Räuber Hotzenplotz
Ein neues Abenteuer der Kinderfigur aus dem Nachlass Otfried Preußlers
Neue Geschichte in Otfried Preußlers Nachlass entdeckt
Es geht um existenzielle Dinge wie Bratwürste mit Sauerkraut. Um eine Kaffeemühle, die der Schurke von Großmutter raubt, was Kasperl und Seppel zu einem halsbrecherischen Plan veranlasst. Und natürlich geht es auch um Wachtmeister Alois Dimpfelmoser und seine Zuneigung zur Witwe Schlotterbeck, die einst aus Versehen ihren Langhaardackel Wasti in ein Krokodil verwandelte. Es geht um nicht weniger als die Abenteuer des Räuber Hotzenplotz von Otfried Preußler (1923 bis 2013), die Generationen von Kindern staunen ließen, die vielen das erste Leseerlebnis bescherten und noch heute Erwachsene rührt in Erinnerung an die Vergangenheit. Insofern kann AutorenTochter Susanne Preußler-Bitsch nun eine Überraschung präsentieren: Im Nachlass von Otfried Preußler entdeckte die Kulturwissenschaftlerin das Stück „Die Fahrt zum Mond“– eine weitere Geschichte vom Räuber Hotzenplotz.
„Als ich vor ein paar Monaten durch Zufall auf ein bis dato unbekanntes Bühnenstück meines Vaters stieß, war mir sofort klar, welch wunderbaren Schatz ich in den Händen hielt“, sagt Susanne Preußler-Bitsch, die aus dem Werk „ein ,erzähltes Kasperltheater’ zwischen zwei Buchdeckeln“, entwickelte. Also aus dem Theaterstück einen Fließtext schuf und damit den vierten Band der Hotzenplotz-Reihe, der am 17. Juli 2018 unter dem Titel „Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“im Thienemann-Verlag erscheinen wird.
Otfried Preußler („Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“) hat zahlreiche Kinder- und Jugendbuchklassiker geschaffen, Räuber Hotzenplotz gehört zu seinen erfolgreichsten. Die drei Bände haben sich weltweit mehr als acht Millionen Mal verkauft und wurden in über 30 Sprachen übersetzt („Der Räuber Hotzenplotz“heißt auf Japanisch „Odorobo Hotzenplotz“, auf Griechisch „O Kapetan-Tremulas“, auf Niederländisch „Rover Hossenkloss“oder auf Koreanisch „Wang-Do-Duk Ho-Tzen-Pl-O-Tz“). Dabei entstand die Figur aus einer kreativen Notlage, kam Preußler damals mit seinem späteren, ernsten Jugendklassiker „Krabat“nicht weiter. „Jetzt schreibst du mal was Lustiges, etwas zum bloßen Spaß“, erinnerte sich einst Preußler. „Sagen wir eine Kasperlgeschichte, in der alle Personen vorkommen, die zu einem richtigen Kasperlstück gehören, einschließlich Räuber und Polizei.“Eine Legende war geboren.
Von da an sollte Hotzenplotz zum Alter Ego des Kinderbuchautors werden, Preußler beantwortete unter dem Namen des Räubers Kinderbriefe und schrieb sogar Behörden
an. Ursprünglich war nur ein Buch vorgesehen (Preußler: „Sonst hätte ich nämlich den großen und bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann unter keinen Umständen bereits im ersten Band das Zeitliche segnen lassen“), doch des Erfolges wegen kamen nach der Premiere 1962 1969 und 1973 zwei weitere Bände dazu. Über die Handlung des neuen Buches ist so viel bekannt: Wachtmeister Dimpfelmoser steht auch diesmal wieder der Schweiß auf der Stirn, wenn er seine Pickelhaube lupft, denn Hotzenplotz ist erneut aus dem Gefängnis ausgebrochen. Seppel und Kasperl sind fest entschlossen, ihn einzufangen – und ein für alle Mal auf den Mond zu schießen. Mit dem Bau einer ausgeklügelten Mondrakete nimmt ihr Plan Formen an. Ob sich Hotzenplotz überlisten lässt?
Eingefleischte Fans werden fragen, wann genau, zu welchem Zeitpunkt die Geschichte spielt. Wird Hotzenplotz im dritten Band doch geläutert oder, wie man heute sagt, resozialisiert. Susanne PreußlerBitsch sagt dazu im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Man muss es so sehen: ,Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete’ ist eine Episode aus dem Leben Hotzenplotz.“Näheren Aufschluss über die Gemütslage des Halunken gibt das Entstehungsdatum des Stücks vor 50 Jahren – also zwischen dem ersten und dem zweiten Buch. Aber hätte Otfried Preußler überhaupt gewollt, dass die Welt von der Mondrakete und dem verwegenen Plan von Kasperl und Seppel erfährt? Dass etwas aus seinem Nachlass veröffentlicht wird?
„Ich bin mir sicher, er hätte sich riesig gefreut“, sagt seine Tochter. „Allein schon die Illustrationen hätten ihm sehr gefallen.“Den Ur-Hotzenplotz, mit markantem Hut und Kinn, schuf der bekannte Illustrator Franz Josef Tripp, später coloriert von Mathias Weber. Auf dieser Grundlage hat nun Thorsten Saleina die Figur zeichnerisch weiterentwickelt.
Bleibt eine Frage: Was ist noch aus dem Nachlass von Otfried Preußler zu erwarten? „Mein Vater war wie ein Sportler“, sagt dazu Susanne Preußler-Bitsch. „Er hat jeden Tag geschrieben und nur das Wenigste davon wurde veröffentlicht. Der Nachlass ist sehr groß.“Ob künftig noch mehr publiziert wird, lässt sie zwar offen. Allerdings sollte sich niemand wundern, wenn es eines Tages wieder heißt: „Neues vom Räuber Hotzenplotz“.