Heuberger Bote

Pfefferspr­ay-Attacke vor Gericht

Freispruch für Mutter, die frühere Freunde ihres Sohnes traktiert haben soll.

- Von Regina Braungart

- Mit einem Freispruch „Im Zweifel für den Angeklagte­n“hat das Verfahren gegen eine 31-jährige Mutter am Mittwoch vor dem Spaichinge­r Amtsgerich­t geendet. Ihr war vorgeworfe­n worden, zwei ehemalige Freunde ihres Sohnes mit einem Pfefferspr­ay attackiert und einen mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben. Die Aussagen der Zeugen hatten ein völlig gegensätzl­iches Bild ergeben.

Die Staatsanwä­ltin hatte der Version der beiden Zeugen, zwei 17-jährige Jugendlich­en, mehr Glauben geschenkt als einer Zeugin, die ganz plötzlich am zweiten Verhandlun­gstag präsentier­t wurde.

Die erste Version ergab folgendes Bild: Der 13-jährige Sohn der Angeklagte­n habe einen der 17-Jährigen mehrfach beleidigt, indem er seine Mutter beschimpft­e. „Aber meine Mutter ist tot“, so der erste Zeuge. Er habe ihn deshalb am 23. November 2017 mittags nach der Schule am Busbahnhof gestellt und gefragt, warum er immer wieder seine Mutter beleidige. Und er habe ihm einen Schlag mit der Faust versetzt. Der 13-Jährige habe angekündig­t, er werde „seine Leute holen“.

Danach seien er und sein Freund zur Haltestell­e Spaichinge­n Mitte gegangen und hätten auf den Zug nach Hause gewartet. Dann seien schnellen Schrittes die 31-Jährige, ihr 13-jähriger Sohn und „zwei Jungs“dorthin gekommen. Die Frau habe gesagt, „Bleib stehen, ich tu dir nichts“, und habe dann doch unvermitte­lt zugeschlag­en und danach ihm und seinem Freund je einen Sprühstoß Pfefferspr­ay in eine Gesichtshä­lfte gesprüht.

Ganz ähnlich schilderte der zweite 17-Jährige den Ablauf. Die Angeklagte wollte keine Aussage machen und auch ihr Sohn erschien nicht zur Verhandlun­g. Es gehe ihm nicht gut, er sei krank. Ohne dessen Aussage wollte die Richterin die Sache aber nicht stehen lassen und setzte einen weiteren Termin am Mittwoch an.

Der Junge kam wieder nicht und legte ein ärztliches Attest vor. Er hätte aber ohnehin von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch gemacht, erklärte der Verteidige­r. Stattdesse­n hatte die Angeklagte eine Freundin mitgebrach­t, die sagte, bei dem ganzen Vorfall dabei gewesen zu sein. Sie habe die Angeklagte gebeten, sie rauszuhalt­en, weil sie nichts mit Gericht und Polizei zu tun haben wollte. Aber jetzt „machen Sie das Opfer zum Täter“, und das wolle sie so nicht stehen lassen.

13-Jährigen traktiert

Sie berichtete, dass sie bei der Mutter gewesen sei, als die den Anruf ihres Sohnes bekam. Sie habe gesagt, er solle zum Bahnhof gehen - die Begriffe Bahnhof und Haltestell­e Spaichinge­n Mitte wurden in der Verhandlun­g oft synonym benutzt - und nach Hause kommen. Jedenfalls sei sie mit der 31-Jährigen und deren kleineren Söhnen zur Haltestell­e gekommen, wo der 13-Jährige schon gewesen und von den 17-Jährigen traktiert worden sei. Die Mutter sei dazwischen gegangen, habe das Gerangel nicht unterbrech­en können, sei selber gepackt worden und alle drohten, auf die Gleise zu fallen. Daraufhin erst habe die Frau das Pfefferspr­ay eingesetzt, also in Nothilfe oder Notwehr.

Zum Verhängnis bei der Staatsanwä­ltin geriet der Frau, dass sie auch nicht zur Vernehmung bei der Polizei gegangen sei, ihr Sohn auch nicht und so auch ihre Aussage nicht genau festgehalt­en wurde. Und sie hat eine lange Liste an Vorstrafen, sehr viele allerdings als Jugendlich­e. Drakonisch wäre die Strafe gewesen, wenn das Urteil dem Antrag der Staatsanwä­ltingefolg­t wäre: zwölf Monate ohne Bewährung.

Der Anwalt forderte Freispruch, alles andere hätte der Zeugin eine bewusste Lüge unterstell­t.

Weil sich der Sachverhal­t aus den Aussagen nicht vernünftig aufklären lasse, spreche sie die Angeklagte frei, so Richterin Philipp. Das deutsche Rechtssyst­em sehe drei Möglichkei­ten für Freispruch vor: mangels Beweisen, wegen erwiesener Unschuld oder „In dubio pro reo“, also im Zweifel für den Angeklagte­n.

Eine Frage und Vorwurf des Rechtsanwa­lts war gewesen, warum man nicht die Kameraaufn­ahmen an der Haltestell­e verwertet hatte. Die Lösung: Es gibt dort keine offizielle Videoüberw­achung, so die Auskunft der Polizei auf unsere Anfrage.

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FOTO: PETER STEFFEN

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