Zukunftspläne für die Rente
Arbeitsminister Heil möchte neuen Generationenvertrag
(AFP) - Das Ziel ist eine zukunftsfähige Alterssicherung: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die von Union und Sozialdemokraten vereinbarte Rentenkommission eingesetzt. „Die Aufgabe ist es, Armut im Alter zu vermeiden und die Grundlage der Alterssicherung zukunftsfähig zu erneuern“, sagte Heil am Donnerstag bei der Vorstellung des Gremiums. Die Kommission soll bis März 2020 ihren Bericht zur Zukunft des Rentensystems vorlegen. Wegen des demografischen Wandels und der Veränderungen der Arbeitswelt stehe das Rentensystem vor „sehr, sehr großen Herausforderungen“.
Auf Grundlage der Kommissionsvorschläge wolle die Regierung „möglichst noch in dieser Legislaturperiode die Weichen für einen verlässlichen Generationenvertrag stellen“, sagte Heil. „Wir brauchen eine Rentenpolitik für heute, für morgen und auch für übermorgen.“
- Elf Freunde finden sich in einer Fußballmannschaft selten. In einer gleich großen Kommission erst recht nicht. So werden auch in der nun von der Regierung benannten Rentenkommission die Meinungen in den kommenden zwei Jahren heftig aufeinanderprallen. Ähnlich dem Fußball spielen strategische und taktische Überlegungen dabei eine große Rolle. Denn die Aufgabe der Expertenrunde hat es in sich. Sie soll bis März 2020 Vorschläge für die Gestaltung des Rentensystems ab dem Jahr 2025 entwickeln.
Danach scheiden mit den Babyboomern die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Berufsleben aus und immer weniger junge Menschen müssen immer mehr ältere finanzieren. Die Fachleute sollen die „Enkeltauglichkeit“des Systems sicherstellen, wie es Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) nennt.
Nun stellte der Minister das Gremium vor. Den Vorsitz teilen sich die erfahrenen Sozialpolitiker Karl Schiewerling (CDU) und Gabriele Lösekrug-Möller (SPD). Dazu kommen weitere Politiker, Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und drei Wissenschaftler. Axel BörschSupan vom Max-Planck-Institut, die Soziologin Simone Scherger von der Uni Bremen und Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Bis zum März 2020 sollen sie eine Reform der Alterssicherung erarbeiten. „Die Aufgabe ist es, Armut im Alter zu vermeiden“, sagt Heil, „wir reden von einer richtig schweren Aufgabe.“
Doppelte Haltelinie
Denn ein erträgliches Rentenniveau mit gleichzeitig leistbaren Beiträgen für die jüngere Generation ist nur bis Mitte des nächsten Jahrzehnts gesichert. Die Bundesregierung will per Gesetz festlegen, dass die Renten nicht unter einen Wert von 48 Prozent des letzten Einkommens sinken dürfen und der Beitragssatz von 18,6 Prozent nicht über 20 Prozent des Lohnes steigen soll. Eine doppelte Haltelinie. Schon dies sorgt 2025 nach Berechnungen Börsch-Supans für eine Finanzierungslücke von elf Milliarden Euro, die sich ohne Reform in den folgenden Jahren dramatisch vergrößern würde.
Zunächst muss sich die Kommission auf eine Prognose der wichtigsten Faktoren bei den Einnahmen der Rentenkasse verständigen. Dazu zählen vor allem die Beschäftigtenzahl und die Entwicklung von Löhnen und Gehältern. Aus dem Ergebnis lässt sich der finanzielle Bedarf der Alterssicherung ermitteln. Schon allein diese Prognosen sind mit mehr Unsicherheiten verbunden als früher. Denn wie sich die Digitalisierung der Wirtschaft auf die Einkommen und die Zahl der Arbeitsplätze auswirken wird, weiß noch niemand.
Der zweite Schritt wird die Konflikte zwischen den Interessengruppen ans Licht bringen. Denn jede Maßnahme kennt Gewinner und Verlierer. So fordert die IG Metall schon jetzt steigende Renten und will die Lasten zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Steuerzahlern aufteilen. Die wirtschaftsnahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bringt dagegen eine längere Lebensarbeitszeit ins Spiel.
Einnahmen erhöhen
Damit sind fast alle Stellschrauben schon benannt. Die Regierung kann das Rentenniveau verändern, die Beitragssätze für die Rentenversicherung, mehr Steuern ins System pumpen oder das Rentenalter erhöhen. Dazu kommt noch die Möglichkeit, durch mehr Qualifikationsangebote für Arbeitnehmer und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen die Einnahmen der Rentenkasse zu erhöhen. Um die richtige Mischung des Instrumentenkastens wird in der Kommission nun hart gerungen.
Ob die Vorschläge der Experten schnell umgesetzt werden, ist offen. „Wir sollten die Weichen dann auch stellen“, sagt Heil. 2021 ist bereits die nächste Bundestagswahl. Mit einer schlechteren Alterversorgung oder steigenden Abgaben für alle Arbeitnehmer lassen sich schwer Wähler gewinnen. Der Anreiz, die fälligen Taten auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen, ist daher groß.
Der von Heil ebenfalls in die Kommission berufene Axel BörschSupan hatte zuletzt mit der Feststellung für Aufmerksamkeit gesorgt, dass eine längerfristige Haltelinie unbezahlbar sei. „Auf diese demografische Umwälzung allein mit starren Haltelinien beim Beitragssatz und beim Rentenniveau zu reagieren, würde den Steuerzuschuss für die Rente bis 2035 um 80 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Höhe treiben“, sagte er.
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte: „Die Koalition sollte die Rentenkommission ernst nehmen und nicht bereits vorab neue milliardenschwere Leistungsausweitungen beschließen, deren langfristige Finanzierbarkeit ungeklärt ist.“