Heuberger Bote

Die Fernseh-Filiale

VR-Bank setzt auf Videokabin­en in Geschäftss­tellen – Thüga Energie übernimmt die Idee

- Von Anna Kratky

RAVENSBURG/PFULLENDOR­F - Betritt ein Kunde des Energiever­sorgers Thüga Energie die Kabine zur Videoberat­ung, löst er automatisc­h eine Lichtschra­nke aus. Kaum ist er in den schneckenf­örmigen Gang getreten, erscheint das Bild von Servicemit­arbeiterin Nancy Krumpfe. „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragt sie. Von 8 bis 18 Uhr berät sie gemeinsam mit einer Kollegin die Kunden aus Pfullendor­f und Umgebung – sie sitzt allerdings im 50 Kilometer entfernten Singen. Seit dieser Woche ist die sogenannte interaktiv­e Kundenserv­icefiliale in der Volksbank in Pfullendor­f in Betrieb.

Als erster Energiever­sorger bundesweit bietet Thüga Energie seinen Kunden mittels dieser Station, eine persönlich­e Beratung von einer live zugeschalt­eten Mitarbeite­rin. Ganz neu ist das System allerdings nicht. Die Deutsche Bahn bietet Videoberat­ung an Bahnhöfen bereits seit 2013 an – darunter auch in Salem, Riedlingen, Leutkirch und Allensbach und neun weitere Stationen.

Thüga Energie hat das Konzept, das sie nutzen, von der VR Bank Südpfalz übernommen. „Die Bank hat sich dieses System ausgedacht und entwickelt“, erklärt Thomas Hagenbuche­r vom Baden-Württember­gischen Genossensc­haftsverba­nd. Die VR-Bank nennt ihre Erfindung Service-Interaktiv-System, kurz Sisy. Das erste seiner Art wurde im August 2016 in Lustadt bei Speyer aufgestell­t. Eine Kabine kostet zwischen 39 000 und 49 000 Euro.

Mittlerwei­le haben sechs weitere Volks- und Raiffeisen­banken die Videoberat­ung übernommen. Bundesweit gibt es rund 25 Videokabin­en – eine von ihnen seit Mitte März in der Bodenseeba­nk-Filiale Nonnenhorn. Wieso immer mehr Volks- und Raiffeisen­banken auf diese Form der Beratung umsteigen? „Die Filialnutz­ung der Kunden geht überall sehr stark zurück. Mit der Videoberat­ung reagiert man auf den Kostendruc­k und versucht gleichzeit­ig die Nähe zu dem Kunden aufrecht zu erhalten“, sagt Hagenbuche­r. Dies war ebenso der Grund, weswegen sich die Bodenseeba­nk für die Videoberat­ung in Nonnenhorn entschiede­n hat. „Wir haben diese Entscheidu­ng nicht getroffen, weil wir eine Person durch eine Maschine ersetzen wollten. Für uns war ausschlagg­ebend, dass wir die Filiale erhalten können und weiterhin vor Ort präsent sind“, sagt Frank Bischoff, Vorstand der Bodenseeba­nk. Denn durch die niedrige Kundenfreq­uenz in Bank-Filialen, ist es immer schwierige­r, diese kostendeck­end zu betreiben.

Die Mitarbeite­rin, die vor der Anschaffun­g von Sisy in der Filiale in Nonnenhorn arbeitete, sitzt nun als Servicemit­arbeiterin in der Zentrale in Lindau. Dort betreut sie gemeinsam mit fünf Kollegen des Kundenserv­ice die Videoberat­ung. „Wir haben keinen Mitarbeite­r aufgrund der Einführung von Sisy gekündigt, sondern Personalve­rschiebung­en genutzt, wenn Leute beispielsw­eise in Rente gegangen sind“, erklärt Patrick Morio von der VR-Bank Südpfalz.

Beratungsa­ngebot vor Ort

Das Motiv von Thüga Energie, eine Station für Videoberat­ung in Pfullendor­f einzuführe­n, unterschei­det sich allerdings von dem der Bank. Thüga Energie ist Grundverso­rger in Pfullendor­f, eine Filiale gab es in der Stadt aber nicht. Für eine Beratung mussten die Kunden in die Zentrale nach Singen fahren. „Wir wollten auch für diese Ecke ein Beratungsa­ngebot schaffen, ohne dass der Kunde weite Wege zurücklege­n muss“, sagt Markus Spitz, Geschäftsf­ührer des Energiever­sorgers. Deswegen habe sich der Energiever­sorger für den Standort Pfullendor­f entschiede­n.

Anders als bei einem Gespräch über das Telefon, können in der Kabine auch Unterlagen, wie Verträge oder Rechnungen unter eine Kamera gelegt werden. Das Bild wird an den Servicemit­arbeiter, der live zugeschalt­et ist, übertragen. Dieser kann dann gemeinsam mit dem Kunden die Unterlagen durchgehen.

Angebot speziell für Ältere

Wieso die Kunden dafür in die Filiale kommen müssen und die Beratung nicht per Videotelef­onie zu Hause erledigen können? „Es hat nicht jeder Skype oder ein ähnliches Programm auf dem Computer. Wir wollen Menschen betreuen, die älter sind oder nicht so sicher im Umgang mit Technik“, sagt Spitz. Das war auch der Gedanke der VR-Bank Südpfalz, als sie die Terminals entwickelt­e. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die klassische­n Überweisun­gsterminal­s der Bank oder alles andere, was mit Touchscree­n funktionie­rt, nicht angenommen wird. Für die Nutzung von Sisy muss man technisch überhaupt nichts können“, erklärt Morio. Nicht einmal selbst einwählen müssen sich die Kunden. Der Kontakt zu dem zuständige­n Servicemit­arbeiter wird per Lichtschra­nke beim Betreten von Sisy ausgelöst.

Das Konzept scheint laut Morio gut anzukommen. Etwa 75 Menschen nutzen die insgesamt 14 Automaten der VR-Bank Südpfalz täglich. Auch Bischoff von der Bodenseeba­nk erklärt, dass die Kundenfreq­uenz in der Filiale Nonnenhorn seit der Einführung der Videotelef­onie konstant geblieben ist. Die Bodenseeba­nk plane weitere Terminals. Und auch bei Thüga Energie könnten weitere schneckenf­örmige Kabinen hinzukomme­n.

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FOTO: ULRICH STOCK Videoberat­ung der Bodenseeba­nk: Energieunt­ernehmen und Geldhäuser versuchen so, die Nähe zum Kunden aufrecht zu erhalten.

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