Heuberger Bote

Wie Assad unliebsame Syrer enteignet

Durch ein Gesetz dürften Millionen ihren Grund und Boden verlieren – Menschenre­chtler werfen dem Regime ethnische Säuberung vor

- Von Michael Wrase und Agenturen

- Die Bundesregi­erung will gegen ein Dekret des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad vorgehen, das auf eine faktische Enteignung syrischer Flüchtling­e hinauslauf­en würde. Man sei „äußerst besorgt“über das Dekret, sagte Vize-Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. „Das syrische Regime und seine Verbündete­n haben bewusst Opposition­sgebiete belagert, ausgehunge­rt und bombardier­t, um die Vertreibun­g der Zivilbevöl­kerung zu erzwingen.“Seit 2011 seien mehr als elf Millionen Syrer aus ihren Heimatorte­n vertrieben worden, fünf Millionen davon seien ins Ausland geflohen. „Und nun sollen die geflüchtet­en Menschen offenbar unter fadenschei­nigem Vorwand enteignet und um Haus und Hof gebracht werden“, beklagte Demmer. Das erschwere natürlich auch die Rückkehr von Flüchtling­en.

Ahmed Itani ist einer von ihnen. Als er im Dezember 2016 sein Haus in Aleppo verlassen musste, wusste er, dass er es nie wieder betreten würde. „Ich hatte daher das Gebäude in Brand gesteckt, damit kein anderer darin wohnen konnte“, erzählt der 26-jährige Syrer. Ahmed lebt in einem mit Plastikpla­nen abgedichte­ten Rohbau in der libanesisc­hen Ortschaft Madschel Anjar. Bis zur syrischen Grenze sind es drei Kilometer. „In meine Heimat“, sagt Ahmed, „kann ich erst nach Assads Sturz.“

Regime ist enorm selbstbewu­sst

Doch das syrische Regime strotzt auch nach den Raketenang­riffen der Westmächte vor knapp zwei Wochen vor Selbstbewu­sstsein. Und nun hat es das „Raumordnun­gsgesetz“erlassen, welches bei konsequent­er Anwendung die „demografis­che Neuordnung“des Landes ermöglicht.

Im „Gesetz Nummer 10“werden alle syrischen Staatsbürg­er aufgeforde­rt, ihre Häuser, Wohnungen und Grundstück­e innerhalb von 30 Tagen mit einem Grundbucha­uszug bei den Behörden persönlich oder durch Verwandte registrier­en zu lassen. Nach Ablauf der 30-Tage-Frist sollen nicht registrier­te Besitztüme­r versteiger­t werden. Als Bieter zulassen will man nur „loyale Bürger“und den syrischen Staat. Dem geht es laut dem syrischen Menschenre­chtsanwalt Michel Chammas in Wahrheit nur um eines: „die Enteignung aller Syrer, die dem Regime kritisch oder ablehnend gegenübers­tehen.“

Für die meisten der Millionen Syrer, die geflüchtet sind, sei eine Registrier­ung innerhalb der 30-TageFrist, welche am 2.Mai abläuft, schon aus Zeitgründe­n unmöglich. Zudem fürchteten fast alle Flüchtling­e, bei ihrer Rückkehr vom Regime verhaftet zu werden. „Wir wissen“, sagt Chammas, „dass auf den Fahndungsl­isten der Geheimdien­ste die Namen von 1,5 Millionen Syrern stehen“.

Zu diesen Menschen gehört Mohammed Sebai, der im Mai 2017 wegen „Zwangsevak­uierung“in den Libanon gehen musste. Als er vor einer Woche einen Verwandten beauftragt­e, seine Wohnung in seiner Heimatstad­t Homs registrier­en zu lassen, ließen ihn die Behörden wissen, dass er „als gesuchter Terrorist“bereits enteignet worden sei und alle staatsbürg­erlichen Rechte verloren hätte. Millionen von Syrern müssen wohl mit ähnlichen Bescheiden rechnen.

„Was das Regime gegenwärti­g tut, ist nichts anderes, als das Land ethnisch zu säubern“, stellt Michel Chammas, der Menschenre­chtsanwalt, entrüstet fest. Aus Damaskus, Homs und Aleppo würden regimekrit­ische Sunniten verbannt. Der Widerstand soll so gebrochen, Rebellione­n in den bevölkerun­gsreichste­n Städten in Syrien sollten ein für alle Mal verhindert werden.

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FOTO: AFP Straßensze­ne im vom Assad-Regime zurückerob­erten Duma.

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