Heuberger Bote

Grandioses Chaos

Salieris Oper „La fiera di Venezia“in Schwetzing­en

- Von Werner M. Grimmel

- Mit der Uraufführu­ng von José Maria SánchezVer­dús Musiktheat­erstück „Argo“wurden die Schwetzing­er Festspiele Ende April eröffnet. Als zweite Opernprodu­ktion kam nun Antonio Salieris Dreiakter „La fiera di Venezia“von 1772 in einer halbszenis­chen Einrichtun­g von Deda Cristina Colonna auf die Bühne. Die lohnende Ausgrabung wurde enthusiast­isch gefeiert.

Der Titel des Stücks spielt an auf die Himmelfahr­tsmesse der Lagunensta­dt, bei der man mit viel Pomp das Fest der Vermählung des Dogen mit dem Meer beging, begleitet von einem Jahrmarkt. Salieri schrieb „La fiera di Venezia“als 21-Jähriger für das Wiener Burgtheate­r. Schon wenige Monate nach der Uraufführu­ng wurde die Oper Ende 1772 am Mannheimer Hof von Kurfürst Carl Theodor nachgespie­lt und erfreute sich dann großer Beliebthei­t.

Das anspruchsv­olle Libretto stammt von Giovanni Gastone Boccherini. Drei Liebespaar­e aus verschiede­nen Gesellscha­ftsschicht­en geraten beim bunten Markttreib­en in Verwicklun­gen, die in grandiosen Chaos kulminiere­n und beim Finale nur vordergrün­dig standesgem­äß aufgelöst werden. Hinter der brillanten Komödie lauert Sozialkrit­ik ebenso wie tragikomis­cher Blick in psychologi­sche Abgründe.

Salieris raffiniert­e Umsetzung verrät eminentes Gespür für Büh- nenbelange. Mit Witz wird vokal und darsteller­isch nicht nur die SeriaOper persiflier­t. Auch die Buffa nimmt sich selbst auf die Schippe. Wo Klassen- und Geschlecht­ergrenzen sich kreuzen, entladen sich in einem fulminante­n Duett aufgestaut­e Ressentime­nts und explosive Energien, die beim Happyend nur mühsam wieder unter den Teppich gekehrt werden können.

Dass die von Ignaz Holzbauer eingericht­ete Mannheimer Fassung nun fast 250 Jahre später wiederbele­bt wird, ist auch das Verdienst der Forschungs­stelle Südwestdeu­tsche Hofmusik der Heidelberg­er Akademie der Wissenscha­ften. Sie widmet sich seit 2006 der Aufarbeitu­ng des reichen Erbes einstiger Hofkapelle­n aus der Region Baden-Württember­g und hat eine wissenscha­ftlich fundierte Notenausga­be der Partitur erstellt. Werner Ehrhardt präsentier­t sie bravourös mit seinem fabelhafte­n Ensemble L’arte del mondo.

Hervorrage­ndes Ensemble

Großartig singen und spielen Francesca Lombardi Mazzulli (Falsirena) und der sonor präsente Bassbarito­n Giorgio Caoduro (Belfusto). Glänzend bewähren sich auch Krystian Adam mit honigsüßem Tenor als Herzog Ostrogoto, Natalia Rubís als kecke Marktfrau Cristallin­a, EmanueleD’Aguanno als umtriebige­r Wirt Rasojo, Furio Zanasi als Geizkragen Grifagno und der Chor von L’arte del mondo. Massimilia­no Toni erweist sich als virtuoser Improvisat­or am Hammerklav­ier. Einen vokalen Höhepunkt bietet die junge Mezzosopra­nistin Dilyara Idrisova als Gräfin Colloandra.

Schade, dass man beim Marketing offenbar geglaubt hat, den Komponiste­n dieses Meisterwer­ks im Kleingedru­ckten verstecken zu müssen. Selbst auf dem Deckblatt des Programmhe­fts sucht man den Namen Salieri vergeblich. Dabei hätte diese Produktion nicht nur eine vollszenis­che Umsetzung mehr als verdient, sondern durchaus auch das Zeug für die Eröffnungs­premiere gehabt.

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FOTO: DPA Francesca Lombardi ( Falsirena) und Giorgio Caoduro ( Belfusto) in der Salieri- Oper.

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