Heuberger Bote

25 Jahre Landsmanns­chaft

Jubiläumsf­eier am 5. Mai – Banater Schwaben erinnern sich an ihre Flucht-Geschichte

- Von Regina Braungart

Spaichinge­r Banater Schwaben erzählen ihre Flucht-Geschichte­n.

- Die Banater Schwaben in der Region Tuttlingen-Rottweil-Schwarzwal­d-Baar feiern am Samstag, 5. Mai, in der Spaichinge­r Stadthalle mit Festakt und Tanzverans­taltung ihr 25-jähriges Bestehen. 300 Mitglieder zählt der Verein, viele Banater Landsleute besuchen die Veranstalt­ungen gerne, ohne Mitglied in der Landsmanns­chaft zu sein. In der Region leben mehr als tausend gebürtige Banater. Ein Blick zurück auf die persönlich­e Geschichte einiger von ihnen.

Es ist ein ironischer Schlenker der Geschichte: In der alten Heimat in Temeswar wird im Lenaugymna­sium Deutsch unterricht­et, rumänische Schüler halten die Tradition der Trachten der deutschen Minderheit in Rumänien aufrecht – eine Wertschätz­ung, die vor 30, 40, 50 Jahren vielleicht dazu geführt hätte, dass man heute noch zusammen lebte. Denn gerade die rumänische­n Donauschwa­ben, die dort noch geboren waren, hängen sehr an ihrer Heimat. Das entscheide­nde Moment, zu flüchten oder nach dem Mauerfall auszureise­n, war die fehlende Freiheit. Das erzählen Richard Wagner, Brigitte Polling, Johannes (Hansi) Domkos, Anni Rothas und Franz Rothas.

Jeder hat eine etwas andere Migrations­geschichte. Anni und Franz Rothas zum Beispiel. Man wurde in den Zeiten des kalten Krieges misstrauis­ch beäugt. So konnte Anni Rothas – Mutter eines einjährige­n Kindes – erst an einem gemeinsame­n Ausflug nach Ungarn mit ihren Arbeitskol­legen aus der Seidenwebe­rei in Temeswar teilnehmen, als der Chef für sie bürgte. Es gab ein ausgeklüge­ltes Spitzelsys­tem des berüchtigt­en Geheimdien­stes Securitate. Deutsche Schüler bespitzelt­en ihre Klassenkam­eraden, Nachbarn die anderen, einfache Dorfbewohn­er einander. Alles heute nachzulese­n in den Akten in Bukarest. Der Grund, so etwas zu tun: sich Vorteile verschaffe­n, Geld bekommen.

Ob man den Rumänen verzeihen kann? „Zu verzeihen gibt es da gar nichts, das waren die Gegebenhei­ten. Die Rumänen waren ja selber bestraft“, sagt Franz Rothas. Aber ohne diese lange Geschichte der Unfreiheit „wären wir heute noch dort“, ist er überzeugt. Doch weh tun Bemerkunge­n beim Anstehen nach knappen Lebensmitt­eln, wie „geh doch zum Hitler, iss deutsches Brot“immer noch.

Er und seine Frau sind nach der Wende ausgereist, mussten alles in zwei große Kisten packen, wussten nicht, wo sie landen würden. Über mehrere Stationen sind sie schließlic­h in Titisee gelandet, weil es dort eine Ferienwohn­ung zu mieten gab. Sofort suchten und fanden sie Arbeit. Sie als Zimmerfrau, er als Haustechni­ker im selben Hotel. Sie kannten ja die Sprache und weitgehend auch die deutschen Gepflogenh­eiten. Ihre Mutter kam 1992 nach Trossingen. Anni Rothas litt bitteres Heimweh. Schaute die Sterne an, die wenigstens die gleichen waren wie zuhause im Banat. 1998 schließlic­h fanden sie ein Zuhause in Spaichinge­n und auch in der Landsmanns­chaft, die die rumänische Heimat nach Deutschlan­d rettete. Arbeit gab es in Gosheim und Spaichinge­n.

Auf dem Bauch über die Grenze gerobbt

Noch vor dem Mauerfall geflüchtet sind Richard Wagner und Hansi Domkos. Beide auf ähnliche Weise. Domkos machte sich mit seinem Bruder auf, beobachtet­e wochenlang die jugoslawis­che Grenze, den Wachwechse­l, ehe sie sich schließlic­h eineinhalb Stunden auf dem Bauch robbend über die Grenze schlichen. Man musste vorsichtig sein, es gab eine extra eingericht­ete falsche Grenze vor der echten. Viele liefen dort in die Falle.

Doch bei Hansi Domkos und seinem Bruder klappte es. Entlang der Straße, in den Maisfelder­n, ging es bis Belgrad. Es folgten Gefängnis, Uno-Pass, Ausreise, verschiede­ne süddeutsch­e Städte, Arbeit. Mehr Schule war nicht möglich, obwohl er gerne weiter gelernt hätte.

Bei beiden Gesprächsp­artnern spielte die rumänische Armee eine Rolle. Man wurde weit weg geschickt an eine Grenze und hätte den Schießbefe­hl gehabt. So wie ihn jene hatten, die sie bei ihrer Flucht zuvor gut beobachtet hatten. Und so ist Richard Wagner, damals wie sein Vater und Großvater bereits als Schreiner tätig, mit 22 Jahren allein geflohen und hat seine Frau und seinen Sohn nach einem halben Jahr nachholen können. Hans Domkos war noch unverheira­tet bei seiner Flucht. Der Rest der Familie reiste 1992 aus, verkaufte das Haus: 5000 Mark mussten reichen für einen Neuanfang.

Geheiratet und über einen Ausreisean­trag ausgereist ist Brigitte Polling. Auch sie mussten das gut bezahlen. Die Schwiegerl­eute hatten einen Hof mit fruchtbare­m Boden. Sie mussten Haus und Hof von einem Architekte­n erfassen lassen und alles als Kompensati­onsleistun­g dem Staat übergeben. Das war der Preis für den Wunsch, nach Deutschlan­d zu kommen.

Und hier? Man half einander. Zum Beispiel beim Hausbau. Hier ist jetzt die Heimat, sagen sie. Und weil die alte Heimat doch ein Sehnsuchts­ort bleibt, ist die Landsmanns­chaft so wichtig.

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FOTO: REGINA BRAUNGART
 ?? FOTO: REGINA BRAUNGART ?? Das Jubiläumsf­est der Banater Schwaben zum 25-jährigen Bestehen der Landsmanns­chaft steigt am 5. Mai in der Spaichinge­r Stadthalle. Einige Mitglieder, unter ihnen der Vorsitzend­e des Kreisverba­nds, der Spaichinge­r Richard Wagner (links), erinnern sich...
FOTO: REGINA BRAUNGART Das Jubiläumsf­est der Banater Schwaben zum 25-jährigen Bestehen der Landsmanns­chaft steigt am 5. Mai in der Spaichinge­r Stadthalle. Einige Mitglieder, unter ihnen der Vorsitzend­e des Kreisverba­nds, der Spaichinge­r Richard Wagner (links), erinnern sich...

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