Jojo Moyes:
Jojo Moyes über ihr Leben als Bestsellerautorin, die Zukunft des Lesens und ihren aktuellen Roman „Mein Herz in zwei Welten“
Der Erfolg ihrer Bücher ist der britischen Autorin nicht zu Kopf gestiegen.
Innerhalb von fünf Jahren wurde Jojo Moyes zu einer der erfolgreichsten Autorinnen der Welt. Ihr 2013 veröffentlichter Roman „Ein ganzes halbes Jahr“schaffte es in 43 Ländern auf die Bestsellerlisten und wurde von Hollywood verfilmt. Auch die Fortsetzung „Ein ganz neues Leben“wurde ein großer Erfolg – ebenso wie der dritte Teil der LouisaClarke-Trilogie, „Mein Herz in zwei Welten“, der aktuell ganz oben in den Buchcharts steht. Günther Keil hat die Frau, die hinter dem Erfolg steht, zum Gespräch getroffen. Die 48-Jährige hat viele Jahre als Journalistin gearbeitet und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Essex.
Haben Sie sich durch Ihren Erfolg verändert?
Äußerlich kaum: Ich lebe nach wie vor mit meiner Familie auf einer Farm mit Hunden und Pferden. Was sich allerdings verändert hat, ist meine Grundeinstellung. Je länger der Erfolg anhält, desto weniger Sorgen mache ich mir. Noch vor wenigen Jahren war ich eine „Katastrophistin“, die immer einen Plan B für den Fall brauchte, dass mal etwas schief geht. Ich musste alles im Griff haben und konnte nur selten abschalten.
Also leben Sie jetzt entspannter?
Ja. Der Erfolg hat mich optimistischer und mutiger gemacht. Ich habe nicht mehr das Gefühl, mich für jede Gefahr wappnen zu müssen. Mich beruhigt, dass auf meine vielen früheren Bücherflops viele Bestseller folgten.
Und worin zeigt sich Ihr neuer Mut?
Ich habe einen Tauchschein und einen Lkw-Führerschein für 7,5-Tonner gemacht. Toll, oder? Das waren zwei Dinge, die mir große Angst gemacht haben, und denen ich mich stellen wollte. Es ist schon ein bisschen bizarr, dass ich mich somit ähnlich entwickelt habe wie meine Hauptfigur Louisa – sie hält sich ja an die Grundsätze ihres verstorbenen Liebsten Will und lässt sich auch eher auf Abenteuer ein als früher. Meine Protagonisten haben mich verändert: Ich probiere heute viel mehr Dinge aus, und das fühlt sich gut an.
Überprüfen Sie, wie viele Wochen in welchen Ländern Ihre Bücher auf Platz 1 stehen?
Nein. Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich das ständig kontrollieren müsste. Meiner Meinung nach kann man auch nur dann künstlerisch und kreativ arbeiten, wenn man das Drumherum ausblendet. Ich kenne viele Kolleginnen, die sich um die Platzierungen ihrer Bücher Sorgen machen und alles beobachten, und sie leiden darunter. Ich will von meinen Verlegern nur wissen, wenn es sehr gut oder sehr schlecht läuft; ansonsten möchte ich in Ruhe gelassen werden und mich auf meine Arbeit konzentrieren. Das wirkt sich sehr positiv auf den Schreibprozess aus.
Fällt Ihnen das Verfassen eines Romans heute leichter als zu Beginn Ihrer Karriere?
Im Gegenteil. Ich mache mir mehr Gedanken, bevor ich mit dem Schreiben beginne. Das hängt auch damit zusammen, dass ich inzwischen weiß, wie viele Menschen weltweit auf ein neues Buch von mir warten. Die möchte ich nicht enttäuschen. Vor kurzem wurde mir auch erst so richtig bewusst, wie viele Jobs in Verlagen und im Buchhandel vom Erfolg meiner Bücher abhängen. Das ist eine große Verantwortung. Das Schreiben an sich ist aber zum Glück genauso magisch geblieben wie immer. Ich kann mir sogar weniger denn je erklären, wie es läuft, und wie ich das wieder einmal geschafft habe. Es ist ein bisschen wie beim Kinderkriegen. Als meine drei Kinder älter wurden, habe ich jedes Mal gestaunt: Wie habe ich das nur hinbekommen? Es ist wie ein Wunder.
Ihre Romane werden meist der „Unterhaltung“zugeordnet und von den Kritikern anspruchsvoller Literatur ignoriert. Was halten Sie von solchen Unterscheidungen?
Mir ist klar, dass meine Bücher nicht zur „hohen Literatur“zählen, und das ist auch völlig in Ordnung. Ich bin nicht Zadie Smith, und ich kann nicht so kunstvolle Sätze erfinden wie sie. Aber ich schreibe qualitative kommerzielle Literatur. Das bedeutet viel Arbeit, die ich in meine Plots mit überraschenden Wendungen stecke. Traurig an dieser Kategorisierung von Literatur ist, dass dies viele Leserinnen davon abhält, etwas Neues auszuprobieren. Wozu brauchen wir für alles ein Label? Ein gutes Buch ist eines, das berührt und unterhält.
Betrachten Sie sich denn als Unterhalterin?
Ich sehe mich mehr als Geschichtenerzählerin. Aber ich bin nicht beleidigt, wenn man mich so nennt. Ich unterhalte und vergnüge gerne mit meinen Romanen.
Zurzeit wird viel über die Zukunft der Literatur diskutiert. Glauben Sie, dass das Lesen von Büchern überleben wird?
Ich bin besorgt darüber, dass immer weniger gelesen wird. Auf meinen Reisen beobachte ich in Zügen und Flugzeugen zunehmend, wie viele Menschen Serien gucken oder sich einfach nur durch Nachrichten oder Bilder scrollen. Das ist alarmierend. Leider stelle ich diesen Trend auch an mir selbst fest; ich lese weniger, und ich verbringe zu viel Zeit mit meinem Smartphone. Deswegen habe ich mir vor kurzem diese App besorgt, die meine Handyzeit misst.
Auf wie viele Stunden pro Tag kommen Sie im Durchschnitt?
Auf zwei bis drei, und ich möchte das deutlich reduzieren. Wenn ich mir mal wieder einen Roman vornehme und ihn verschlinge, fühlt sich das wie Urlaub an. Und viel besser als die unruhige, letztlich unbefriedigende Zeit mit Social Media. Für einen Roman muss man sich Zeit nehmen, das ist wichtig – und man wird dafür belohnt. Man verliert sich in einer Geschichte, klinkt sich aus dem Alltag aus und erlebt etwas völlig Neues. Das ist wertvoll, gerade heutzutage.
Können Sie mit dieser Argumentation auch Ihre Kinder überzeugen?
Nun ja ... Ich diskutiere jeden Tag, wirklich jeden Tag mit ihnen über die ausufernde Smartphone-Nutzung. Immerhin habe ich es geschafft, dass meine beiden Jungs auch wieder lesen, nachdem ich ihnen einen E-Reader geschenkt habe. Vorher fanden sie Bücher uncool, aber jetzt sind sie zum Glück wieder mit von der Partie. Mir ist es übrigens auch völlig egal, was sie lesen. Hauptsache, sie tun es überhaupt.
Liest denn wenigstens ihre Tochter die Weltbestseller ihrer Mutter?
Dazu kann ich Ihnen eine lustige Geschichte erzählen: Meine Tochter war in ihrer Klasse wohl immer die einzige, die keines meiner Bücher gelesen hatte. Ihr war es anscheinend peinlich, und sie tat so, als interessiere sie sich kein bisschen dafür. Als dann aber „Ein ganzes halbes Jahr“mit Sam Claflin als Will Traynor ins Kino kam, war sie plötzlich begeistert. Der Film veränderte alles.