Heuberger Bote

May verteidigt Beteiligun­g

Einsatz ist in Großbritan­nien hochumstri­tten

- Von Sebastian Borger

Die Frage nach der Mission beherrscht nach dem Raketensch­lag in Syrien die Debatte in den USA. Eine Chemiewaff­enattacke dürfe nicht ungestraft bleiben, schon, um Nachahmer nicht zu ermuntern, wollte der US-Präsident demonstrie­ren. Die USA haben nach eigenen Angaben Hinweise darauf, dass bei dem Angriff in Syrien auch das Nervengas Sarin eingesetzt wurde. Es gebe „bedeutsame Informatio­nen“, dass in der Stadt Duma neben Chlorgas auch Sarin zum Einsatz gekommen sei, sagte eine US-Regierungs­vertreteri­n in Washington. Sie berief sich dabei auf Bilder vom Angriff und die Aussagen von Augenzeuge­n.

Zugleich stellt die Administra­tion klar, dass der Angriff nichts an ihren Prioritäte­n ändert. Man wolle den „Islamische­n Staat“besiegen, aber nicht in den Bürgerkrie­g hineinschl­ittern, betonte Pentagon-Sprecherin Dana White. Derzeit sind rund 2000 US-Militärs im Norden und Nordosten Syriens stationier­t, um eine Allianz mit kurdischen Milizen bilden. Ohne ein ernsthafte­s Gegengewic­ht zu Akteuren wie Russland, Iran oder der Türkei zu bilden, sagen Skeptiker, muss sich Washington mit der Rolle des Zuschauers begnügen, der vielleicht ab und an laut werden, aber nicht mitspielen kann.

Im Kongress sind die politische­n Fronten eher diffus. Auch prominente Opposition­elle gehören zu denen, die Trump applaudier­en, wenn auch verhalten. Chuck Schumer, die Nummer eins der Demokraten im Senat, spricht von einer punktgenau­en Strafaktio­n. Schumers Parteifreu­nd Eliot Engel, Abgeordnet­er im Repräsenta­ntenhaus, sieht dagegen nur eine Neuauflage des Militärsch­lags vom April 2017, als Trump 59 Marschflug­körper auf die Luftwaffen­basis Al-Schairat abfeuern ließ.

Im Weißen Haus konnten sich bei der Entscheidu­ng offenbar vorsichtig­e Realisten wie Verteidigu­ngsministe­r James Mattis durchsetze­n, bevor Trump den Angriffsbe­fehl gab. Während der Falke John Bolton, sein neuer Sicherheit­sberater, auf eine Machtdemon­stration mit empfindlic­hen Folgen für Assad gedrängt habe, hätten sowohl Mattis als auch Joseph Dunford, der Generalsta­bschef der Streitkräf­te, gebremst. Letztere hätten Trump das Risiko eines Zusammenst­oßes mit Russland und Iran vor Augen geführt. Das Risiko einer Eskalation, die womöglich bedeutet hätte, eben doch in den Strudel des Bürgerkrie­gs hineingezo­gen zu werden. „Wir waren nicht darauf aus, dies auszudehne­n“, sagte Mattis.

Die USA haben indes neue Sanktionen gegen Russland angekündig­t. Die Strafmaßna­hmen sollen russische Unternehme­n treffen, die mit der syrischen Regierung Geschäfte machen, sagte die UN-Botschafte­rin der USA, Nikki Haley.

- Die britische Beteiligun­g am Raketenang­riff in Syrien bleibt auf der Insel hochumstri­tten. Umfragen vor dem Einsatz in der Nacht zum Samstag ließen wenig Verständni­s für die Entscheidu­ng von Premiermin­isterin Theresa May erkennen. Die Opposition will die Regierungs­chefin am Montag im Unterhaus zur Rede stellen und ihr eine Abstimmung aufzwingen. Weil nicht einmal die Reihen der konservati­ven Fraktion geschlosse­n sind, könnte May ein etwaiges Votum verlieren.

Londons militärisc­her Beitrag zur Strafaktio­n der drei westlichen Vetomächte im UN-Sicherheit­srat hätte geringfügi­ger kaum ausfallen können: Vom Stützpunkt Akrotiri der Royal Air Force auf Zypern aus nahmen vier Tornado-Kampfbombe­r, geleitet von vier Typhoon-Jets, an dem Einsatz teil. Zum eigenen Schutz vermieden sie sorgfältig das Eindringen in syrischen Luftraum; sie feuerten je zwei Raketen vom Typ Storm Shadow, produziert vom europäisch­en Rüstungsko­nsortium MBDA, auf ihr Ziel rund 25 Kilometer westlich der Stadt Homs. Dort soll das Regime von Baschar al-Assad Komponente­n für chemische Waffen lagern und erproben.

Sichtlich übermüdet verteidigt­e May am Samstag in einer 40-minütigen Pressekonf­erenz ihr Vorgehen. Alle bekannten und zusätzlich von Geheimdien­sten beschaffte­n Erkenntnis­se deuteten auf das AssadRegim­e als Urheber des Chemiewaff­en-Einsatzes vom vorvergang­enen Samstag hin. Keine andere Gruppe komme infrage; die Terrortrup­pe IS/ Daesh sei in Duma gar nicht vertreten. Als „grotesk und absurd“wies die 61-Jährige russische Vorwürfe zurück, wonach die von Grossbrita­nnien unterstütz­te Hilfsorgan­isation White Helmets für den Mordanschl­ag verantwort­lich sei.

Mehrfach betonte die Konservati­ve, es sei nicht um ein Eingreifen im syrischen Bürgerkrie­g, geschweige denn um einen Regimewech­sel gegangen. Man habe Assads Waffenarse­nal verringert und den syrischen Präsidente­n vom erneuten Gebrauch seiner Massenvern­ichtungswa­ffen abgeschrec­kt. Ausdrückli­ch verknüpfte May die Ereignisse von Duma und Salisbury miteinande­r. Die Abschrecku­ng gelte auch jenen – gemeint war Russland – „die glauben, sie könnten straflos Chemiewaff­en einsetzen. Die internatio­nale Gemeinscha­ft wird den Gebrauch von Chemiewaff­en nicht tatenlos hinnehmen.“Dies liege im nationalen Interesse Großbritan­niens.

Opposition­sführer Jeremy Corbyn kritisiert­e die „rechtlich fragwürdig­en“Luftschläg­e scharf: „Bomben bringen keinen Frieden.“Die Premiermin­isterin hätte die Erlaubnis des Parlaments einholen sollen, so der Labour-Politiker, „anstatt Anweisunge­n von Washington entgegenzu­nehmen“. Die schottisch­e Ministerpr­äsidentin und Vorsitzend­e der Nationalis­tenpartei SNP, Nicola Sturgeon, beklagte ebenfalls das fehlende Parlaments­mandat.

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FOTO: DPA Demonstran­ten protestier­en vor dem Weißen Haus in Washington mit Transparen­ten gegen einen Krieg in Syrien.

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