„Weniger ist mehr“
Lehrerin Angelique Ploh vermittelt ihren Schülern am GGW den „Null Müll“-Lebensstil
GOSHEIM - „Zero Waste“– also „Null Müll“heißt ein Phänomen, das einmal als Lifestyle, also Lebensstil, einmal als „Bewegung“bezeichnet wird. Trotz dieser modischen Namen handelt es sich eigentlich um etwas, das unsere Groß- und Urgroßeltern kannten: Lebensmittel und anderes ohne Verpackung mit eigenen Behältern einkaufen. Lehrerin Angelique Ploh hat sich damit mit Schülern der 8. und 10. Klasse im Gymnasium Gosheim-Wehingen beschäftigt, Regina Braungart fragte nach.
Frau Ploh, Abfallvermeidung als Schulthema; wie sind Sie darauf gekommen?
Ich bin durch Zufall auf das Zero Waste Movement gestoßen, als ich im Englischunterricht das Plastikaufkommen durchgenommen habe. Ich habe bemerkt, dass die Bewegung bei mir und bei den Schülern nicht bekannt ist, da habe ich beschlossen, mich einzulesen.
Worum geht es dabei?
Es geht darum, Müll zu vermeiden bevor man überhaupt ins Recycling geht. In Deutschland beträgt das Verpackungsaufkommen über 600 Kilogramm pro Jahr, während Rumänien oder Estland bei 200 liegen. Mit einer zehnten Klasse haben wir Bio-Kleidung, Bio-Architektur besprochen, welche Perspektiven EMobilität bietet und ähnliches. Die Schüler waren sehr interessiert, haben gesehen, dass es neue Lebensstile gegen den Konsumwahn gibt, dagegen, mehr zu verbrauchen, als not- wendig ist, welchen CO2-Fußabdruck wir hinterlassen. Die Schüler waren erstaunt darüber, wie viele Erden wir brauchen würden, um unseren Konsum zu erhalten.
Wie viel Bewusstsein gibt es bei den Schülern?
Nachdem Thomas Kremer vom Abfallwirtschaftsamt da gewesen war, sagten sie: Wir wussten ja gar nicht, was mit unserem Müll passiert nach der Einstellung: Wir zahlen doch für unseren Müll.
Was war die Erkenntnis?
Alternativen zu zeigen, zum Beispiel regionale Produkte zu kaufen. Müllvermeidung ist heutzutage auch eine Frage der Qualität. Aber auch der Quantität, denn bei verpackten Lebensmitteln müssen wir immer eine bestimmte Menge abnehmen, im Unverpacktladen, den nächsten gibt es in Tübingen, kann man alles einzeln kaufen.
Aber ist der Ansatz nicht auch ein Problem: Man individualisiert das Problem, während die Industrie die Umwelt munter weiter vor sich hinversaut mit ihren Produkten?
Es ist schon schwierig, den Gegebenheiten zu widerstehen als einzelner. Aber trotzdem, als Haushalt, als Familie kann man etwas tun. Man kann sagen: Nein, ich lasse die Verpackung im Geschäft. Die Produkte sind angelegt darauf, kaputt zu gehen und nicht repariert zu werden. Man kann sich fragen: Brauch ich das? Geht es nicht Second Hand? Das mache ich seit Jahren. Oft sind Second-Hand-Produkte langlebiger als neue. Es ist eigentlich nicht fair. Der Verbraucher will ja nicht der Verursacher von Elend sein durch seinen Konsum. Es verhindert das Bewusstsein, dass der Abfall woanders hingebracht wird. Nein sagen, den Lebensstil ändern, entsprechend einkaufen. Dann kann man signifikante Signale an die Politik senden.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Die ist da auch gefragt. Da, wo man den Mensch wegrationalisiert, tauchen die Kosten woanders wieder auf. Der Blick auf das Wesentliche des Menschen muss wieder stärker in den Mittelpunkt rücken, es geht ja auch um unsere Gesundheit und die Gesundheit unserer Kinder. Wir haben gute Produkte. Warum braucht man Tomaten aus Holland, die nach Spanien gebracht werden, wo sie einen anderen Stempel bekommen? Wir müssen teilen, um mehr Qualität zu bekommen. Weniger ist mehr. Es ist Zeit, darüber nachzudenken.
Wie reagieren die Schüler, die ja Konsum als Teil des Erwachsenwerdens sehen?
Die Klasse 10 und 8 finden es gut, bezweifeln aber, ob es durchführbar ist. Etwa bei der Frage, ob es legal ist, mit den eigenen Behältnissen einzukaufen. Aber es gibt eine große Offenheit, das auszuprobieren. Sie haben auch Lust, etwas anderes auszuprobieren, etwa Zahnpasta aus Kokosöl und Natron herzustellen, zu sehen, dass das Waschen mit Waschnüssen funktioniert. Die Schüler sind sehr experimentierfreudig.