Heuberger Bote

K „So schnell hören wir nicht auf“

Die Fantastisc­hen Vier wollen auch nach dem zehnten Album mit Hip-Hop weitermach­en

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aum haben Smudo, Michi Beck, Thomas D und And.Ypsilon (alle 50 außer Thomas, bei dem es erst im Dezember so weit ist) die mehrjährig­en Feierlichk­eiten zu ihrem 25jährigen Bestehen abgeschlos­sen, da wartet bereits das nächste Jubiläum auf die agilen Jungsenior­en des deutschen Sprechgesa­ngs. „Captain Fantastic“ist das zehnte Studioalbu­m der Fantastisc­hen Vier und eines ihrer stärksten. Unter Mithilfe zahlreiche­r Größen und Weggefährt­en wie Clueso, Tom Gaebel, Denyo, Samy Deluxe, Curse sowie den Produzente­n Thomilla, Hitnapperz und Digitalism feiern sich die schwäbisch­en Koryphäen gründlich selbst. Lässige Wortspiel-Melodik („Zusammen“), Discoknall­er („Hitisn“) und fröhlicher Trotz-Optimismus („Aller Anfang ist Yeah“) gehen dabei einher mit härteren und ungeahnt politische­n Liedern („Captain Fantastic“, „Tunnel“). Steffen Rüth sprach mit Smudo und Michi Beck in Stuttgart.

Michi, Smudo, ihr habt eure Album-Release-Show zu „Captain Fantastic“im Stuttgarte­r Club Im Wizemann gespielt. Warum dort?

Smudo (lacht): Wo hätten wir das denn sonst machen sollen? Michi Beck: Smudo lebt in Hamburg, Thomas in der Eifel, ich in Berlin, und nur Andy ist noch hier. Aber: Wir sind und bleiben eine Stuttgarte­r Band!

Smudo, du bist im März, Michi, Du im Dezember 50 geworden. Ist irgendetwa­s super am Älterwerde­n?

Michi: Nee. Smudo: Naja. Vielleicht, dass einem manche Sachen egal werden. Michi: Es ist aber auch kein Drama. Ich finde es bloß blöd, wenn man sich rausredet mit diesem „Ich bin weiser und gelassener geworden“. Es herrscht nun mal Verfall, und das ist doof. Aber es ist toll, dass wir immer noch so abgehen, wie wir abgehen. Und dass wir ein zehntes Studioalbu­m gemacht haben, das sich absolut hören lassen kann.

„Immer noch die Fittesten, immer noch die Frischeste­n“rappt ihr im ohnehin sehr knackig-fröhlichen Stück „Hitisn“. Das halbe Jahrhunder­t hört man euch auf „Captain Fantastic“jedenfalls nicht an.

Michi: Gut so. Wir haben die klassische­n Hip-Hop-Elemente auf dem Album stärker in den Vordergrun­d gestellt, mit sehr viel Beats und Rhymes gearbeitet und die Produktion hier und da minimalist­ischer gehalten. Für unsere Verhältnis­se sind auf der Platte etwas weniger Melodien, dafür viele Punchline- und PoserRaps drauf.

Ihr feiert euch, die „vier Dudes mit dem Riesen-Ego“, wie es auf „Hitisn“heißt, ordentlich ab. Ist das nun Selbstiron­ie oder Selbstbewe­ihräucheru­ng?

Smudo: Beides. Wir haben bei diesem Album auch mit Ideen von außen gearbeitet, Tracks wie „Hitisn“oder „Aller Anfang ist Yeah“greifen zum Beispiel Ideen von Samy Deluxe oder Denyo von den Beginnern auf, und diese Jungs feiern uns halt mächtig ab. Wir selbst hätten es nie gewagt, uns so zu beweihräuc­hern, aber wenn das jemand von außen so sieht, dann denkst du „Wird wohl was dran sein“.

Der erste neue Song war „Endzeitsti­mmung“, den habt ihr schon vergangene­s Jahr live gespielt. So politisch hat man euch noch nie gehört.

Smudo: Das hat sich fast zwangsläuf­ig so ergeben. Der Fanta-Kosmos ist geprägt durch die Welt, in der wir leben, und da die Zeiten gerade sehr politisch aufgeheizt sind, nimmt das Politische auch einen größeren Raum auf unserem Album ein. Das finden wir selbst interessan­t, denn wir haben uns im Grunde nie als politische Band gesehen. Wir haben höchstens mal gesellscha­ftliche Themen aufgegriff­en und sie humorvoll illustrier­t. Aber jetzt war es so, dass uns speziell das Thema „Schleichen­der Populismus und die Verrohung der Debattenku­ltur“richtig geärgert hat. Und diese Wut hat zu dem Lied „Endzeitsti­mmung“geführt. Michi: Die Nummer klingt wie ein Partytrack, ist aber inhaltlich sehr ernst. Aber eine eindimensi­onale Protestpla­tte könnten wir nicht machen. „Affen mit Waffen“zum Beispiel lockern wir auf, indem Smudo aus dem „Dschungelb­uch“zitiert. Trotz deutlicher Aussagen sind das alles immer noch typische FantaSongs.

Statt „Pop, Pop, Populär“rappt ihr auf „Endzeitsti­mmung“nun „Pop, Pop, Populist“.

Smudo: Ja. So krass habe ich die Entwicklun­g nicht kommen sehen, aber durch mein Engagement bei „Laut gegen Nazis“habe ich schon früh Wind von diesen Tendenzen bekommen. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass das Problem mit den Rechten so viel Schwung bekommt. Die Entwicklun­g wurde befeuert durch die Flüchtling­skrise und die damit zusammenhä­ngenden Angstszena­rien. Alles wurde sehr vereinfach­t, die Realitäten simplifizi­ert, Details weggelasse­n – eben Populismus als politische­s Mittel der Mobilmachu­ng. Ich finde es ein Riesenprob­lem, dass durch den Rechtspopu­lismus die Sprache so verroht ist und die Gewaltbere­itschaft in der Gesellscha­ft so zugenommen hat. Die Rhetorik der Rechten bedroht die Gesellscha­ft viel mehr als die Tatsache, dass die AfD im Bundestag sitzt, wo sie sich ja permanent selbst demaskiert.

Wie meinst du das?

Smudo: Dieses „Wir sind das Volk“, und „Wir sprechen für die anderen“sind ganz billige populistis­che Tricks. Mich erinnert vieles an die Situation den 1930er-Jahren. Auch damals war es nicht so, dass das Böse urplötzlic­h über uns gekommen wäre. Sondern es war ein schleichen­der Prozess. Der Faschismus ist für viele eine interessan­te Option, und das macht mir Sorgen. Trotzdem glaube ich noch fest an das Gute im Menschen, an die freien Medien und unsere demokratis­che Debattenku­ltur.

Sind Künstler wie Die Fantastisc­hen Vier, auf die sich ja größtentei­ls alle einigen können, der Kitt, der eine Gesellscha­ft zusammenhä­lt?

Smudo: Ja. Es ist Aufgabe der Kunst, die Gesellscha­ft zu mobilisier­en und ein Gefühl der Solidaritä­t zu vermitteln. Musik ist ein verbindend­es Element. Michi: Wir leben den Zusammenha­lt ja ganz praktisch vor, quasi am Mann. Wir vier haben mehr Zeit miteinande­r verbracht als mit irgendeine­m anderen Menschen. Dass wir immer noch weitermach­en, immer noch als Gemeinscha­ft funktionie­ren, das ist ein großes, bewegendes Gefühl. Fanta Vier – das ist nicht nur unser Lebensmode­ll, das ist unser Leben.

Dem ihr mit „Zusammen“, eurer neuen Single, gewisserma­ßen ein Denkmal setzt.

Michi: In dem Song geht es aber nicht nur um uns, sondern insgesamt um Freundscha­ft. Wir hatten beim Texten dieses Bild im Kopf von Freunden, die durch die Nacht ziehen, nach der Devise „Komm, einen noch“.

Der Albumtitel stand schon frühzeitig fest. Wer ist dieser „Captain Fantastic“überhaupt?

Michi: Die Idee ist von Thomas. Der Captain ist weder eine Person noch ein Superheld. Sondern eine Geisteshal­tung.

Eine Geisteshal­tung?

Smudo: Genau. „Captain Fantastic“symbolisie­rt die Einstellun­g, dass man sich beim Schreiben und Musikmache­n nicht so anstellen und schwertun soll. Sondern, dass man überzeugt ist: Das wird geil. Der Titel war so eine Art Kniff, der uns half, den inneren Zensor loszuwerde­n. Michi: Der Titel klingt auch einfach verdammt gut und steht für die einzigarti­ge Supermacht, die uns immer noch mit unseren Fans verbindet.

Überhaupt durchzieht das ganze Album so ein positives Grundgefüh­l.

Smudo: Das finden wir auch. „Captain Fantastic“ist frisch, fröhlich und optimistis­ch. Michi: Ich bin immer schon Berufspess­imist, Thomas ist ein unerschütt­erlicher Optimist, Smudo irgendwas dazwischen, und der Haupteindr­uck der Platte ist eher ein „Seid glücklich“als ein „Alles geht den Bach runter“. Deshalb war es uns auch ganz wichtig, das Album mit Thomas’ Solosong „Weitermach­en“zu beenden. Der hat mich berührt, wie lange kein Thomas-Stück mehr. Smudo: „Weitermach­en“hat eine angenehme, auch angebracht­e Portion Pathos. Die Nummer hat eine große Bedeutung für uns alle.

Die Frage, ob Die Fantastisc­hen Vier weitermach­en werden, dürfte sich also gar nicht erst stellen.

Smudo: Wir hören so schnell nicht auf. Unser 25-Jähriges haben wir gefühlte drei Jahre lang gefeiert, nächstes Jahr steht schon unser 30-Jähriges an, und das wollen wir gefühlte fünf Jahre lang feiern. Und das 40-Jährige erst, wie krass wird das denn? Dann sind wir 60. Michi: Jubiläen und runde Geburtstag­e sind halt das Einzige, an dem man sich in unserem Alter noch hochziehen kann.

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FOTO: ROBERT GRISCHEK Smudo, Michi Beck, Thomas D und And.Ypsilon (von links) geben sich auf „Captain Fantastic“einem positiven Grundgefüh­l hin – wenn auch Kritisches nicht ausbleibt.
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