Die ideale Projektionsfläche
Warum die Deutschen sich so sehr für das britische Königshaus begeistern
(KNA) - Millionen Menschen rund um den Globus werden am Samstag einschalten, wenn sich Prinz Harry und Meghan Markle das Jawort geben. Die Faszination für die Royals ist ungebrochen.
Die Queen kann eigentlich sehr zufrieden sein. Sie erfreut sich mit 92 Jahren einer robusten Gesundheit, ihr Ehemann Philip hat mit 96 Jahren noch gut eine Hüftoperation überstanden, sie ist wieder Urgroßmutter geworden und ihr Enkel Harry heiratet in wenigen Tagen. Also keine dunklen Wolken am Horizont, dafür jede Menge schöne Bilder und positive Schlagzeilen. Aber woher kommt die Faszination für das britische Königshaus?
„Die Royals bieten uns stellvertretend Themen und Probleme, mit denen wir uns identifizieren können – oder die uns zum Abgrenzen reizen. Also entweder: Oh, das ist ja bei denen wie bei mir. Oder: Deren Probleme müsste man haben! Ich glaube, es ist in erster Linie eine Neugier an Menschen, die einen Sonderstatus haben dank ihrer Geschichte und Traditionen“, erklärt der Journalist Tim Schleider. In seinem Buch „Royals“geht er der Faszination an den gekrönten Häuptern dieser Welt nach. Die königliche Familie als Projektionsfläche für uns alle? Ja, meint Schleider, denn: „Es gibt die allmächtige, schon seit ewig regierende Großmutter, die Queen, es gibt die mittlere Generation ihrer Kinder, deren Ehen fast alle gescheitert sind, und dann ist da die junge strahlende Generation der Enkel, die ihr Leben scheinbar gut im Griff haben.“
Davon konnte man sich gerade erst überzeugen, als Prinz William und seine Frau zum dritten Mal Eltern wurden. Glücklich präsentierten sie den kleinen Prinzen der Welt, um dann hinter den Mauern des Kensington Palastes zu verschwinden.
Royal-Liebe trotz Brexit
Auch der Brexit kann das Interesse an den Royals nicht mindern. „Ich glaube, wir sind in Deutschland immer noch sehr anglophil, obwohl der Brexit für uns eine traumatische Erfahrung war“, meint Karina Urbach, eine deutsche Historikerin, die lange Zeit in England studiert und gelehrt hat. Sie hat für deutsche wie englische Zeitungen und TV-Sender als Beraterin gearbeitet.
„Die Royals stehen offiziell über der Politik, also kann man sie – trotz Brexits – weiterhin lieben. Und dann wissen wir natürlich auch, wie deutsch die Wurzeln dieser Familie sind – die Royals sind nun mal die berühmteste Einwandererfamilie – aus Hannover und Coburg.“Im Gegensatz zu Celebrities, die sich in der Regel nur einer kurzen Berühmtheit erfreuen, bringen die Royals eine Vergangenheit mit und haben eine Zukunft vor sich. Sie sind für das politische Geschehen immer noch von Bedeutung. „Ohne die Queen im Zentrum kann man das Staatswesen Großbritanniens nicht verstehen. Sie hat keine Macht, aber alle Institutionen des jahrhundertealten Parlamentarismus in England, das Unterhaus, das Oberhaus, beziehen sich auf die Queen – selbst die Post!“, erläutert Tim Schleider.
Deswegen hat auch die anstehende Hochzeit von Prinz Harry und der US-Schauspielerin Meghan Markle durchaus politische Bedeutung. „Bis ins 19. Jahrhundert waren royale Hochzeiten immer auch ein Mittel der Außenpolitik“, erklärt Karina Urbach. Noch Queen Victorias Mann Albert hoffte, mit der Heirat seiner Tochter Vicky 1858 eine Annäherung zwischen London und Berlin zu erzielen. „Heute ist es eher umgekehrt. Hochzeiten sind ein Mittel der Innenpolitik geworden. Die Monarchie will durch eine Hochzeit mit einer Bürgerlichen Volksnähe und Modernität zeigen und natürlich vor allem gute Unterhaltung bieten.“