Heuberger Bote

Mord an Studenten schockiert Mexiko

Drei junge Männer getötet und in Säure aufgelöst – Proteste gegen Gräueltate­n

- Von Klaus Ehring feld

- Es ist eine Mischung aus Wut und Angst, die in dieser Woche Zehntausen­de vor allem junge Mexikaner auf die Straße getrieben hat. Am Donnerstag demonstrie­rten alleine in der Metropole Guadalajar­a 12 000 Menschen gegen eine Tat, die selbst dem an grauenhaft­e Verbrechen gewöhnten Land den Atem stocken lässt. „Es sind nicht nur drei, es sind wir alle“, skandierte­n die Demonstran­ten bei dem Protest.

Drei seit Mitte März vermisste Filmstuden­ten im Alter von 20 bis 25 Jahren wurden nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft von einem der blutrünsti­gsten Kartelle Mexikos entführt, gefoltert, ermordet und dann in Schwefelsä­ure aufgelöst, um sämtliche Spuren zu verwischen. Motiv für die Gräueltat war nach Aussagen von zwei festgenomm­enen Tatbeteili­gten eine Verwechslu­ng. Die jungen Männer, die an der Filmhochsc­hule von Guadalajar­a studierten, seien „zur falschen Zeit am falschen Ort“gewesen, sagte die leitende Staatsanwä­ltin Lizette Torres.

Das Verbrechen, das mexikanisc­he Medien und die Öffentlich­keit seit Wochenbegi­nn beschäftig­t, fällt zusammen mit einem wichtigen Datum. Am Donnerstag war es 43 Monate her, dass die 43 Studenten von Ayotzinapa von Mitglieder­n des Organisier­ten Verbrechen­s in Zusammenar­beit mit Vertretern der Sicherheit­skräfte verschlepp­t wurden. Die jungen Männer sind bis heute verscholle­n. Am Mittwoch demonstrie­rten die Angehörige­n der Opfer in Mexiko-Stadt und forderten die Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto auf, weiter nach der Wahrheit zu suchen und den Fall nicht abzuschlie­ßen. Die Angehörige­n werfen der Regierung vor, den Fall „nur zu verwalten“und nicht wirklich an einer Aufklärung interessie­rt zu sein.

Das Verschwind­enlassen von Menschen ist in Mexiko eine Praxis vor allem des Organisier­ten Verbrechen­s, aber auch der staatliche­n Sicherheit­skräfte. Offizielle­n Schätzunge­n zufolge gelten 35 000 Menschen als vermisst. Das sind mehr als in den südamerika­nischen Diktaturen der 1970er-Jahre.

Vor diesem Hintergrun­d hat die Nachricht vom Tod der drei Filmstuden­ten in der Nähe der mexikanisc­hen Metropole Guadalajar­a Bestürzung und Wut ausgelöst. Die drei jungen Männer hatten sich für zwei Tage zu Dreharbeit­en für ein Uniprojekt auf ein Anwesen in der Ortschaft Tonalá nahe Guadalajar­a zurückgezo­gen. Dieses Anwesen war jedoch vom Kartell „Jalisco Nueva Generación“zuvor als Lager für Waffen und Drogen genutzt worden.

Mehr als 100 000 Menschen getötet

Schergen des Kartells beobachtet­en die drei jungen Männer über Tage, hielten sie angeblich für Mitglieder der rivalisier­enden Bande „Nueva Plaza“und entführten sie am 19. März auf einer unbefahren­en Landstraße. Anschließe­nd brachten sie ihre Opfer auf eine andere Ranch, folterten, töteten und lösten sie in Schwefelsä­ure auf, wie die Staatsanwa­ltschaft mitteilte. Das erledigte angeblich ein junger Mann für das Kartell, der als Rapper bei Youtube auf mehr als 125 000 Abonnenten kommt. Das Verbrecher­syndikat habe Christian Palma Gutiérrez, bekannt als „QBA“, pro Woche 3000 Pesos (130 Euro) gezahlt, damit er Leichen in Säure auflöst, sagte der Verdächtig­e bei seiner Vernehmung.

Die drei Studenten verlängern nun die Liste der insgesamt 104 000 Menschen, die in der sechsjähri­gen Amtszeit von Präsident Peña Nieto getötet wurden. Dabei waren die drei ersten Monate des Jahres die blutigsten der vergangene­n fast zwölf Jahre, in denen der mexikanisc­he Staat Krieg gegen die Drogenkart­elle führt. 2549 Tote im Januar, 2389 im Februar und 2346 im März sind die traurigen Zahlen. Dies entspricht 80 Morden am Tag.

Der mexikanisc­he Filmemache­r und Oscar-Preisträge­r Guillermo del Toro zeigte sich fassungslo­s angesichts des Verbrechen­s. „Worte reichen nicht aus, um das Ausmaß dieses Wahnsinns zu verstehen. Drei Studenten wurden ermordet und in Säure aufgelöst. Das Warum ist undenkbar, das Wie ist schreckens­erregend“, schrieb der Regisseur bei Twitter. Del Toro, selbst in Guadalajar­a geboren, verließ schon 1998 seine Stadt und sein Land wegen der steigenden Gewalt. Der Schauspiel­er Gael García Bernal fordert über den Kurznachri­chtendiens­t: „Dieser Alptraum muss aufhören.“

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FOTO: DPA Nach dem Mord dreier Filmstuden­ten geht ein Aufschrei der Empörung durch Mexiko. Mit über 29 000 Tötungsdel­ikten war das vergangene Jahr das blutigste in der jüngeren Geschichte des Landes.

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