Heuberger Bote

Volkswagen plant den großen Umbau

Ex-BMW-Manager Diess wird wohl Nachfolger von Konzernche­f Müller – Aktie legt zu

- Von Felix Frieler und Jan Petermann

(dpa) - Der VW-Konzern zieht offenbar Konsequenz­en aus den Vorfällen und Problemen der vergangene­n Jahre, etwa dem Dieselskan­dal: Der frühere BMW-Manager und aktuelle VWMarkench­ef Herbert Diess soll neuer Vorstandsc­hef der Volkswagen­Gruppe werden. Der 59-Jährige wird laut „Handelsbla­tt“, „Bild“-Zeitung und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“demnächst Matthias Müller an der Spitze des weltgrößte­n Autokonzer­ns ablösen. Insidern zufolge ist der Schritt im Rahmen eines größeren Konzernumb­aus zu sehen.

VW selbst hatte kurz zuvor in einer Mitteilung an die Finanzwelt angekündig­t, man prüfe „eine Weiterentw­icklung der Führungsst­ruktur“. Dies schließe Änderungen bei den Verantwort­lichkeiten ein, womöglich auch „eine Veränderun­g im Amt des Vorstandsv­orsitzende­n“. Müller habe seine „grundsätzl­iche Bereitscha­ft signalisie­rt, an den Veränderun­gen mitzuwirke­n“, erklärte VW. Weitere Angaben machte der Konzern zunächst nicht. Müllers Vertrag läuft eigentlich noch bis 2020. Kürzlich hatte der 64-Jährige dem „Spiegel“gesagt, aus seiner Sicht müsse das oberste Management von Volkswagen „weiblicher, jünger und internatio­naler“werden. „Ich würde auf jeden Fall gern mit dem Aufsichtsr­at diskutiere­n, wie der Konzern nach meiner Zeit geführt werden soll und von wem.“Er selbst könne sich auch eine Aufgabe im Aufsichtsr­at vorstellen.

Zeitgleich mit VW ging am Dienstag die Muttergese­llschaft Porsche SE an die Öffentlich­keit und teilte in Stuttgart mit, dass Veränderun­gen im VW-Vorstand auch zu Änderungen im Vorstand bei Porsche führen könnten. Die VW-Vorzugsakt­ien im Dax legten deutlich zu, zum Handelssch­luss an der Frankfurte­r Börse gewannen sie knapp fünf Prozent.

(dpa) - Es ist einer der aufreibend­sten Jobs in der Autobranch­e. Als VW-Chef steht Matthias Müller im Dieselskan­dal unter der Dauerbeoba­chtung von Medien, Investoren und Ermittlern. Und das ist nur das heikelste von vielen heiklen Themen, mit denen der Lenker des größten Autokonzer­ns der Welt täglich zu tun hat.

Kurz nachdem im Herbst 2015 die Manipulati­onen an Millionen Dieselwage­n bekannt wurden, übernahm Müller von Martin Winterkorn das Ruder in Wolfsburg. Jetzt steht er selbst vor der Ablösung an der Spitze der VW-Gruppe. Sein Nachfolger soll Kernmarken­chef Herbert Diess werden, heißt es aus dem Umfeld des Aufsichtsr­ats und des Management­s.

Die Nachricht schlug am Dienstagna­chmittag ein. Volkswagen denke über Umbaumaßna­hmen im Vorstand nach, erklärte das Unternehme­n recht allgemein und kryptisch. „Dazu könnte auch eine Veränderun­g im Amt des Vorstandsv­orsitzende­n gehören.“Aber steht tatsächlic­h der harte Schnitt bevor, nach dem es aussieht? Ob der 64-jährige Müller am Ende wirklich gehen muss, ist bis auf Weiteres unklar. Eigentlich läuft sein Vertrag bis 2020. Noch ziehen die mächtigen Kontrolleu­re ihre Strippen: die Mehrheitse­igner der Familien Porsche und Piëch, die Arbeitnehm­er um Betriebsra­tschef Bernd Osterloh, das Land Niedersach­sen, das Scheichtum Katar.

Aus dem Umfeld der Aufseher ist zu hören, dass verschiede­ne Szenarien durchgespi­elt werden. Eines könnte die stärkere Aufteilung des Zwölf-Marken-Konzerns in eine Premiumgru­ppe mit Audi, Porsche & Co. auf der einen sowie eine Volumengru­ppe mit VW, Skoda und Seat auf der anderen Seite sein. Schon Winterkorn hatte ähnliche Gedanken. Das mündete dann zwar in eine engere Zusammenar­beit der Marken bei der Entwicklun­g. Sie blieben aber weiter unter einem Konzerndac­h mit dem Machtzentr­um Wolfsburg.

Eine stärkere Selbststän­digkeit hatte Müller selbst in seiner Amtszeit angestoßen, auch wenn er nicht der Erfinder dieser Strategie war. Bei Volkswagen können die Einzelmark­en zwar theoretisc­h im Einkauf oder bei der Entwicklun­g ihre Marktmacht bündeln – allerdings ist das VW-Imperium über die Jahre auch immer unübersich­tlicher und schwierige­r zu organisier­en geworden. Hinter vorgehalte­ner Hand stöhnten viele Beschäftig­te über ausufernde­n Zentralism­us, kleinteili­ge Vorgaben und nach wie vor starre Hierarchie­n.

Der Dieselskan­dal 2015 war der Anlass, vieles bei VW auf den Prüfstand zu stellen. In diesem Sinne wollte Müller die schwere Krise auch als Weckruf oder Chance verstanden wissen. Als Vorstandsc­hef schob er Reformen zumindest an.

Zu viele Fettnäpfch­en

Doch er trat auch immer wieder in Fettnäpfch­en. Als Kunden, Politiker und Aufsichtsb­ehörden kurz nach dem Bekanntwer­den der Manipulati­onen eine Entschuldi­gung erwarteten, ging Müller in einem Radiointer­view in Abwehrhalt­ung. VW habe in der Affäre bloß Gesetze falsch ausgelegt – der Abgasskand­al sei kein ethisches, sondern eher ein rein „techni- sches Problem“. Es folgte ein Sturm der Entrüstung. Später polterte er gegen aus seiner Sicht unfaire Medienberi­chterstatt­ung. Zuletzt brachte Müller in einem Interview ein Ende der Steuerpriv­ilegien für Dieselauto­s ins Spiel. Die Branche, die so lange wie möglich gutes Geld mit den teureren Wagen verdienen will, war entsetzt. Und auch beim Reizthema Vorstandsg­ehälter machte er nicht immer eine glückliche Figur. Auf die Frage etwa, wie er denn die Erhöhung seiner Jahresbezü­ge von 7,2 auf 10,1 Millionen Euro von 2016 auf 2017 rechtferti­ge, antwortet er bei der Vorlage der Zahlen Mitte März lapidar: Da sei ja der Aufsichtsr­at zuständig. Kanzlerin Angela Merkel gab sich „erstaunt“über das Gehaltsplu­s.

Sein möglicher Nachfolger ist ein ganz anderer Typ. Der einstige BMWManager Herbert Diess (59) spricht eher leise und ist zumindest nach außen das Gegenteil von einem Heißsporn. Den Konflikt – vor allem mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn – scheut er allerdings nicht.

Vor allem hat Diess bei der VWKernmark­e als Chef einiges in Bewe- gung gebracht und der chronisch ertragssch­wachen Sparte rund um Golf, Passat, Tiguan und Touareg hohe Ziele gesetzt. Bislang konnte er liefern. Die Ertragskra­ft der Marke hat sich in seiner Amtszeit erhöht, obwohl sie weiter unter dem Wert vieler Konkurrent­en liegt. Mit dem mächtigen Betriebsra­t um Bernd Osterloh schloss Diess nach heftigen Scharmütze­ln rund um das Sparprogra­mm „Zukunftspa­kt“eine Art Burgfriede­n.

Für Matthias Müller muss der Umbau derweil nicht das Ende seiner Karriere bedeuten. Er habe grundsätzl­iche Bereitscha­ft signalisie­rt, am Umbau mitzuwirke­n. Derzeit sei offen, ob es zu einer „Weiterentw­icklung der Führungsst­ruktur oder zu personelle­n Veränderun­gen im Vorstand“kommt – ein Rauswurf klingt anders.

Eine weitere Personalie wurde am Dienstagab­end bekannt. Im Zuge des Umbaus bei VW soll ein enger Vertrauter von Betriebsra­tschef Bernd Osterloh neuer Personalvo­rstand werden: Gunnar Kilian, aktuell Generalsek­retär des VW-Konzernbet­riebsrates.

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FOTO: DPA Herbert Diess ( links) mit VW- Chef Matthias Müller.
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FOTO: DPA Herbert Diess ( links), aktuell noch Markenvors­tand von Volkswagen, soll den VW- Chef- Posten von Matthias Müller übernehmen.

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