Heuberger Bote

Schön flott – und oft zu schnell

Unfallzahl­en mit Pedelecs steigen überpropor­tional – Sicherheit­strainings für Senioren

- Von Anika von Greve-Dierfeld

(dpa) - Angemeldet waren 17, gekommen sind 25. Das Interesse der Senioren am Pedelec-Training in Pforzheim (Baden-Württember­g) ist zumindest an diesem Samstag riesig. Die Sonne scheint, Helga Manz tritt vorsichtig an die Zweiräder mit Elektroant­rieb heran. Sie nimmt das grasgrüne, ohne Stange, mit „Dameneinst­ieg“, das ist der 74Jährigen wichtig. Sie zieht den Helm auf. Erstmal ist Training auf dem Messplatz angesagt, bevor es auf die Piste geht, sprich: in die Innenstadt. „Mann, bin ich damit schnell“, sagt sie noch. Sie dreht einige Runden auf dem Platz. Dann ist sie mit der ganzen Truppe weg.

Entwicklun­g macht Sorgen

Pedelecs sind im Trend, leider aber steigen die Unfallzahl­en – auch wenn man die wachsenden Verkaufsza­hlen mitberücks­ichtigt – deutlich überpropor­tional. „Viele Pedelec-Anfänger denken ,Radfahren – kann doch jeder, ich brauche kein Training’“, erzählt Sonja Lehmann, Referentin beim Landesverb­and des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs (ADFC). Die wachsende Zahl derer, die auf das Rad mit Elektroant­rieb umsteigen, sei im Sinne der Mobilität zwar absolut begrüßensw­ert, ergänzt Reinhard Kappes vom ADFCKreisv­erband Pforzheim. „Aber die steigende Zahl von Unfällen sehe ich mit Sorge.“

Bundesweit gibt es seit 2015 Jahr für Jahr etwa 30 Prozent mehr Pedelecunf­älle. Im vergangene­n Jahr verunglück­ten nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s über 5100 Pedelecnut­zer (2016: rund 3900), fast 150 davon tödlich. Die meisten Pedelecnut­zer in Deutschlan­d sind Senioren, etwa 80 Prozent, schätzt Unfallfors­cher Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r (UDV). Die Unfallzahl­en seien allein mit dem Anstieg der Verkaufzah­len nicht zu erklären.

Logisch, dass sich nach Worten eines Sprechers des Stuttgarte­r Innenminis­teriums die Sicherheit­strainings im Land vor allem an der Zielgruppe der Senioren orientiere­n. Wieviele solche Trainings jährlich abgehalten werden, sei nicht bekannt; auch bundesweit­e Zahlen dazu gibt es nicht. „Die Leute rennen uns aber nicht gerade die Bude ein“, bedauert ADFC-Expertin Lehmann.

Misslich – denn solche Trainings seien, neben gründliche­r Beratung beim Kauf von Pedelecs, absolut empfehlens­wert, sagt Brockmann: Viele Senioren stiegen aufs Elektrorad, obwohl sie jahrelang nicht mal mehr auf einem Fahrrad gesessen hätten. „Die Hauptnutze­rgruppe ist auch das Hauptprobl­em“, sagt der Unfallfors­cher. Ausführlic­he Erkenntnis­se erwarten Verkehrsex­perten Mitte des Jahres von einer neuen Studie „Mobilität in Deutschlan­d“(MDI). Die letzte derartige bundesweit­e MDI-Befragung zum Verkehrsve­rhalten stammt von 2008.

„Die Reaktionsf­ähigkeit von Senioren nimmt ab, die Geschwindi­gkeit mit den Pedelecs im Vergleich zum normalen Fahrrad aber zu“, sagt Reinhard Kappes. „Das ist dann eine ungünstige Mischung.“Er führt die Tour mit den Senioren durch die Pforzheime­r Innenstadt. Anfahren am Berg, aber auch bergab fahren üben ist wichtig. Denn nicht nur die Geschwindi­gkeit der Räder ist gewöhnungs­bedürftig, sondern auch das Gewicht. Sie sind etwa doppelt so schwer wie ein normales Rad. Kappes warnt: „Ich kann es gegenüber den Pedelec-Einsteiger­n nicht oft genug wiederhole­n: ,Sie sind jetzt schneller unterwegs, als Sie es bisher waren.’“

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FOTO: DPA Senioren sind vom Pedelec und seinen Möglichkei­ten begeistert – unterschät­zen bisweilen aber die Geschwindi­gkeit.

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