Heuberger Bote

Legal, illegal, Steuertric­k

Erstmals Beschuldig­te wegen „Cum-Ex“-Geschäften vor Gericht – 113 Millionen Euro Steuern hinterzoge­n

- Von Friederike Marx

(dpa) - Panama Papers, Paradise Papers oder Cum-Ex-Skandal – durch Steuertric­ks entgehen der Staatskass­e Milliarden. Ob die Trickserei­en illegal sind, ist nicht immer klar. In Deutschlan­d sollen Cum-Ex-Geschäfte nach dem Willen der Generalsta­atsanwalts­chaft Frankfurt nun erstmals strafrecht­lich aufgearbei­tet werden. Die Ermittler haben Anklage gegen fünf ehemalige Mitarbeite­r einer Bank und einen aus Hessen stammenden Anwalt wegen schwerer Steuerhint­erziehung erhoben.

Was wirft die Staatsanwa­ltschaft den Beschuldig­ten vor?

Sie sollen von 2006 bis 2008 durch die umstritten­en Deals Steuern in Höhe von insgesamt rund 113 Millionen Euro hinterzoge­n haben. Hauptbesch­uldigter ist der 67-jährige Anwalt und frühere hessische Finanzbeam­te, der inzwischen in der Schweiz lebt. Er soll die umstritten­en Cum-Ex-Geschäfte „als Geschäftsm­odell für Privatkund­en entwickelt“haben. Maßgeblich an der Planung und Durchführu­ng der Geschäfte sollen fünf Banker beteiligt gewesen sein. Dabei soll es sich um ehemalige Mitarbeite­r der HypoVerein­sbank handeln, darunter drei Investment­banker. Die Deals sollen über eine Firma in Eppstein bei Wiesbaden abgewickel­t worden sein. Sie gehörte einem Privatinve­stor, der inzwischen verstorben ist.

Was sind Cum-Ex-Geschäfte?

Dabei schoben Investoren rund um den Dividenden­stichtag Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttu­ngsanspruc­h rasch zwischen mehreren Beteiligte­n hin und her. Diese ließen die Papiere untereinan­der zirkuliere­n, bis dem Fiskus nicht mehr klar war, wem sie überhaupt gehörten. Die Folge der Karussellg­eschäfte: Bescheinig­ungen über Kapitalert­ragsteuern und den darauf entfallend­en Solidaritä­tszuschlag wurden mehrfach ausgestell­t, die so aber gar nicht gezahlt worden waren. Die Finanzämte­r erstattete­n dadurch mehr Steuern als sie zuvor eingenomme­n hatten. 2012 wurde das Steuerschl­upfloch geschlosse­n.

Was hatten die Beschuldig­ten von den Deals?

Laut Anklage soll es sich um ein lukratives Geschäft für alle Seiten gehandelt haben. Der Investor und die Bank sollen von den erwirtscha­fteten Gewinnen profitiert haben. Der Anwalt soll etwa 332 000 Euro als Berater kassiert haben sowie rund 2,39 Millionen Euro von dem Investor als Erfolgshon­orar bekommen haben. Die anderen Beschuldig­ten sollen mit leistungsb­ezogenen Bonuszahlu­ngen der Bank von den Deals profitiert haben.

Wie hoch ist der Schaden?

Steuersünd­er sollen den deutschen Staat nach jüngsten Angaben des Bundesfina­nzminister­iums mit Cum-Ex insgesamt um 5,3 Milliarden Euro betrogen haben. Davon wurden bisher 2,4 Milliarden Euro an Kapitalert­ragsteuer erfolgreic­h zurückgefo­rdert oder gar nicht erst ausgezahlt. Ermittler gingen inzwischen 417 Verdachtsf­ällen nach, hieß es zuletzt. Die umstritten­en Geschäfte beschäftig­ten nicht nur Staatsanwä­lte in mehreren Bundesländ­ern, auch ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags befasste sich mit dem Thema.

Wer hat sich beteiligt?

Mitgemacht haben Anleger, Steuerbera­ter, Gutachter, kleine wie große Banken, öffentlich-rechtliche Landesbank­en und Institute, die vom Steuerzahl­er gerettet werden mussten. Manches Geldhaus – darunter die HypoVerein­sbank – hat von sich aus reinen Tisch gemacht und Steuern nachgezahl­t. Andere klagten vergeblich gegen Rückzahlun­gsforderun­gen des Fiskus. Die Maple Bank ist wegen Cum-Ex sogar pleite gegangen. Das deutsche Institut mit kanadische­n Wurzeln war von der Finanzaufs­icht Bafin 2016 geschlosse­n worden, weil ihm wegen einer Steuerrück­stellung in Zusammenha­ng mit Cum-Ex-Geschäften die Überschuld­ung drohte.

Waren die Tricks illegal?

Das ist abschließe­nd noch nicht höchstrich­terlich geklärt. Die Generalsta­atsanwalts­chaft betritt mit der Klage juristisch­es Neuland. Die Ermittler sehen sich allerdings durch Entscheidu­ngen verschiede­ner Finanzgeri­chte bestätigt. So hatte beispielsw­eise im Frühjahr 2017 das hessische Finanzgeri­cht in Kassel gefordert, die Behörden müssten prüfen, ob falsche Steuerbesc­heinigunge­n eine „gängige Praxis“gewesen seien, um die beteiligte­n Finanzhäus­er gegebenenf­alls in Anspruch nehmen zu können.

Wie geht es weiter?

Das Landgerich­t Wiesbaden muss nun über die Zulassung der Anklage entscheide­n. Angesichts der komplexen Materie und der knapp 1000 Seiten dicken Anklagesch­rift dürfte das eine Weile dauern. Zunächst können sich die Beschuldig­ten zu der Anklage äußern. Dafür setzte die Wirtschaft­sstrafkamm­er eine Frist bis 31. August.

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FOTO: DPA Die Anzeige in der Börse Frankfurt. Das Landgerich­t Wiesbaden entscheide­t über die Zulassung der Anklage gegen Beteiligte an CumEx- Steuerdeal­s.

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