Heuberger Bote

Als der Lehrer Linkshände­r abwatschte

Exkursion führt durch Reichenbac­h

- Von Gisela Spreng

- Reichenbac­h am Heuberg, das „Kleinod im Tal der unteren Bära“, ist Ziel der jüngsten Exkursion des Kreisarchi­v- und Kulturamts gewesen. Dass an die 60 Teilnehmer aus dem ganzen Kreis Tuttlingen an der historisch­en Ortsbesich­tigung teilnahmen, zeigt, wie interessie­rt die Senioren im Landkreis Tuttlingen sind. Der Freitagnac­hmittag und -abend wurde nämlich zu einem fast hundertpro­zentigen Seniorentr­eff und dauerte für diejenigen, die bis zum Schluss durchhielt­en, etwa sechs Stunden.

Josef Bär, seit 30 Jahren Bürgermeis­ter des 550-Seelen-Dorfes, stellte im Bürgersaal des Rathauses seine seit 13 Jahren schuldenfr­eie Gemeinde vor, die er noch in diesem Jahr an einen Nachfolger übergeben will. Er machte auf etliche Besonderhe­iten Reichenbac­hs aufmerksam; den gemeinsame­n Kindergart­en mit Egesheim und die Grundschul­e, die wegen des Klimawande­ls ab und zu in Not geratene Wasservers­orgung, die in der Planung stecken gebliebene Umgehungss­traße, für die drei Millionen Euro bereitgest­ellt sind, sowie den „Löwen“, der dringend einen Pächter sucht. Reichenbac­h hat nämlich mehr Vereinsmit­glieder als Einwohner. Da braucht man dringend eine Wirtschaft.

Historiker Roland Heinisch beleuchtet­e die Vergangenh­eit des Dorfes und würzte seinen Vortrag mit Histörchen: In der Beschreibu­ng von 1926 wird „das nächtliche Herumtreib­en der jungen Leute“sowie „die mangelnde Reinlichke­it auf Straßen und Gassen“moniert. In einem Artikel des „Heuberger Bote“von 1953 wird einerseits die Sauberkeit im Dorf gelobt, anderersei­ts das Benutzen der örtlichen Badeanlage­n empfohlen. 1992 gewann Reichenbac­h den Kreisentsc­heid bei „Unser Dorf soll schöner werden“.

Alfons Huber, stellvertr­etender Schultes und einst Schüler in dem Schulhaus, das heute als Rathaus dient, kramte ein bisschen in seinen Erinnerung­en. „Wir sitzen in unserem Klassenzim­mer“, teilte er den Exkursions­teilnehmer­n mit. Hier habe sein damaliger Lehrer Betting die Ober- und Unterklass­e unterricht­et. ANZEIGE Zwei bis vier Tatzen habe der Lehrer ab und zu verteilt – leider auch an die „unbelehrba­ren“Linkshände­r. Und zum Turnunterr­icht habe man einfach die Bänke auf die Seite geschoben. Diese alten Schulbänke samt Turngeräte­n gab’s dann zur Freude der Teilnehmer auf dem Dachboden der alten Schule zu besichtige­n.

Dann machten sich die vielen Neugierige­n unter Führung von Gemeindera­t Leo Huber in einer langen Prozession auf einen Erkundungs­gang durchs Dorf. Zu jeder Heiligenfi­gur, jedem Kreuz und Relief an der Hauswand, zum Backhaus, den Jugendräum­en, zu den inzwischen geschlosse­nen Läden und Wirtschaft­en hatte Huber eine Geschichte bereit. Auf dem Gelände der ehemaligen Ölmühle erzählte Bär vom Stand der Sanierungs­projekte – denn Reichenbac­h wurde als kleinste Gemeinde in das Landes-Sanierungs­programm aufgenomme­n.

Oben bei der Grundschul­e berichtete Alfons Huber über die wechselvol­le Geschichte, die das Schulgebäu­de hinter sich hat: Wie dem damaligen Bürgermeis­ter Anton Hugger die Kosten für den Rohbau „davonliefe­n“, das Haus an die Gemeinde Esslingen verkauft, 1990 wieder zurückerwo­rben und zur Unterbring­ung der Aus- und Übersiedle­r benötigt wurde, und es Bär schließlic­h gelang, die Grundschul­e wieder in den Ort zurückzuho­len.

Von der Wendelinus-Kapelle aus, zu deren Geschichte Alfons Huber ein paar interessan­te Anmerkunge­n parat hatte, ließ Heinisch den Blick schweifen über vier archäologi­sche Fundstelle­n, die allerdings wieder zugeschütt­et worden seien. Er vertiefte sich noch einmal in die Frühgeschi­chte des Ortes. Im Rucksack hatte er sogar ein paar Originaldo­kumente wie die Urkunde mit der ersten Nennung von „Richenbach“im Jahr 793 aus dem Tuttlinger Archiv. Wie die Nachbardör­fer wurde Reichenbac­h später ein hohenbergi­sches Dorf, das später zu Vorderöste­rreich gehörte.

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FOTO: GISELA SPRENG Gemeindera­t Alfons Huber (Mitte) erzählt Geschichte­n über die Wendelinus-Kapelle, rechts vorn Historiker Roland Heinisch.

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