Von Verena Bentele wird noch zu hören sein
Die Tettnangerin hört als Behindertenbeauftragte auf – jetzt wird sie Lobbyistin für sozial Schwache
– Vier Jahre lang war sie Politikerin, doch sie hat noch nicht die glatte Politikersprache angenommen, sondern ist erfrischend anders geblieben. „Hau rein“, ruft Verena Bentele noch sportlich-kurz ihrem Nachfolger Jürgen Dusel zu, bevor sie sich bei seiner Amtseinführung etwas früher verabschieden muss. Schließlich hat ihre Mutter an diesem Tag ihren 60. Geburtstag, und da darf sie in Tettnang nicht fehlen. „Inklusion bewegt“, das war das Motto ihrer Amtszeit als Behindertenbeauftragte. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) attestiert ihr, dass sie viel bewegt habe. Nicht nur im Sportbereich mit Werkstattgesprächen habe die zwölffache Goldmedaillengewinnerin Bentele geglänzt.
Der Sport hat sie geprägt
Aus dem Sport bringe sie die Fähigkeit mit, mit viel Beharrlichkeit und Ausdauer Themen zu verfolgen, so Heil. So habe sie sich für Inklusion von Anfang an eingesetzt und Kinderfeste für Kinder mit und ohne Behinderungen gefeiert. Ihr Meisterstück, oder wie Heil meint, sogar ihr „Weltmeisterstück“aber sei die Begleitung der Bundesregierung bei der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention gewesen. Hier sei Bentele eine wichtige Mittlerin zwischen politisch Verantwortlichen und Betroffenen gewesen. Denn bei den Behinderten war die Enttäuschung über den ersten Gesetzentwurf groß, und Bentele habe geholfen, dass am Ende „ein viel, viel besseres Gesetz“entstand. Sie selbst ist besonders stolz auf die Schlichtungsstelle, die sie ins Leben gerufen hat. 180 Anfragen und Beschwerden belegen die Notwendigkeit dieser Anlaufstelle für Verbände und Behinderte. Der neue Arbeitsminister Hubertus Heil hat versucht, Bentele zu halten. Er hat die 36-Jährige noch bei den Paralympics in Korea angerufen, um sie zu überreden, weiterzumachen. Doch „Ulrike und Du, ihr habt anders entschieden“, sagt Heil.
Ulrike, das ist Ulrike Mascher, die 79-jährige Präsidentin des Sozialverbandes VdK. Sie hat sich Verena Bentele als Nachfolgerin gewünscht, einen Gegenkandidaten hat Bentele nicht. Und so gilt es als sicher, dass sie am nächsten Mittwoch in Berlin zur neuen Präsidentin des Verbandes gewählt wird. Innenminister Horst Seehofer hat Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil schon davor gewarnt, dass Bentele in ihrer neuen Funktion bestimmt anstrengend werde, denn sie sei „ganz tough“. Seehofer dürfte recht haben, ahnt Heil. Bentele selbst verspricht schon: „Ich werde Euch im Nacken sitzen.“Anlass genug wird es geben, unter anderem, wenn die Rentenkommission arbeitet.
Es ist eine offene Frage, ob sie als Behindertenbeauftragte oder als künftige VdK-Präsidentin mächtiger ist. „Das sind zwei ganz unterschiedliche Rollen“, meint Bentele, denn bisher sei sie ja Mittlerin zwischen Politik und Behinderten gewesen. Der VDK als Verband könne aber natürlich noch viel kritischer sein. Ihrem Nachfolger wünscht sie an diesem Tag ein gutes Team, viel Ausdauer und Durchhaltevermögen.
Jetzt trainiert Bentele wieder – für Trondheim-Oslo im Juli. 540 Kilometer will sie zusammen mit einem Freund vom Bodensee zurücklegen. Die Strecke ist sie schon 2013 und 2014 gefahren. Verena Bentele, die selbst blind ist, war die erste Betroffene im Amt der Behindertenbeauftragten. „Bei meiner Abschiedsrede im Bundestag habe ich schlucken müssen“, meint Bentele. Denn sie habe erlebt, wie eine neue Partei versuche, die Ausgrenzung Behinderter wieder salonfähig zu machen. Dagegen will sie kämpfen, gleich von welchem Posten.