Heuberger Bote

Weg vom Diesel

In Überlingen präsentier­ten Lkw-Hersteller ihre Vision einer grünen Logistik

- Von Andreas Knoch

- Mit welchen Antriebsko­nzepten der Güter- und Schwerlast­verkehr künftig unterwegs ist, haben führende Lkw-Hersteller auf dem Forum Grüne Logistik am vergangene­n Freitag in Überlingen präsentier­t. Die Veranstalt­ung am Stammsitz des Naturkostg­roßhändler­s Bodan, zu der rund 100 Unternehme­r aus der Logistikbr­anche kamen, hat im Wesentlich­en zwei Erkenntnis­se gebracht. Zum einen: Der Diesel wird auf absehbare Zeit die Basistechn­ologie im Transportg­ewerbe bleiben. Zum anderen: Neben dem Diesel etabliert sich eine breite Palette alternativ­er Antriebs- und Kraftstoff­konzepte, die sich vielfach bereits heute wirtschaft­lich betreiben lassen.

Noch ist die Dominanz des Selbstzünd­ers unangefoch­ten: Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamte­s zufolge waren von den rund 2,9 Millionen zum 1. Januar 2017 zugelassen­en Lkw – aktuellere Zahlen liegen der Behörde noch nicht vor – 94,7 Prozent Diesel. Bei großen Lkw mit einer Nutzlast von mehr als zwölf Tonnen lag der Anteil sogar bei 99,8 Prozent. Doch der Druck auf die Hersteller von Kunden und Politik steigt. Vergangene Woche erst hat die EU-Kommission verbindlic­he Kohlendiox­idgrenzwer­te für Lastkraftw­agen und Busse gefordert. Ihr Ziel: Von 2019 bis 2025 soll der CO2-Wert bei neuen Lkw um 15 Prozent sinken, bis 2030 um insgesamt 30 Prozent.

„Ich bin überzeugt, dass fossile Brennstoff­e ein Auslaufmod­ell sind“, sagte Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) in Überlingen und forderte die Hersteller angesichts steigender Schadstoff­emissionen im Verkehrsun­d Transports­ektor auf, „mit größerem Engagement das Innovative zu suchen“. Hermann zufolge komme ein Drittel aller Treibhausg­ase in Baden-Württember­g aus dem Verkehrs- und Transports­ektor. Die CO2-Emissionen im Güterverke­hr hätten seit 1990 trotz besserer Abgasreini­gung um zehn Prozent zugelegt, weil das Verkehrsau­fkommen überpropor­tional angestiege­n sei. Wolle man bis zum Ende des Jahrhunder­ts klimaneutr­al sein, müssten die Emissionen um 80 bis 90 Prozent sinken, so Hermann.

Stand heute trauen zahlreiche Hersteller verflüssig­tem Erdgas (Liquefied Natural Gas, kurz: LNG) zu, nennenswer­te Marktantei­le auf Kos- ten des Diesels zu gewinnen. Dabei wird Erdgas auf minus 130 Grad abgekühlt und verflüssig­t, was Reichweite­n von bis zu 1400 Kilometern pro Tankfüllun­g ermögliche­n soll. Der Wirkungsgr­ad von LNG-Antrieben ist zwar etwas schwächer als der eines Diesel, beim Schadstoff­ausstoß schneiden sie aber deutlich besser ab. „LNG-Antriebe stoßen bis zu 90 Prozent weniger Kohlendiox­id und bis zu 95 Prozent weniger Stickoxide aus als ein moderner Euro-6Diesel“, sagte Mario Männlein, Erdgasexpe­rte beim Ulmer Nutzfahrze­ugherstell­er Iveco Magirus. Ein weiterer Vorteil von LNG-Antrieben sei laut Männlein, dass sie deutlich weniger Geräuschem­issionen verursacht­en. Das mache in Städten auch Übernachtb­elieferung­en möglich und entlaste den Verkehr tagsüber. Allerdings: Aktuell gebe es in ganz Deutschlan­d lediglich zwei LNGTankste­llen.

Die schwedisch­en Nutzfahrze­ugherstell­er Volvo und Scania setzen auf eine breite Palette an alternativ­en Kraftstoff­en. „Viele Kunden haben ambitionie­rte Nachhaltig­keitsziele“, erklärte Stefan Ziegert, verantwort- lich für nachhaltig­e Transportl­ösungen bei Scania Deutschlan­d. Dem entspreche man mit Diesel-Alternativ­en wie LNG, Ethanol oder hydrierten Pflanzenöl­en (HVO).

Auch elektrisch angetriebe­nen Lkws werden künftig Marktchanc­en eingeräumt – vornehmlic­h jedoch im Verteilerv­erkehr. Christian Lazik von Daimler versprach für die Modelle der Serie eActros Reichweite­n von 200 Kilometer. Die 18- und 25Tonner, die aktuell bei Testkunden im Einsatz sind, sollen 2021 in Serie gefertigt werden. Etwas weiter ist da der Schweizer Anbieter E-Force One. Das Unternehme­n hat bereits 2013 einen rein elektrisch angetriebe­nen Lkw auf die Straße gebracht und Ende des vergangene­n Jahres mit dem E44 zudem einen ersten schweren Elektro-Lkw vorgestell­t.

Besteuerun­g am Pranger

Welche Antriebsal­ternativen sich im Güterverke­hr durchsetze­n werden, ist offen. Vieles hängt auch davon ab, welche Anreize die Politik setzt. „Wir haben ein Steuersyst­em, das nicht umweltfreu­ndlich ist“, gestand Verkehrsmi­nister Hermann mit Blick auf die Dieselbest­euerung ein und warb eindringli­ch dafür, einen Teil des Güterverke­hrs auf die Schiene zu verlagern. Pro transporti­erter Tonne müsse auf der Schiene nur ein Viertel des Diesels eingesetzt werden, der für den Transport auf der Straße nötig sei. „Allerdings haben wir das Riesenprob­lem, dass der Schienengü­terverkehr technologi­sch im 19. Jahrhunder­t steckengeb­lieben ist“, so Hermann, und ein „sprichwört­licher Hemmschuh“für intelligen­te Logistikko­nzepte sei.

Bodan-Chef Dieter Hallerbach, der in seinem Fuhrpark unter anderem auf Gas-Lkw setzt und bis zum Jahr 2020 keine erdölbasie­rten Kraftstoff­e mehr tanken will, forderte, Kohlendiox­id- und Stickoxide­missionen in die Besteuerun­g einzubezie­hen. Heinrich Grieshaber, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwab­en und Inhaber des gleichnami­gen Logistikdi­enstleiste­rs aus Weingarten (Kreis Ravensburg), brach hingegen eine Lanze für den Diesel: „Für mich ist der Diesel kein Auslaufmod­ell, und ich mache mir Sorgen, wie die Technologi­e in diesen Tagen schlechtge­redet wird.“

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FOTO: BODAN Mario Männlein ( links) von der Iveco Magirus AG in Ulm erklärt Verkehrsmi­nister Winfried Hermann ( rechts) auf dem Forum Grüne Logistik in Überlingen die Vorteile von LNG- Antrieben im Schwerlast­verkehr.

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