Ein Künstler mit einem Weltbaukasten
Städtische Galerie Tuttlingen zeigt bis Sonntag, 17. Juni, Werke von Jürgen Knubben
- „Die Arbeiten von Jürgen Knubben sind in unseren Breiten und weit darüber hinaus, zwischenzeitlich auch international sehr bekannt – und natürlich auch der Künstler selbst, als Kunstschaffender, als Motor, als Macher, Initiator und Organisationstalent“, hat Michael Martin, Vorsitzender des Kunstkreis Tuttlingen, am Freitagabend den zahlreichen Gäste in der Städtischen Galerie in Tuttlingen erklärt. Anlass war die Eröffnung der Ausstellung „Upstairs“mit Werken von Jürgen Knubben, die bis Sonntag, 17. Juni, dort zu sehen ist.
Beeindruckend ist das Werk im Untergeschoss der Städtischen Galerie: Die „Nofretete“von Knubben, mit der er im Jahr 2012 als einziger zeitgenössischer Bildhauer in die historisch geprägte Ausstellung „Im Licht von Amarna – 100 Jahre Fund der Nofretete“im Ägyptischen Museum innerhalb des Neuen Museums auf der Museumsinsel in Berlin, gelangte. Die installierte, überblendende Diashow der beiden NofreteteBüsten – der 3500 Jahre alten Büste der schönen Nofretete und Knubbens schlichten Version aus Eisen – „wird der im Diesseits verhafteter und von kleinteiligem Denken geprägter Horizont geöffnet und wieder bewusst in einen weitreichenden, die menschliche Vorstellungskraft übersteigenden, Zeitbezug gestellt“, erläuterte Galerieleiterin Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck.
Treppe ins Nirgendwo
Im Mittelpunkt der Tuttlinger Ausstellung stehen jedoch die Objekte aus ganz gewöhnlichem Eisen, dem der natürliche Vorgang des Rostens ihre warme, lebendige Anmutung, gepaart mit einem Hauch Vergänglichkeit, gibt. Den Treppenstufen im Erdgeschoss zum Beispiel: „Seine Treppen führen dorthin, wo es nicht weiter geht. Ihre Räumlichkeit und Perspektive deuten auf ein Jenseits, eine andere Seite, die es in Wirklichkeit aber nicht gibt. Oder doch? Wo der Blick des Betrachters gegen die Wand läuft, führt nur seine Imagination ihn weiter“, erläuterte Ehrmann-Schindlbeck die Werke Knubbens in ihrer Laudatio.
Knubben provoziere mit unterschiedlichen Spielarten dieses Motivs, mit vermeintlicher Funktion einerseits und tatsächlicher alltagsferner Entrücktheit. Er habe sie bewusst unvollständig als Fragmente belassen, so dass die Elemente aus einem denkbaren Kontext herausgelöst scheinen, und sich so umso mehr zum Erforschen ihrer wissenschaftlichen Bedeutung anböten, die weit über der Ebene des Nützlichen liege, so Ehrmann-Schindlbeck. „Beim Versuch konkret nachzuvollziehen wo die Treppen hinführen, gelangen wir zur Erkenntnis, dass die Wege nicht immer so verlaufen, wie wir es erwarten.“
In den Konstellationen von einfachen Objekten, die Knubben seit den 1970er-Jahren baut und arrangiert, sei die Geschichte der Menschheit enthalten. „Herbert Köhler spricht zutreffend von einem Weltbaukasten, den sich der Künstler geschaffen hat. Zu diesem gehört ein Inventar archetypischer Formen, mit denen der Mensch sein Dasein organisiert. Hier im Falle unserer Ausstellung sind es Treppen, Häuser und Tür- me“, stellte Ehrmann-Schindlbeck fest. Zu betrachten im Obergeschoss der Städtischen Galerie: Häuser, Häuserreihen und Türme, die sinnbildlich für das soziale Gemeinwesen von Familie und Gesellschaft, von Stadt- und Siedlungsraum stehen.
Bausteine ohne Eigenschaften
„Es sind Grundelemente und Urformen, die keine Fenster und Türen, keinen Zierrat und Stilmerkmal aufweisen. Gesichts- und zeitlose Zeichen für ein Zuhause ohne feste Bestimmung“, bemerkte die Galerieleiterin. In ihrer oft trügerischen Räumlichkeit berichteten sie vom Sein des Menschen, das wie in einem Planspiel so oder anders erdacht werden könne. Seine Objekte stünden, so Ehrmann-Schindlbeck, „als Bausteine ohne bestimmte Eigenschaften, die sich einer Festlegung entziehen, für eine innere Haltung zu unserer in stetem Wandel begriffenen Welt.“Es bestehe kein Grund das Gegebene als Unumstößlich hinnehmen zu müssen, denn es gehe auch immer anders: „Wir Menschen sind frei, scheinen einem die Skulpturenanordnungen sagen zu wollen.“