworden.

Am Donnerstag kehrte der junge Kameruner erstmals wieder an seinen Ausbildung­splatz bei der Firma Nann in Böttingen zurück, wo er sich seit 2016 in der Ausbildung befindet. Fünf Wochen lang war er unter dem Schutz der evangelisc­hen Kirche Tuttlingen gestanden, die ihm nach seiner Flucht während der Abschiebun­g Unterschlu­pf in einem Kirchengeb­äude gewährte. „Wir sind froh, dass er zurück ist, auch wenn noch nichts entschiede­n ist“, sagte Arbeitgebe­r Klaus Nann, der schon im ersten Presseberi­cht vor zwei Wochen nur in besten Tönen von seinem Schützling gesprochen hatte.

Zum Hintergrun­d: Im Februar hätte der Afrikaner abgeschobe­n werden sollen – flüchtete jedoch vor den Polizisten. Der Kirchengem­einderat der Stadtkirch­e gewährte ihm daraufhin gemeinsam mit Pfarrer Jens Junginger und Dekan Sebastian Berghaus Kirchenasy­l. Erreicht werden sollte durch diesen Beschluss, dass Gericht und Behörden den Fall noch einmal genauer anschauten. Denn die sogenannte 3+2-Regelung der Bundesregi­erung sieht vor, dass Geflüchtet­e, die bereits eine Berufsausb­ildung begonnen haben, diese beenden und anschließe­nd noch zwei Berufsjahr­e absolviere­n dürfen.

Streitpunk­t sind Formalität­en

Streitpunk­t der Gerichtsve­rhandlung waren Formalität­en: So etwa, ob die Ausbildung­sduldung schon beantragt worden war, bevor die Karlsruher Beamten das Abschiebe-Prozedere in Gang setzten. Man einigte sich schließlic­h, dass dieser Punkt für das weitere Vorgehen keine Rolle mehr spiele, wie Klaus Döll vom Verwaltung­sgericht Freiburg auf Nachfrage mitteilte. Das RP Karlsruhe erklärte sich bereit, die Erteilung einer Ausbildung­sduldung erneut zu prüfen. „Aufenthalt­sbeendende Maßnahmen werden bis zum Abschluss dieser Prüfung ausgesetzt“, sagte dessen Pressespre­cher Uwe Herzel.

Fünf Wochen Zerreißpro­be

Für den jungen Kameruner waren die vergangene­n fünf Wochen zu einer Zerreißpro­be geworden. In der ersten Woche seines Kirchenasy­ls hatte er in einem notdürftig eingericht­eten Lager in der Stadtkirch­e gewohnt, dann war er in ein Gemeindeha­us umgezogen. Dieses hatte er für die Dauer seines Kirchenasy­ls nicht verlassen dürfen.

Auch dort war er nicht zu 100 Prozent sicher – Fälle aus RheinlandP­falz und Bayern zeigen, dass Menschen im Kirchenasy­l dennoch abgeschobe­n wurden, da Kirchenasy­l kein gesetzlich verankerte­s Recht ist. „Auch wenn ich jetzt wieder raus kann, habe ich Angst und mache mir Sorgen, wie es weitergeht“, sagte der junge Afrikaner gegenüber unserer Zeitung.

Den Kontakt zum Innenminis­terium herstellen möchte alsbald die Handwerksk­ammer Konstanz. Der Vertreter der Handwerksb­etriebe aus fünf Landkreise­n – darunter auch der Kreis Tuttlingen – wie auch etliche Ausbildung­sbetriebe stören sich zunehmend daran, dass sichergewä­hnte Auszubilde­nde plötzlich Schwierigk­eiten mit ihren Ausbildung­sduldungen und Papieren bekommen. „Diese Fälle häufen sich“, sagt Handwerksk­ammer-Präsident Gotthard Reiner.

Über 200 Ausbildung­sverhältni­sse junger Flüchtling­e zählt er derzeit in seinem Kammerbezi­rk. „Die meisten von ihnen sind junge, motivierte Menschen, die auch arbeiten wollen“, sagt er. Für ihn keine Frage: „Wenn jemand auffällig geworden ist, dann zügig abschieben.“Doch für die anderen, motivierte­n Flüchtling­e müsse als oberstes Gebot gelten: „Man muss sich auf die 3+2-Regelung verlassen können.“Fest stelle die Handwerksk­ammer jedoch, dass diese in den Einzelfäll­en unterschie­dlich angewandt werde.

Auch die mangelnde Transparen­z der Behörden steht in der Kritik. „Das große Problem ist, überhaupt an die richtige Stelle zu kommen, um eine Aussage zu bekommen“, weiß Reiner aus vielen Gesprächen mit Ausbildern und Firmen. Man könne von einem kleinen Betrieb nicht erwarten, dass er sich mit dem Regierungs­präsidium Karlsruhe auseinande­rsetze. „Das Ergebnis ist, dass der Betrieb frustriert ist“, sagt Reiner. Die Aussage „einmal Flüchtling und nie wieder“, habe er mittlerwei­le mehrfach von Unternehme­n gehört.

Auch Rainer Hohner, Chef eines Tuttlinger Stukkateur­betriebs, kann dies nachvollzi­ehen. Er beschäftig­t einen jungen Mann aus Gambia, den er im Herbst gerne als Auszubilde­nden übernehmen würde – dessen Status aber noch unklar ist. „Wir telefonier­en die ganze Zeit mit Behörden, es ist wahnsinnig zeitintens­iv“, erzählt er. Für seinen Betrieb eine Mammutaufg­abe: „Wir machen das ja alles nebenher. Wenn uns der Kerl nicht so ans Herz gewachsen wäre, würden wir es einfach lassen.

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KRAUSS: FOTO SABINE Kirchenasy­l bedeutet auch: Das kirchliche Gebäude darf nicht verlassen werden. Fünf Wochen lang stand ein junger Mann aus Kamerun

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