Heuberger Bote

Kevin Kühnert gibt so leicht nicht auf

Die Jusos fordern Platz für linke Ideen in der SPD – Sie wollen Hartz IV neu regeln und für mehr Gerechtigk­eit sorgen

- Von Sabine Lennartz

- Manchmal müsse er sich kneifen, sagt Kevin Kühnert, wenn er daran denke, dass alles erst ein Jahr her ist. Der Schulz-Hype, die Euphorie der Sozialdemo­kraten, der Glaube an Erfolg und Erneuerung. Dann kam der Absturz bei der Bundestags­wahl. Doch der Juso-Vorsitzend­e Kühnert hat sich die Hoffnung erhalten. Er fordert Platz für linke Ideen in seiner Partei. Und er hat gleich einen konkreten Vorschlag: Die Jusos sollten die Leitung der SPD-Arbeitsgru­ppe zu Arbeit und Sozialstaa­t erhalten. Denn bei Hartz IV gäbe es einiges „nachzuschä­rfen“, sprich zu verbessern.

Es ist ein Frühlingsa­bend mit sommerlich­en Temperatur­en, an dem die Bars und Straßencaf­es in Berlin gefüllt sind. Trotzdem ist das WillyBrand­t-Haus fast ausgebucht von Jusos, die sich auf den Bundespart­eitag der SPD vorbereite­n wollen.

Ihr Chef Kühnert hat mit seiner NoGroko-Kampagne ein bisschen Parteigesc­hichte geschriebe­n. Auch wenn er am Ende gescheiter­t ist, so hat es ihm doch Mut gemacht, „dass 120 000 auf unserer Seite waren“. Er findet es gut, wenn die Öffentlich­keit mitbekommt, „dass unsere Partei nur zähneknirs­chend in der Regierung sitzt“. Deshalb hält er auch nichts von „Gute-Laune-Pressekonf­erenzen“wie jener von Angela Merkel mit Olaf Scholz in Meseberg.

Keine Lust auf „Weiter so“

Kevin Kühnert will für Erneuerung kämpfen. Die werde nicht geschenkt, sondern sie müsse erstritten werden. Auch Berlins Juso-Chefin Annika Klose sagt im Willy-Brandt-Haus: „Wir haben keinen Bock mehr auf weiter so, auf das Rumgemerke­l, auf immer dieselben Leute an der Spitze.“Und Brandenbur­gs Juso-Chefin Rica Eller fragt die Versammlun­g: Wer will kostenlose­n ÖPNV, wer will Sicherheit im Alter?

Die Jusos wollen den Sozialstaa­t besser machen. Für Kühnert ist Hartz IV der Sündenfall der SPD, wegen dem die Hälfte der Wähler der SPD den Rücken gekehrt habe. Er hält viel von einem solidarisc­hen Grundeinko­mmen, wie es der Berliner Bürgermeis­ter Michael Müller jetzt vorgeschla­gen hat. Doch der soziale Arbeitsmar­kt alleine reiche nicht.

Die Regelsätze von Hartz IV seien insgesamt zu niedrig, der Mindestloh­n müsse höher sein. Um am Ende eine Rente oberhalb der Grundsiche­rung zu erreichen, müsse er zwölf Euro betragen. Kinder müssten aus Hartz IV befreit werden, Kindergeld­erhöhungen nicht gegengerec­hnet werden. Schärfere Sanktionen für unter 25-jährige Hartz-IV-Bezieher müssten beendet werden, das sei auch Beschlussl­age der SPD. Sanktionen seien überhaupt für niemanden richtig, weil keiner von weniger als der Grundsiche­rung leben könne.

Um dies alles zu ändern, schlägt Kühnert den Genossen vor, die Jusos ranzulasse­n. Sie hätten schließlic­h „die Gnade des späten SPD-Eintritts“. Die Jusos wollten nicht nur Korrekture­n, sondern die Überwindun­g der sozialen Ungleichhe­it. Dazu zähle eine Änderung der Vermögensv­erteilung. Über Instrument­e könne man streiten, über eine gerechtere Verteilung nicht.

Entspreche­nde Anträge verspricht Kühnert für den SPD-Parteitag in Wiesbaden am 22. April. Da stellt sich SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles zur Wahl als neue SPDChefin. Sie wird bestimmt nicht so weit wie die Jusos gehen, aber auch sie zeigt sich in einem Interview der „Frankfurte­r Rundschau“offen für Veränderun­gen. „Die Frage ist doch: Was brauchen wir im Jahr 2025 für einen Sozialstaa­t? Und nicht: Was war im Jahr 2003?“, sagte Nahles. Die grundlegen­de Frage sei, wie die Lebenspers­pektiven von Sozialhilf­eempfänger­n verbessert werden könnten. „Wir wollen beispielsw­eise einen sozialen Arbeitsmar­kt schaffen.“

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FOTO: DPA Bei Hartz IV gäbe es einiges „nachzuschä­rfen“, sagt Juso-Chef Kevin Kühnert, der weiterhin für eine Erneuerung der SPD kämpfen will.

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