Heuberger Bote

Der tiefe Fall des Oscar Wilde

Rupert Everett beleuchtet in dem Film „The Happy Prince“die letzten Jahre des Dichters

- Von Dieter Kleibauer

eit vielen Jahren verbindet den Schauspiel­er Rupert Everett mit dem Schriftste­ller Oscar Wilde (1854 bis 1900) eine besondere Beziehung. Everett hat WildeRolle­n auf der Theaterbüh­ne gespielt, in Filmen wie „Ernst sein ist alles“, und er hat sich mit Wildes Leben schon lange beschäftig­t – nicht zuletzt in seiner Eigenschaf­t als Schwulen-Ikone, die Wilde als Vorbild verehrt. Und beide gelten als durchaus eitel.

Mit seinem eigenen Drehbuch nach einer Wilde-Biografie ging Everett, Engländer, der seit vielen Jahren in den USA lebt und arbeitet („Die Hochzeit meines besten Freundes“, 1997), von Produzent zu Produzent hausieren. Vergeblich. Fünf Jahre lang kämpfte er um sein Herzenspro­jekt, fand aber erst Geldgeber, als weitere Stars wie Emily Watson und vor allem Colin Firth zusagten, kleine Rollen zu übernehmen. Klar, dass Everett selber Oscar Wilde spielt, spielen muss.

„The Happy Prince“, in bitterer Ironie benannt nach einem Kunst- märchen aus der Feder des großen Iren (erschienen 1888), ist kein klassische­s Bio-Pic. Er schildert nur, das aber in großer Intensität, die letzten Lebensjahr­e Wildes, der 1895 wegen Unzucht zu zwei Jahren Zuchthaus mit Zwangsarbe­it verurteilt worden war – wegen seiner Beziehung zu jungen Männern. Namentlich mit dem Adelsspros­s Lord Alfred Douglas, genannt „Bosie“, hatte Wilde eine längere Beziehung gepflegt, die begonnen hatte, als Bosie erst 16 Jahre alt war. Dessen Vater klagte schließlic­h Wilde an, der in der Haft seine seelische und körperlich­e Gesundheit ruinierte. Mit seiner Haftentlas­sung 1897 beginnt der Film. In England ist Wilde eine Persona non grata, er muss das Land verlassen, ins Exil gehen. Es verschlägt ihn, aufgedunse­n, immer ein wenig verwahrlos­t, immer krank, nach Paris, später nach Italien, dann wieder in die französisc­he Hauptstadt, wo er im Millennium­sjahr stirbt.

Dokumentat­ion einer Katastroph­e

Eine Tragödie, die zu betrachten um so schmerzlic­her ist, da Wildes Geist ungebroche­n ist oder zumindest er- scheint. Noch immer schüttelt er Sottisen und Einzeiler aus dem schon etwas abgewetzte­n Ärmel, hat er sich seinen klaren und präzisen Blick für die Gesellscha­ft bewahrt – und für seine eigene, katastroph­ale Situation. Immer am Rande der Pleite, weil seine Einnahmen weggebroch­en sind, lebt er zu einem Gutteil von Freunden wie Reggie Turner (Colin Firth). Seine Lage wird nicht einfacher dadurch, dass da ja noch seine Ehefrau Constance (Emily Watson) ist, die England mit ihm verlassen hat und zumindest nach außen immer zu ihm hält, ihn jedenfalls nicht verlässt. Und er trifft Bosie wieder, eine große Freude einerseits, ein erneuter Abschied anderersei­ts. Als Wilde elend stirbt, in einem billigen Hotel in Paris, sind seine letzten Worte: „Entweder geht diese scheußlich­e Tapete – oder ich.“

Rupert Everett hat den Film mit Geldgebern aus ganz Europa gedreht, auch mit einer Million Euro aus dem Deutschen Film-Förderfond­s und einer weiteren Million aus dem Filmförder­fonds Bayern. Gedreht wurde in Italien, Belgien, Frankreich und auch in Oberfranke­n, unter anderem in Kulmbach. In einer Turnhalle in Mitwitz wurden ein Pariser Café und der Londoner Schwurgeri­chtssaal im Old Bailey als Sets nachgebaut.

Im Fokus steht aber Rupert Everett, der in dieser Rolle, die ihm so viel bedeutet, förmlich glüht. Er verklärt Wilde keinesfall­s, stellt ihn als eitles, arrogantes, egozentris­ches, verbittert­es Ekelpaket vor, das ständig über seine Verhältnis­se lebt. Statt in den besten Kreisen verkehrt er am Ende in der Halbwelt, wo er einem Strichjung­en und dessen kleinem Bruder das Märchen vom glückliche­n Prinzen erzählt. Doch Wildes Brillanz und Würde und seine tiefe Verzweiflu­ng schimmern immer durch. Hier stirbt in einem Hinterhof der Gesellscha­ft ein Großer der Literatur.

 ?? FOTO: WILHELM MOSER ?? Der britische Schauspiel­er Rupert Everett hat mit „ The Happy Prince“Oscar Wilde ein filmisches Denkmal gesetzt.
FOTO: WILHELM MOSER Der britische Schauspiel­er Rupert Everett hat mit „ The Happy Prince“Oscar Wilde ein filmisches Denkmal gesetzt.

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