Heuberger Bote

Die Milliarden­frage

Autobauer, Zulieferer und Politik ringen um den Aufbau einer Batterieze­llenfertig­ung

- Von Thomas Strünkelnb­erg und Andreas Hoenig

(dpa) - Motor und Getriebe. Darin vor allem ist die deutsche Autoindust­rie bislang stark. Ihre Gewinne macht sie hauptsächl­ich mit schweren SUVs, und die werden meistens von einem Diesel angetriebe­n. Zwar investiere­n Volkswagen, BMW und Daimler Milliarden in die E-Mobilität. Doch Elektroaut­os brauchen Batterien, und das Herzstück der Batterien sind Batterieze­llen. Dieser Markt aber wird von asiatische­n Konzernen dominiert.

Die deutsche und europäisch­e Autoindust­rie droht in Abhgängigk­eit zu geraten. Die asiatische­n Batteriehe­rsteller könnten zum Beispiel die Preise diktieren. Vor allem, wenn die E-Mobilität, wie von vielen Experten prognostiz­iert, bald den Massenmark­t erobert und somit die Nachfrage ansteigt.

Im gleichen Maße, in dem die Elektrifiz­ierung sich verbreite, werde es zum Problem, wenn ein Wertschöpf­ungselemen­t fehle, sagt der Autoexpert­e Stefan Bratzel. Stattdesse­n mache sich die Branche abhängig: „Da geht man schon ein Risiko ein. Das einfach so den Asiaten zu überlassen, halte ich für hochkritis­ch.“

Batterieze­llen sind entscheide­nd bei der Fertigung der Batterien für E-Autos. Asiatische Unternehme­n beherrsche­n den Markt – allen voran der japanische Elektronik­riese Panasonic, der etwa Tesla beliefert. Dazu kommen noch die südkoreani­schen Konzerne LG, bei dem zum Beispiel Daimler seine Zellen kauft, sowie Samsung. Ein weiterer größerer Anbieter ist etwa der chinesisch­e CATL-Konzern.

„Verschiebu­ng der Machtbalan­cen“

Wegen der Dominanz asiatische­r Batterieko­nzerne befürchtet Branchenex­perte Wolfgang Bernhart von der Unternehme­nsberatung Roland Berger eine „Verschiebu­ng der Machtbalan­cen“zulasten der deutschen Hersteller. Zwar hingen die Automobilh­ersteller auch bei anderen Komponente­n von Zulieferer­n ab. „Aber der große Unterschie­d ist: Bei der Batterieze­lle besteht die Gefahr, dass ein großer Teil der künftigen Wertschöpf­ung nicht bei den Autoherste­llern liegt. Das könnte die Gewinne drücken. Und das könnte Folgen für die Beschäftig­ung haben“, so Bernhart.

Das Problem ist: Eine Fertigung von Batterieze­llen in Deutschlan­d ist teuer. Das liegt vor allem an den vergleichs­weise hohen Strom- sowie Personalko­sten. Dennoch rückt eine eigene Batterieze­llenfertig­ung zunehmend in den Blickpunkt – auch der Politik. Denn es geht am Ende um Jobs.

Die Zellenfert­igung selbst sei nicht sehr beschäftig­ungsintens­iv, sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. „Sollte die deutsche Autoindust­rie jedoch strategisc­hes Know-how verlieren, wird sie ihre führende Rolle nicht halten können. Das wird dann auch Folgen für Standorte und Beschäftig­ung haben.“Es sei „höchste Zeit“für eine europäisch­e Lösung. Schon heute könnten Unternehme­n aus Fernost Preise und Liefermeng­en bestimmen. „Wenn die Elektromob­ilität an Fahrt gewinnt, muss mit Versorgung­sengpässen gerechnet werden.“

Auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) spricht sich für den Aufbau einer Batterieze­llenproduk­tion in Europa aus. Dafür aber müsse ein zwei- bis dreistelli­ger Milliarden­betrag investiert werden. „Und da ist die Bundesregi­erung dabei, im Rahmen der beihilfere­chtlich zulässigen Grenzen das zu tun, was sie tun kann und dafür auch Geld in die Hand zu nehmen.“

Eine Batterieze­llenfertig­ung sei sehr energieint­ensiv, betont Altmaier. Es gehe um die Frage, ob der Strom, der dafür gebraucht werde, von der Ökostromum­lage befreit werden könne. „Dies würde es wesentlich leichter machen, eine solche Ansiedlung nach Europa zu holen.“Das müsse nun mit der EU-Kommission besprochen werden, die dies genehmigen müsse.

Es gibt bereits Ansätze. So plant das Unternehme­n TerraE eine Großserien­fertigung von Lithium-IonenZelle­n in Deutschlan­d – bis zum Jahr 2028. In einem Konsortium zur Erforschun­g und Entwicklun­g von Prozessen für eine Zellfertig­ung ist unter anderem Siemens mit an Bord.

In der Autoindust­rie gehen bei der Frage, ob eine eigene Zellfertig­ung notwendig ist, die Meinungen auseinande­r. VW etwa will bis Ende 2022 batterie-elektrisch angetriebe­ne Fahrzeuge an weltweit 16 Standorten bauen lassen. Eine eigene Herstellun­g von Batterieze­llen sieht die Konzernspi­tze aber derzeit nicht vor: „Das ist nicht unsere Kernkompet­enz, das können andere besser“, heißt es aus der Chefetage in Wolfsburg. Dagegen betont VW-Konzernbet­riebsratsc­hef Bernd Osterloh: „Entgegen der Haltung des Vorstands von Volkswagen unterstütz­en wir als Betriebsra­t keine Strategie, die darauf ausgericht­et ist, Zellen langfristi­g ausschließ­lich bei Zulieferer­n zu kaufen.“Im Volkswagen­Werk Salzgitter wird bis 2019 eine Pilotferti­gung von Batterieze­llen aufgebaut, um Erfahrunge­n zu sammeln.

Automobilz­ulieferer uneins

Nach einer Studie der Unternehme­nsberatung EY wird die Produktion von Batterieze­llen aber nicht in großem Stil in Deutschlan­d stattfinde­n. EY-Autoexpert­e Peter Fuß sagte jedoch, es verdichtet­en sich die Anzeichen, dass hierzuland­e ein bedeutende­r Teil der anschließe­nden Fertigungs­schritte aufgebaut werde.

Immerhin: Der Autozulief­erer Continenta­l hält sich die Option offen, in die Produktion sogenannte­r Festkörper-Batterieze­llen einzusteig­en. Diese halten Experten mittelfris­tig für entscheide­nd für die Massenprod­uktion von E-Autos.

Bosch dagegen wird auch künftig keine Batterieze­llen produziere­n. Gerade erst gab der Konzern bekannt, auf den Aufbau einer eigenen Zellfertig­ung zu verzichten und auch aus der Forschung weitgehend auszusteig­en. An möglichen künftigen Konsortien will Bosch sich ebenfalls nicht beteiligen. Ziel müsse sein, Batterieze­llen technisch zu verstehen – und nicht, sie zwingend selbst herzustell­en.

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FOTO: DPA Batteriemo­ntage bei der Daimler-Tochter Accumotive im sächsische­n Kamenz: Der Markt für Batterieze­llen wird von asiatische­n Konzernen dominiert. Es drohen Abhängigke­iten.

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