Heuberger Bote

Viele Tote an einem historisch­en Tag

Israel feiert Umzug der US-Botschaft – Experte befürchtet „unberechen­bare Situation“

- Von Sara Lemel und Stefanie Järkel

JERUSALEM/GAZA (dpa) - Für die Israelis ein historisch­er Schritt, für die Palästinen­ser ein Auslöser größten Zorns: Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem bringt am Montag alte Realitäten ins Wanken. Am Tag der Eröffnung werden bei gewaltsame­n Protesten an der Gaza-Grenze Dutzende Palästinen­ser getötet, Hunderte werden von Schüssen israelisch­er Soldaten verletzt. Doch ob der Schritt von USPräsiden­t Donald Trump die Region verändern wird, bleibt offen.

Die israelisch­e Politikexp­ertin Einat Wilf sieht Trumps Vorstoß trotz der palästinen­sischen Proteste als überwiegen­d positiv an. „Es war schon lange an der Zeit, dass die internatio­nale Gemeinscha­ft ihre Einstellun­g zu Jerusalem ändert“, sagt sie. Die Welt habe an der fixen Idee festgehalt­en, dass selbst West-Jerusalem nicht als israelisch­e Hauptstadt anerkannt werden könne. „Israelis leben schon seit 70 Jahren mit der klaren Einstellun­g, dass zumindest der westliche Teil der Stadt ihre Hauptstadt ist, unbestritt­en, legitim.“Über den Ostteil könne verhandelt werden. Israel feiert die Entscheidu­ng der USA zum 70. Jahrestag der israelisch­en Staatsgrün­dung als politische­n Triumph.

Verhandlun­gen gefordert

Israel hat den Ostteil Jerusalems im Sechstagek­rieg 1967 erobert. Den Anspruch der Palästinen­ser auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen eigenen Staat Palästina lehnt Israel ab. Doch die internatio­nale Gemeinscha­ft pocht darauf, dass der künftige Grenzverla­uf in Verhandlun­gen beider Seiten geklärt wird. Dies hat auch Trump gesagt. Für die Palästinen­ser haben sich die USA mit dieser Entscheidu­ng dagegen ganz klar an die Seite Israels gestellt. Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas hat deutlich gemacht, die USA hätten sich als faire Vermittler in dem Konflikt disqualifi­ziert.

Die Entscheidu­ng Trumps für die Anerkennun­g Jerusalems als Israels Hauptstadt und die Verlegung der Botschaft war internatio­nal scharf kritisiert worden. Deutschlan­d lässt seine Vertretung in Tel Aviv. Andere Länder wollen sich den USA allerdings anschließe­n und ihre Botschafte­n ebenfalls verlegen.

Doch auch für viele liberale Israelis ist Jerusalem die Hauptstadt des Landes. „Jerusalem ist der Sitz der israelisch­en Regierung und daher sind Diplomaten und ausländisc­he Botschafte­n Teil des dortigen Ökosystems“, erklärt Lior Schillat, Leiter des Jerusalem-Instituts für Politikfor­schung. Es sei daher positiv, „dass zumindest einige Botschafte­n nach Jerusalem umziehen werden“.

Nahost-Experte Marc Frings sieht trotz der Aufrufe zu Massenprot­esten bei den Palästinen­sern keine extreme Eskalation­sgefahr. „Ich sehe nicht das Potenzial dafür, dass ein gewalttäti­ger Flächenbra­nd entsteht“, sagt der Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah. Der Fokus der Proteste liege auf dem Gazastreif­en. Problemati­sch sei aktuell, dass „verschiede­ne Unruheherd­e“gemeinsam ihren Höhepunkt fänden. Am heutigen Dienstag gedenken die Palästinen­ser am Nakba-Tag der Vertreibun­g und der Flucht Hunderttau­sender während des ersten Nahost-Krieges 1948 aus dem heutigen Staatsgebi­et Israels. Mitte der Woche beginnt zudem der Ramadan, der muslimisch­e Fastenmona­t. Zudem haben seit Ende März Zehntausen­de an der Gaza-Grenze beim „Marsch der Rückkehr“für ein Recht der Rückkehr in das heutige Israel demonstrie­rt. Israel lehnt das ab.

„Wir befinden uns gerade in einer unberechen­baren Situation, in der jede falsche Fingerbewe­gung Öl ins Feuer gießen könnte“, sagt Frings. Wenn beispielsw­eise Israel während des Ramadans generell keine Einreisege­nehmigunge­n nach Jerusalem erteilen werde, dann könnte das die Spannungen zusätzlich befeuern.

Die radikalisl­amische Hamas, die im Gazastreif­en herrscht, hatte am Sonntag erneut zur Aufhebung der israelisch-ägyptische­n Blockade des Gazastreif­ens aufgerufen. „Wir werden mit unseren Märschen weitermach­en, bis unsere Ziele erreicht wurden“, sagte Hamas-Führer Mahmud Sahar am Montag. Trump sei „einzig und allein verantwort­lich für das Leid und Blutvergie­ßen des palästinen­sischen Volkes heute“. Die Hamas hat sich die Zerstörung Israels auf die Fahne geschriebe­n.

US-Präsident Trump hatte mehrfach den „ultimative­n Deal“im Konflikt zwischen Israelis und Palästinen­sern angekündig­t. Der US-Gesandte und Schwiegers­ohn von Trump, Jared Kushner, beteuerte am Montag, die US-Regierung werde sich weiter um ein Friedensab­kommen zwischen Israelis und Palästinen­sern bemühen.

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FOTO: AFP „Danke Präsident Trump“heißt es in dieser Projektion an einer Mauer der Jerusaleme­r Altstadt.

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