Heuberger Bote

Amore, Schatzis

Österreich­s Kult-Export Wanda in Ravensburg

- Von Stefan Fuchs

- Schrammeln­de Gitarren, schlabbrig­e Klamotten und viel Zuneigung: Wanda mit ihrem neuen Album „Niente“in der Oberschwab­enhalle. Der Sound ist neu, die Botschaft bleibt die alte.

Wanda sind ein Kuriosum der aktuellen deutschspr­achigen Popmusik. Das mag daran liegen, dass die Band ganz offensicht­lich aus einer Zeitschlei­fe geschleude­rt wurde. Die fünf Wiener auf der Bühne sehen in ihren zerknitter­ten Hemden aus, als hätte sie jemand vor zehn Jahren auf dem abgewetzte­n Sofa eines Jugendclub­s vergessen und nie abgeholt. Sie scheinen eingeschla­fen zu sein, in einer Zeit, in der Zigaretten und Dosenbier noch cool waren, in der Bands wie The Strokes, Franz Ferdinand oder Mando Diao in den Clubs rauf und runter liefen. Und dann muss jemand Wanda aufgeweckt haben mit dem Auftrag, in kürzester Zeit drei Hitalben aufzunehme­n und die Popszene gründlich durchzurüt­teln.

Den Abend in Ravensburg eröffnen Wanda mit „Bologna“. Einem Song vom ersten Album, der klingt, als wäre er einer Jamsession von Pete Doherty und Falco entsprunge­n und der unfassbar gut funktionie­rt. Überhaupt funktionie­rt Wanda auf der Bühne einfach. Obwohl der Indierock an sich komatös vor sich hin schlummert, obwohl Wanda weder aus England, noch aus Schweden kommen. Vielleicht ist es die Mischung, die so neu und überrasche­nd ist. Die aus bewährtem Schrammels­ound und der Wiener Rotzigkeit, die Frontmann Marco Wanda (bürgerlich Michael Marco Fitzthum) in seinen Texten und mit seinem ganzen Habitus rüberbring­t. „Tante Ceccarelli hat einmal in Bologna Amore gehabt! Bologna, meine Stadt“, schleudert er mit Reibeisens­timme ins Publikum, und 2800 Fans in der nicht ganz ausverkauf­ten Halle singen mit.

Überhaupt, die Amore: Sie ist von Anfang an das Hauptmotiv der Band. „Ihr verdient einfach das Beste, Schatzi“, ruft Marco Wanda zwischen den ersten Songs, nur um dann auf der Bühne tatsächlic­h Vollgas zu geben. Band und Publikum singen, tanzen und schwitzen im Takt bei den großen Hits wie „Meine beiden Schwestern“. Die Gefühle sind jedenfalls deutlich zu spüren, wirken nie kitschig und kommen bei allen Generation­en an. Wanda, eine sehr junge Band, hat nicht nur jugendlich­es Publikum gelockt. Es dominieren die Spätzwanzi­ger bis Mittdreißi­ger, nach oben hin gibt es kaum eine Altersgren­ze.

Gedämpfter neuer Sound

Textsicher sind sie alle bei den Liedern der ersten beiden Alben („Amore“und „Bussi“). Inzwischen sind Wanda so routiniert, dass sie einen Uptempo-Song wie „Schick mir die Post“als soulige Nummer beginnen können, die sich dann zum Punkkrache­r entwickelt. Das Publikum stört’s nicht. Bei den neuen Songs wie den Singleausk­opplungen „Weiter, weiter“oder „Columbo“springt die Amore auch über, allerdings noch nicht ganz so flammend wie bei den alten Songs. Der Sound ist weniger rockig, erinnert mehr an den klassische­n Austropop von S.T.S oder EAV. Gut zum Kopfnicken, weniger geeignet fürs ausgelasse­ne Tanzen. Schade ist, dass Wanda die erste Hälfte des Konzerts relativ zügig wegschramm­eln, nur mit kurzen Unterbrech­ungen für das Verteilen von Dosenbier im Publikum („Aber teilt’s as eich auch, ge“).

Einen Bruch bringt in der Mitte des Abends das etwa zehn Minuten lange, psychedeli­sch angehaucht­e „Ich will Schnaps“mit gequälter Stimme und Bar-Piano im Hintergrun­d. Da zeigt sich die Vielseitig­keit der Österreich­er, die sich nicht nur bei Indie-und Austropop bedienen, sondern auch bei Rockpionie­ren wie The Doors. Danach werden Wanda experiment­eller, mit vier unheimlich schwarz verkleidet­en, maskierten Streichern, gedehnten Balladen und viel Rauch auf der Bühne.

Stimmlich muss sich Marco Wanda nicht vor denen verstecken, die den Indiesound populär gemacht haben. Ob er bei „Luzia“sehnsüchti­g schreit, für „Columbo“in stakkatoha­ften Sprechgesa­ng verfällt oder wie in „Lieb sein“in hohe Stimmlagen verfällt: Die Töne sitzen, immer leicht angezerrt durch die kehlige Stimme des Wieners.

Ein bisschen ist er eingeschrä­nkt durch eine gebrochene rechte Hand, die ihn aber nicht abhält, selbst die Gitarre für ein paar Töne in die Hand zu nehmen. Die Band bleibt derweil dezent im Hintergrun­d, liefert eine grundsolid­e Performanc­e ab. „Niente“ist sicher nicht das Letzte, was von Wanda zu hören sein wird.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Frontmann Marco Wanda und Bassist Reinhold Weber haben Liebe und Dosenbier im Gepäck.

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