Gefahr der Sklaverei
Hans-Böckler-Stiftung stellt „Atlas der Arbeit“vor
BERLIN (dpa) - Mehr Niedriglöhner, häufigere Erreichbarkeit und der Einzug der Roboter: Die Arbeitswelt vieler Menschen in Deutschland hat sich schon in den vergangenen Jahren deutlich verändert und steht nun vor einer großen Herausforderung. Das geht aus dem „Atlas der Arbeit“hervor, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde.
„Man befindet sich heute in einer revolutionären Situation“, sagte Michael Guggemos, der Geschäftsführer der gewerkschaftsnahen HansBöckler-Stiftung. Technikgetrieben entstünden Crowdworking, also die standortunabhängige Auftragsverteilung übers Internet, und neue Dienstleistungen, etwa durch Plattform-Betreiber wie den Fahrtenvermittler Uber und den Essenslieferdienst Foodora.
Auch diese Unternehmen müssten ihre Arbeitgeberverantwortung wahrnehmen und etwa Sozialversicherungsbeiträge und Mindestlöhne zahlen, forderte Reiner Hoffmann, der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds bei der Vorstellung des „Atlas der Arbeit“.
Die Broschüre zeigt, wie schon jetzt sogenannte atypische Beschäftigung wächst: Minijobs, Teilzeitund Leiharbeit, Werk- und Zeitverträge. 7,4 Millionen Menschen arbeiteten demnach auf 450-Euro-Basis, für 4,7 Millionen von ihnen sei es die einzige Einkommensquelle.
„Entgegen der ursprünglichen Idee haben sich Minijobs für die Beschäftigten nicht als Einstieg zu guter Arbeit erwiesen“, resümieren die Autoren. Deutschland habe den größten Niedriglohnsektor Westeuropas, kritisiert der Bericht. 1,2 Millionen Beschäftigte bekämen zusätzlich Hartz IV.
Wer neu eingestellt werde, bekomme in 44 Prozent der Fälle nur einen befristeten Vertrag – in der Hoffnung, eines Tages unbefristet eingestellt zu werden.
Skizziert wird im „Atlas der Arbeit“auch Zwangsarbeit. „Es gibt eine zunehmende Gefahr von Arbeitssklaverei in Deutschland“, sagte Guggemos. Dies sei für ihn die überraschendste Erkenntnis aus dem rund 60-seitigen Atlas.
Als Beispiel nennen die Autoren die Zwangsprostitution mit Freiheitsberaubung und sexueller Ausbeutung. Der Bericht zitiert Daten, nach denen das Risiko für Eingewanderte zunimmt, in Deutschland Opfer von Arbeitsknechtschaft und Menschenschmuggel zu werden.
Dass die erwerbsfähige Bevölkerung abnehme, müsse dagegen niemandem Angst machen, heißt es in dem Bericht. Zumindest rechnerisch könne die Arbeitslosigkeit schon 2027 beseitigt sein. „Knappheit an Arbeitskräften erlaubt auch deutliche Lohnsteigerungen.“Weil auf lange Sicht mehr Arbeitskräfte gebraucht würden, müssten vor allem Einwanderer einspringen.