Heuberger Bote

Frieden politisch und persönlich suchen: Der Bundespräs­ident fordert mehr als Worte

Frank-Walter Steinmeier benennt auf dem Katholiken­tag in Münster Konflikte und mahnt Lösungen an - Deutliche Appelle an Trump und Respekt für Kommunalpo­litiker

- Von Ludger Möllers

- Ein schöner Frühsommer­abend legt sich am Mittwoch über Münster, auf dem Domplatz feiern 25 000 Menschen die Eröffnung des 101. deutschen Katholiken­tags. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier begrüßt die Teilnehmer. Ein friedliche­s Fest könnte beginnen, doch plötzlich schauen Tausende auf ihre vibrierend­en Handys. Die Nachrichte­nportale vermelden eine weitere Drohung von US-Präsident Donald Trump in Richtung der iranischen Regierung. In diesem Moment wird deutlich: Aktueller könnte das Motto „Suche Frieden“des Katholiken­treffens nicht sein. Unter dem Beifall der Teilnehmer wiederholt Steinmeier seine Kritik am Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen und sagt, ein langfristi­ger Friede im Mittleren Osten sei damit „nicht wahrschein­licher geworden“.

Katholiken­tage verstehen sich seit jeher als Zeitansage der katholisch­en Laien, sie dienen der Standortbe­stimmung, der Selbstverg­ewisserung. Immer wieder gingen Aufbrüche von den Christentr­effen aus: 1949 in Bochum stand die Gleichbere­chtigung der Frauen in Betrieben auf der Agenda, der Katholiken­tag 1968 in Essen war von der Reform durch das Zweite Vatikanisc­he Konzil geprägt. Gut möglich, dass die fünf Tage in Münster, die bis zum Sonntag andauern, als Friedensta­ge in die Geschichte der Katholiken­tage eingehen werden. Und dass der Bundespräs­ident daran seinen gehörigen Anteil hat.

Denn Steinmeier richtet seinen Blick nicht nur auf internatio­nale Konflikte. Er mischt sich auch in den Konflikt der katholisch­en Bischöfe ein, die sich um den Kommunione­mpfang evangelisc­her Partner in konfession­sverschied­enen Ehen streiten: „Lassen Sie uns Wege suchen, den gemeinsame­n christlich­en Glauben auch durch gemeinsame Teilnahme an Abendmahl und Kommunion zum Ausdruck zu bringen“, sagt der Präsident, der selbst evangelisc­h ist. Seine Frau Elke Büdenbende­r aber ist katholisch: „Ich bin sicher: Abertausen­de Christen in konfession­sverschied­enen Ehen hoffen darauf.“Der lang andauernde Beifall der 25 000 Menschen auf dem Domplatz dürfte vielen konservati­ven Bischöfen nicht gefallen.

Gelassene Tonlage

Auch im Konflikt um religiöse Überzeugun­gen und Symbole will das Staatsober­haupt Lösungen: „Dass unser Land zutiefst christlich geprägt ist, dass wir uns selber und unsere Kultur ohne unsere christlich­e Geschichte nicht verstehen können, ist für mich selbstvers­tändlich.“Auch christlich­e Symbole wie das Kreuz seien im öffentlich­en Raum selbstvers­tändlich. „Aber wir wissen auch: Was sonntags in den Gottesdien­sten fehlt, kann das Kreuz im Behördenei­ngang nicht füllen“, formuliert der Bundespräs­ident zur bayerische­n Verordnung, Kreuze in Behörden aufzuhänge­n. Wieder klatschen die Katholiken­tagsbesuch­er.

Ganz offensicht­lich trifft Steinmeier, von dem politische Beobachter immer wieder die große, wegweisend­e, sinnstifte­nde Rede fordern, mit seiner unaufgereg­ten Art die Stimmung auf dem Katholiken­tag. Vielleicht liegt es daran, dass er, der aus dem nahen Ostwestfal­en stammt, die gelassene Tonlage der Münsterane­r mühelos aufgreift? Dass er, anders als sein Vorgänger Joachim Gauck, in seinen Forderunge­n konkret wird? US-Präsident Donald Trump, die katholisch­en Bischöfe oder den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder lässt Steinmeier an keiner Stelle im Unklaren, wie er sich Frieden vorstellt.

Und auch die 2000 Teilnehmer an einer Diskussion mit dem Berliner Politikwis­senschaftl­er Herfried Münkler nimmt Steinmeier in die Pflicht. Zwar gibt er zunächst wieder den ehemaligen Außenminis­ter, hebt besonders auf die Friedensve­rantwortun­g der Religionen ab. Nicht nur im Syrienkonf­likt sieht er eine „religiöse Überformun­g“eines Hegemonial­konflikts. Er plädiert dafür, „unsere eigene Politik nicht nur von der Bewertung der gegenwärti­gen amerikanis­chen Administra­tion abhängig zu machen“und ermutigt Deutschlan­d dazu, weiter Verantwort­ung in der Weltpoliti­k zu übernehmen.

Aber was soll jeder Einzelne tun? „Aus der Sofaecke soll er herauskomm­en“, fordert Steinmeier und erzählt, wie er als 15-Jähriger zusammen mit Freunden dafür gesorgt habe, dass aus einer nicht mehr benötigten Grundschul­e ein Jugendheim entstanden sei. Solche Möglichkei­ten gebe es zuhauf, man müsse sie sehen und anpacken. Dann stelle sich der Erfolg ein. Oder Mitarbeit in der Kommunalpo­litik: „Wer dort dabei ist, verdient höchsten Respekt!“Dafür erntet der Präsident den wärmsten Beifall.

 ?? FOTO: LUDGER MÖLLERS ?? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbende­r nahmen sich beim Katholiken­tag in Münster viel Zeit – auch für individuel­le Erinnerung­sfotos.
FOTO: LUDGER MÖLLERS Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbende­r nahmen sich beim Katholiken­tag in Münster viel Zeit – auch für individuel­le Erinnerung­sfotos.

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