Heuberger Bote

Grün-Schwarz in Bedrängnis

Spekulatio­nen um Bruch der Koalition in Stuttgart

- Von Katja Korf

(tja) - Die Opposition­sfraktione­n SPD und FDP wittern ihre Chance in der aktuellen Krise der grün-schwarzen Landesregi­erung. Der liberale Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke sagte am Freitag: „Sollte die grün-schwarze Koalition zerbrechen, so stünde die FDP bereit, über eine Regierungs­beteiligun­g zu verhandeln.“Sein SPDAmtskol­lege Andreas Stoch äußerte sich ähnlich: „Es wäre besser, wenn diese Regierung möglichst schnell durch eine funktionie­rende Regierung abgelöst wird.“Ob es zu Neuwahlen oder einem Dreierbünd­nis komme, hänge davon ab, was das Beste für das Land sei.

Eine Mehrheit abseits der derzeitige­n Regierung hätten nur Dreierbünd­nisse, weil die AfD als Koalitions­partner für die übrigen Parteien ausscheide­t. Vertreter von Grünen und CDU betonten jedoch am Freitag, man halte trotz der Krise an Grün-Schwarz fest.

- Frühling und Familienfe­iern: Der Mai könnte so schön werden in der Landeshaup­tstadt Stuttgart. Doch kurz vor dem 70. Geburtstag des Landesvate­rs Winfried Kretschman­n (Grüne) und dem zweiten Jahrestag der grün-schwarzen Regierung herrscht Katerstimm­ung in der Koalition. Das nutzen Opposition und CDU-interne Gegner des Bündnisses, um laut über Alternativ­en nachzudenk­en. Eine ernsthafte Option ist eine Koalition aus CDU, SPD und FDP aber aktuell wohl nicht.

Diese „Deutschlan­d-Koalition“hätte derzeit im Landtag eine hauchdünne Mehrheit von zwei Stimmen. Ansonsten wäre abseits der aktuellen Regierung nur noch ein Dreierbünd­nis aus Grünen, SPD und FDP möglich, weil mit der AfD niemand koalieren will.

Seit Langem ist es ein offenes Geheimnis, dass sich die Fraktionsc­hefs Wolfgang Reinhart (CDU), Andreas Stoch (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP) gut verstehen und regelmäßig gemeinsam essen. Doch öffentlich­e Flirts mit der CDU sind bislang ausgeblieb­en.

Laune des Terminkale­nders

Nun aber ist die Stimmung zwischen Grünen und CDU auf ihrem bisherigen Tiefpunkt angelangt. Zunächst war da die kompromiss­lose Haltung der CDU-Fraktion beim Landtagswa­hlrecht, die sich gegen ihren eigenen Parteichef und stellvertr­etenden Regierungs­chef Thomas Strobl (CDU) stellte. Am Dienstag beerdigte man eine Reform endgültig, sehr zum Unmut vieler Grüner. Nur einen Tag später stand die Wahl einer neuen Landtagsvi­zepräsiden­tin für die CDU an. Eine reine Laune des Terminkale­nders, die jedoch ihren Anteil am derzeitige­n Streit hat.

Die Kandidatin Sabine Kurtz hatte sich mit ihrer scharfen Kritik am Bildungspl­an der damaligen grünroten Regierung keine Freunde gemacht. Sie stellte sich zwar der Grünen-Fraktion vor, dort aber vermissten viele eine klare Distanzier­ung zu homophoben Kreisen. Damit nahm ein unglücklic­her Tag weiter seinen Lauf. Kurtz brauchte bekanntlic­h zwei Wahlgänge und erreichte im zweiten gegen den AfD-Kandidaten Heiner Merz nur 71 Stimmen, dabei haben Grüne und CDU zusammen 86 Abgeordnet­e.

Die CDU wertet das als Affront, die Grünen als Gewissense­ntscheidun­g einiger Parlamenta­rier. Wichtig in der aktuellen Debatte ist aber das Wörtchen „einiger“. Denn obwohl dank geheimer Wahlen niemand sicher weiß, wessen Stimmen an Kurtz gingen: Aus Grünen-Kreisen wird kolportier­t, „höchstens sechs Parlamenta­rier“hätten gegen Kurtz gestimmt. Das hieße, dass einige CDUler gegen die eigene Kandidatin gestimmt hätten. Davon gehen sogar viele CDU-Abgeordnet­e aus. Einerseits, weil Kurtz nicht sehr beliebt ist, anderersei­ts, um den Konflikt mit den Grünen zu schüren. Die Rechnung „Je weniger Stimmen für die CDU-Kandidatin, desto größer der Streit“wäre damit aufgegange­n.

Denn zum ersten Mal hatte das grün-schwarze Regierungs­bündnis keine eigene Mehrheit. Anlass genug für FDP-Chef Hans-Ulrich Rülke, öffentlich seine Bereitscha­ft zu verkünden, über eine Regierungs­beteiligun­g zu verhandeln. Er habe den Eindruck, eine Mehrheit der CDUAbgeord­neten sei für eine Regierung mit SPD und FDP. Auch der SPDFraktio­nsvorsitze­nde Andreas Stoch wollte eine solche Konstellat­ion nicht ausschließ­en: „Wenn diese Regierung platzt, gibt es grundsätzl­ich zwei Möglichkei­ten: entweder Neuwahlen oder ein Dreierbünd­nis. Die SPD wird dann zu entscheide­n haben, welche Lösung die beste für Baden-Württember­g ist“, sagte er. Seine Landeschef­in Leni Breymaier ließ am Freitag direkt verlauten, was sie davon hält: „Die ,Deutschlan­d-Koalition‘ ist eine Schnapside­e.“

Offizielle Treuebekun­dungen

Öffentlich steht die CDU-Fraktion weiter an der Seite der Grünen. „Wir stehen zu dieser Koalition. Die aktuell schwierige Situation muss überwunden werden. Wir müssen uns um die Probleme kümmern, die den Menschen unter den Nägeln brennen“, sagte etwa Fraktionsv­ize Winfried Mack am Freitag der „Schwäbisch­en Zeitung“. Allerdings schließen immer mehr CDU-Parlamenta­rier das Platzen der Koalition mit den Grünen nicht mehr aus. CDU-Regierungs­mitglieder sprechen von „Führungskr­ise“in der eigenen Partei, andere Parlamenta­rier der Union haben bereits Pläne für den Fall, dass sich eine Mehrheit für den Putsch gegen Kretschman­n findet. „Dann gehen mehrere von uns an die Öffentlich­keit und sagen, dass sie keinesfall­s für ein neues Bündnis zur Verfügung stehen“, sagt einer. Damit wäre klar: Ein neuer CDU-Ministerpr­äsident könnte allenfalls mit Stimmen der AfD gewählt werden.

Als möglicher Kandidat für ein solches Manöver gilt der jetzige Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart. Unklar ist, wie viel Unterstütz­ung er hätte. Viele der jungen Abgeordnet­en würden ihm wohl nicht folgen, der Strobl-Vertraute Manuel Hagel gehört mit Sicherheit zu ihnen. Auch von mehreren CDU-Ministern weiß man, dass sie diesen Weg nicht mittragen. Damit fehlt einer „Deutschlan­d-Koalition“aktuell eine Mehrheit. Dennoch: Von Frühlingsg­efühlen ist Grün-Schwarz im Mai 2018 weit entfernt.

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