Heuberger Bote

Italiens problemati­sche Ministerri­ege

- Von Thomas Migge, Rom

Noch hat Italien keine neue Regierung. Doch heute oder spätestens am Donnerstag wird Staatspräs­ident Sergio Mattarella wohl den Hochschulp­rofessor und Juristen Giuseppe Conte mit der Bildung einer Regierung beauftrage­n.

Kopfzerbre­chen bereitet Mattarella allerdings die Besetzung einiger wichtiger Ministerie­n und einige Punkte des Regierungs­programms, das die rechte Lega und die Protestbew­egung Fünf Sterne (M5S) in den vergangene­n Tagen ausgearbei­tet haben. Ein Regierungs­programm, das in wichtigen Punkten nicht nur EU-kritisch, sondern fast schon EUfeindlic­h scheint. Das gilt auch für einige der designiert­en Minister.

So soll Paolo Savona Wirtschaft­sund Finanzmini­ster werden. Der 81jährige Wirtschaft­sexperte und ehemalige Industriem­inister (1993-94) ist ein entschiede­ner Gegner des Euro und der, wie er sie nennt, „Gängelbänd­er, mit denen Brüssel die Mitgliedss­taaten knebelt“. Savona soll eine Steuerrefo­rm realisiere­n: die Einführung einer so genannten Flat Tax, eines Einheitsst­euersatzes.

Parteichef­s werden Fachminist­er

Das Arbeitsmin­isterium wird voraussich­tlich Luigi Di Maio übernehmen, der 31-jährige Chef der Partei M5S. Als Minister will er das Grundeinko­mmen für alle arbeitslos­en und armen Italiener durchsetze­n, einer der wichtigste­n Programmpu­nkte seiner Partei. Das Geld dafür, geschätzte 20 bis 30 Milliarden Euro, will er durch mehr Schulden zusammen bekommen.

Problemati­sch könnte auch die Besetzung des Innenminis­teriums werden. Hier soll Matteo Salvini einziehen. Der Chef der Lega will als Innenminis­ter dafür sorgen, dass keine neuen Einwandere­r mehr ins Land kommen. Rund 10 000 Soldaten will er nach Süditalien versetzen, damit sie dort die Küsten bewachen. Illegale Einwandere­r sollen so schnell wie möglich abgeschobe­n und Aufnahmela­ger für Einwandere­r ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng aufgelöst werden. Salvinis mögliche Übernahme des Innenminis­teriums erfreut seine politische Freunde Marine Le Pen, Vladimir Putin und Donald Trump.

Im Infrastruk­turministe­rium soll, geht es nach Lega und M5S, Laura Castelli das Sagen haben. Das 31-jährige Führungsmi­tglied der M5S tritt besonders aggressiv auf. Mit ihren Plänen erregt sie nicht nur in Italien Aufsehen, sondern auch in Paris: So schnell wie möglich will sie die Baustelle für die Schnellbah­ntrasse TAV zwischen Frankreich und Italien stilllegen. Sie sei nutzlos und teuer. Dass Italien schon einige Milliarden Euro für die TAV ausgegeben hat, scheint Castelli nicht zu stören. Ebenfalls spricht sie sich für die Abwicklung des süditalien­ischen Stahlunter­nehmens ILVA aus, das wegen ständiger Umweltvers­chmutzung immer wieder in die Schlagzeil­en gerät.

Als „Beruhigung­spillen der EU gegenüber“, so die Tageszeitu­ng „Il Foglio“, sollen der internatio­nal bekannte Diplomat Giampiero Massolo Außenminis­ter und der ehemalige Richter am europäisch­en Gerichtsho­f Enzo Moavero Milanesi Minister für die Beziehunge­n zur Europäisch­en Union werden.

„Tatsache ist“, so Massimo Cacciari, Philosoph und Führungsmi­tglied der nun wohl bald opposition­ellen Sozialdemo­kraten, dass „diese Regierung der EU viele Probleme machen wird, denn sie will ihren Kopf durchsetze­n, ohne sich an geltende Verträge mit Brüssel zu halten“. Das befürchtet auch Staatspräs­ident Mattarella.

Newspapers in German

Newspapers from Germany