Die Botschaft des 1. Mai
Am kommenden Dienstag ist der 1. Mai der Tag der Arbeit, ein Feiertag. Aber was wird da eigentlich gefeiert? Mir fällt dazu eine Geschichte ein:
Ein alter, todkranker Bauer rief seine zerstrittenen vier Söhne an sein Sterbebett und übergab ihnen das Erbe. Dann reichte er jedem einen dünnen Stab und forderte sie auf, diese Hölzchen zu zerbrechen. Kein Problem! Anders aber, als er vier Stäbe zu einem Bündel zusammengeschnürt hatte. Da war keiner der Kampfhähne mehr imstande, es zu knacken. Einzeln wird man euch brechen, nur gemeinsam seid ihr stark! Das war die geheime Botschaft des sterbenden Bauern.
Und das ist auch die Botschaft des 1. Mai. Nur gemeinsam sind wir stark und können uns gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeiten wehren, war die Erfahrung der Arbeiterbewegung in den vergangenen 150 Jahren. Bessere Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne sind noch nie einfach vom Himmel gefallen, sondern mussten stets hart erkämpft werden. Nur durch Zusammenhalt und Solidarität, durch starkes gewerkschaftliches Handeln war dies möglich. Und das gilt auch heute. Dafür steht der 1. Mai, der Tag der Arbeit.
Warum stimme ich als Betriebsseelsorger das hohe Lied der Solidarität an? Weil der christliche Gott ein zutiefst solidarischer Gott ist. Er hat sich in Jesus Christus eingelassen in unser Menschsein. Als des „Zimmermanns Sohn“wollte er allen, auch denen da unten ganz nahe sein. Ein „heruntergekommener Gott“– das konnte nicht gut gehen! Er wurde in die Enge getrieben und starb einen bitteren Tod. Doch der Glaube sagt: er lebt in allen, die solidarisch leben, die aufstehen gegen Unrecht und Gewalt, gegen Spaltung und Ausgrenzung, die sich einsetzen für Menschenwürde und Gerechtigkeit.
Thomas Maile, Betriebsseelsorger, Katholisches Dekanat Tuttlingen-Spaichingen