Herzliche Begrüßung: Küsschen statt Händeschütteln?
Kind, nun gib der lieben Tante Trude doch ein Küsschen“, so flöteten die alten Damen beim Bridge-Abend meiner Oma Lotte. Das war mir ein Graus. Nein, ich wollte diese faltigen Backen nicht küssen und tat es nur, weil ich artig war. Heute, selber faltig, sehe ich die Sache anders. Das Bussi, eins links, eins rechts, scheint mir eine freundlichentspannte Art der Begrüßung.
Voraussetzung ist, dass jeder Teilnehmer des Rituals die Regeln kennt. Ein feuchter Schmatz geht gar nicht, auch ein Lippenstiftabdruck im Gesicht des Anderen ist viel zu intim. In der perfekten Art des Küsschengebens berühren sich nur leicht die Wangen, der Mund spitzt sich in die Luft hinein und macht dabei ein kleines charmantes Geräusch. Zugleich legt man die Hände kurz auf die Oberarme des Gegenübers – die Andeutung einer Umarmung – und trennt sich mit einem freundlichen Lächeln. Wer Franzosen begrüßt, muss wissen, dass sie dreimal küssen, mit anmutigem Schwung. Ich habe das in Paris geübt und bemerkt, wie steif und abweisend dagegen der deutsche Händedruck wirkt.
Außerdem, so habe ich gehört, ist das Luftküsschen in Schnupfenzeiten gesundheitlich weit weniger riskant als das Zusammendrücken der Hände, wobei zuverlässig alle Keime ausgetauscht werden. Also: Bussi!
Der Händedruck diente früher dazu, seinem Gegenüber zu zeigen, dass man selbst unbewaffnet ist. Und auch heute ist diese Geste nach wie vor die gesellschaftlich anerkannteste – man drückt freundlich seine Harmlosigkeit aus, bleibt aber dennoch distanziert ge- nug.
Beim Umarmen beispielsweise kann einem unbemerkt ein Messer ins Kreuz gerammt werden. Und das hat man dann von seinem unnötigen Nähe- und Kuschelfimmel. Der feste Händedruck hingegen setzt Energien zwischen den Schüttlern frei – ein regelrechter Fluss entsteht, der mehr verbindet, als ein Küsschen hier und eines da.
Natürlich kann auch beim Händeschütteln ein unangenehmer Austausch von Flüssigkeiten stattfinden. Aber lieber doch den Handflächenschweiß eines Menschen auf der Hornhaut, als das Gesabber und Geschmoddere im eigenen Gesicht! Auch wenn das Gegenüber jemand Unliebsames ist, kann der Schüttler das besser ausdrücken als der Knutscher. Ein festerer Druck als üblich, ein finsterer Blick dazu aufgesetzt – fertig. Der Küsser hat da keine Chancen, er muss dennoch ran und schmatz links, schmatz rechts. Die einzige Möglichkeit, die der Bussi-Bussi-Geber hat, ist in diesem Falle der Biss. Und das wird wohl kaum toleriert werden. Wenn doch: Laufen Sie!
’’ Gib Küsschen, aber nur in die Luft! Von Birgit Kölgen ’’ Ein fester Händedruck setzt Energien frei. Von Michael Häußler