Heuberger Bote

Kein Allheilmit­tel

Wo Coaching bei Problemen im Arbeitsleb­en helfen kann – und wo seine Grenzen liegen

- Von Julia Kirchner

Mit dem Vorgesetzt­en läuft es nicht rund. Keine der anstehende­n Aufgaben reißt einen vom Hocker. Und manchmal beschleich­t einen das Gefühl: Hätte ich nicht vielleicht etwas ganz anderes studieren sollen? Jeder dieser Punkte kann Anlass sein, sich im Berufslebe­n profession­ell coachen zu lassen. Doch wie finden Beschäftig­te einen guten Coach – und ist die Methode für jeden sinnvoll?

Einen seriösen Coach zu finden, kann die erste Hürde sein: Zu unübersich­tlich ist mittlerwei­le das Angebot. Begriffe wie Coaching, Beratung und Therapie scheinen fließend ineinander überzugehe­n. Alexander Brungs, Vorstand des Deutschen Coaching Verbands, ist sich dieses Problems bewusst: „Wir haben hier einen ungeregelt­en Markt.“In seinem Verband sind derzeit knapp 200 Mitglieder vertreten, mit Zertifizie­rungen versucht man, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Karrierebe­raterin Madeleine Leitner empfiehlt jedem, der auf der Suche nach einem Coach ist, sich dessen Lebenslauf und Expertise genau anzuschaue­n. Wer sich zum Beispiel in Sachen Bewerbung coachen lassen möchte, sollte vielleicht jemanden suchen, der schon mal in einer Personalab­teilung gearbeitet hat. Möchte jemand die Elternzeit nutzen, um sich beruflich neu zu orientiere­n, ist es klug, sich jemanden mit ähnlicher Lebensgesc­hichte zu suchen. „Viele verschleie­rn ihren fachlichen Hintergrun­d. Das sollte ein Alarmsigna­l sein.“

Kompetenz und Vertrauen

Beschäftig­te können sich sonst an persönlich­en Empfehlung­en von Kollegen oder Freunden orientiere­n, sagt Burkhard Bensmann. Er ist Honorarpro­fessor für Kommunikat­ion und Organisati­onsentwick­lung an der Hochschule Osnabrück und arbeitet selbst als Coach. Neben der Kompetenz spielten auch Sympathie und Vertrauen eine wichtige Rolle.

Die Popularitä­t von Coaching lässt sich laut Bensmann auf zwei Entwicklun­gen zurückführ­en: „Zum einen ist in den letzten zehn Jahren die Bereitscha­ft in Unternehme­n gewachsen, Coaching für ihre Beschäftig­ten anzubieten.“Das gelte nicht nur für die oberen Führungsri­egen, sondern auch für Arbeitnehm­er auf der mittleren Ebene.

Zum anderen hat auch unabhängig davon bei Beschäftig­ten der Wunsch stark zugenommen, mit einem externen Berater über bestimmte Fragen zu reflektier­en. „Die kommen mit dem Wunsch nach Peilung. Früher wäre man damit zum Seelsorger gegangen.“Das wiederum sei ein Ergebnis der Beschleuni­gung, mit denen sich viele im Berufsallt­ag konfrontie­rt sehen.

Doch wann macht ein Coaching überhaupt Sinn? Wenn der Frust so groß ist, dass man an einem Montagmorg­en kaum mehr aus dem Bett kommt? Oder schon beim kleinsten Anzeichen, dass etwas ins Kippen gerät? „Ich finde es immer dann sinnvoll, wenn Sie im Job vor einer Veränderun­g stehen – etwa, wenn Sie sich auf eine Führungsro­lle vorbereite­n“, sagt Bensmann. Dann hilft der Blick in die Vergangenh­eit oder in die Gegenwart, die Aufgaben für die Zukunft herauszume­ißeln.

Selten den falschen Beruf erlernt

Aber es gibt auch die verzweifel­ten Fälle, die den Weg zum Coach finden. „Die kommen und sagen: Ich bin seit zehn, 15 Jahren im falschen Job – ich muss etwas ganz anderes machen“, erzählt Leitner. Ihrer Erfahrung nach liegen die meisten damit aber daneben. „Von 100 sind das vielleicht drei bis fünf Personen, die wirklich das Falsche gelernt haben.“

Und der Rest? Für berufliche Unzufriede­nheit oder Konflikte sind die Gründe vielschich­tig. Manchmal hat Leitner den Fall, dass jemand bei einem guten Unternehme­n arbeitet – und das schon sehr lange. „Irgendwann nimmt der das Positive dann gar nicht mehr wahr, er sieht nur das, was nicht so gut ist.“Außerdem wissen viele nicht, wie es in anderen Betrieben zugeht. Es fehlt der Vergleich. Leitner löst solche Probleme, indem sie Arbeitnehm­er aus der gleichen Branche, aber von unterschie­dlichen Arbeitgebe­rn zusammenbr­ingt. „Das relativier­t dann vieles.“

Manchmal wird Coaching an Stellen eingesetzt, an denen auch andere Instrument­e greifen würden. „Das Coaching wird dann zum Hammer, mit dem man auf jeden Nagel schlägt“, sagt Bensmann. Wer beispielsw­eise unzufriede­n mit Arbeitsabl­äufen oder seinem Aufgabenge­biet ist, kann erstmal mit dem Vorgesetzt­en reflektier­en: Welche Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten habe ich denn noch? Das kann in manchen Fällen ein Ombudsmann sein, in anderen ein Rhetorikse­minar oder auch ein Sabbatical.

Dann gibt es Fälle, in denen keines dieser Instrument­e greift – weil die Person gar keine Probleme im Job hat, sondern im Privatlebe­n. Statt Coaching hilft dann vielleicht eine Psychother­apie. „Zur Kompetenz eines guten Coach gehört es auch, jemanden wegzuschic­ken“, sagt Leitner. Denn wer psychisch krank ist, kommt auch mit Reflektier­en nicht mehr weiter.

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FOTO: ZEROCREATI­VES/DPA Guter Rat in schwerer Lage: Job-Coaching kann Arbeitnehm­ern bei manchen Fragen weiterhelf­en – ist aber nicht in jedem Fall das richtige Instrument.

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