Pingpong-Diplomatie
Kurz vor dem WM-Viertelfinale im Tischtennis beschließen Nord- und Südkorea, ihre Mannschaften zu vereinen
(SID) - Dem Reiz der Pingpong-Diplomatie 2.0 konnte offensichtlich niemand widerstehen. Nicht in Zeiten des politischen Tauwetters auf der koreanischen Halbinsel. Zu stark erscheint das Zeichen, das die Spielerinnen aus Süd- und Nordkorea von der WM im schwedischen Halmstad in die Welt senden, ein Zeichen für den Frieden in der Heimat. Was zählt da schon der faire sportliche Wettstreit? Was zählt da, dass man sich mitten in einem Turnier befindet, in einer Weltmeisterschaft zumal?
Über Nacht erteilten die Regelhüter des Tischtennis-Weltverbandes ITTF ihre Zustimmung für eine ungewöhnliche Idee. Anstatt im Viertelfinale gegeneinander zu spielen, vereinigten sich die beiden koreanischen Mannschaften zu einem Team. Ein symbolischer Akt, äußerst passend in Zeiten der Annäherung.
Sechs Tage zuvor hatten sich Nordkoreas Machthaber Kim Jongun und Südkoreas Präsident Moon Jae-in an der militärischen Demarkationslinie in Panmunjon getroffen, dem Ort, der seit dem Ende des Koreakriegs (1953) für die Teilung des Landes steht.
Schon bei den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang war ein gemeinsames Eishockey-Team im Frauenturnier an den Start gegangen. Eine hochrangige nordkoreanische Delegation hatte die Eröffnungsfeier besucht, bei der beide Mannschaften gemeinsam ins Stadion einliefen. Die Annäherung nach jahrzehntelanger Teilung war nicht mehr zu übersehen.
Diesem Prozess will die Tischtennis-Familie wohl nicht im Weg stehen, und so stimmten auch Japan und die Ukraine, mögliche Halbfinalgegner der vereinigten koreanischen Mannschaft, dem Vorschlag zu. Auch wenn diese angesichts ihrer gesunkenen Chancen „nicht allzu erfreut darüber gewesen sein dürften“, wie Timo Boll vermutet. „Aber es dient einem größeren Zweck. Für die Region ist es ein wichtiges Zeichen“, sagte Deutschlands TischtennisStar.
Der Limburger Thomas Weikert, Präsident im Weltverband, bezeichnete die Entwicklungen in Halmstad als „historischen Schritt“. Ryu Seung Min, Vizepräsident im südkoreanischen Tischtennisverband und IOCMitglied, lobte die ITTF. „Dies ist ein wichtiges Statement, um den Frieden zwischen unseren Ländern durch das Tischtennis zu fördern“, sagte der Olympiasieger von 2004. Ein Statement – mehr nicht? Die Geschichte zeigt, wie der Sport zur Annäherung auf diplomatischem Parkett beitragen kann. Anfang der 70er-Jahre trafen sich amerikanische und chinesische Tischtennisspieler, als die Beziehungen ihrer Länder den Tiefpunkt erreichten. Geboren war die Ping-Pong-Diplomatie. Ob und wie es im Friedensprozess zwischen Süd- und Nordkorea weitergeht, entscheidet sich jedoch nicht an der Platte.
Für Ende Mai ist ein Treffen zwischen Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump geplant, bei dem die Frage der atomaren Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel erörtert werden soll. Dort wird sich offenbaren, ob die durch den Sport beschworene Einheit auch auf dem politischen Parkett bestehen kann.
Schon 1991 trat eine gemeinsame Mannschaft koreanischer Spielerinnen bei der WM im japanischen Chiba an. Zur Entspannung in der Heimat trug der Auftritt nicht bei. Dafür gewann das Team Gold.