Altpräsident
Seit 28 Jahren lässt sich Rumäniens Altpräsident Ion Iliescu als Bezwinger des stalinistischen Diktators Nicolae Ceausescu feiern. Doch seine Rolle als heimlicher Regisseur des blutigen Umsturzes Ende 1989 blieb bis heute im Dunkeln.
Nun könnte den 88-Jährigen die Vergangenheit doch noch einholen: Er soll sich zusammen mit Wendepremier Petre Roman und dessen Vize Gelu Voican Voiculescu für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Der amtierende Staatschef Klaus Iohannis gab jetzt einer Anklage statt. Es ist bereits der vierte Versuch, Iliescu vor Gericht zu bringen.
Der Generalankläger will beweisen, dass die provisorische Führung für die blutigen Unruhen nach der umstrittenen Hinrichtung des Diktatorenehepaars Ceausescu verantwortlich war. Bei wilden Schießereien zwischen versprengten Schergen des berüchtigten Geheimdienstes Securitate, führungslosen Soldaten und bewaffneten Kriminellen waren über 1100 Menschen getötet worden. Laut Anklage soll Iliescu, der zuvor bei Ceausescu in Ungnade gefallen war, diese Unruhen gesteuert haben, um sich danach als Retter der Nation aufzuspielen. Der Volksmund wirft ihm vor, die Revolution „gestohlen“zu haben, um das alte System mit neuen Köpfen an der Macht zu halten. Er gewann die erste Präsidentenwahl nach der Wende souverän.
Strukturen und korruptes Netzwerk der Kommunistischen Partei blieben erhalten, nur der Name wurde auf Sozialdemokratische Partei (PSD) geändert. Sie ist bis heute die mächtigste politische Kraft. Eine ernsthafte Opposition spürt die PSD erst seit der Wahl des deutschstämmigen Präsidenten Klaus Iohannis 2014, der insgeheim als Leitfigur eines immer breiteren, bürgerlichen Mittelstandes gilt. Der neue starke Mann, PSD-Chef Liviu Dragnea, versucht mit kaum verhüllter Absicht, die Justiz zu unterwerfen. Mittlerweile lähmt und spaltet ein Machtkampf zwischen Präsident und Linksregierung das Land.
In diesem labilen und angespannten politischen Klima scheint ein ordnungsgemäßer Ablauf des Verfahrens kaum denkbar.