Heuberger Bote

Ein Bad in der Brühe

An manchen Orten auf Mallorca sollte man nicht ins Wasser gehen – Klärwerk der Hauptstadt überlastet

- Von Shelina Marks

(dpa) - Mallorca, der Name steht für weiße Strände, blaue Buchten und sommerlich­es Badevergnü­gen. Vielerorts mag das stimmen, aber rund um die Inselhaupt­stadt Palma täuscht der Eindruck. Statt ungetrübte­r Urlaubsfre­uden lauern hier Fäkalienab­wässer unter der Oberfläche. „Wenn es regnet, öffnen die Stadtwerke die Schleusen und leiten die Abwässer direkt und ungereinig­t ins Meer“, erzählt Aina Barceló aus Portixol, einem populären Vorort von Palma.

„So etwas ist in Europa verboten“, sagt die Mallorquin­erin wütend. Die Klärwerke der Balearenin­sel sind veraltet und überforder­t: Dem durch die Bevölkerun­g und den Touristena­nsturm ausgelöste­n Druck halten sie schon lange nicht mehr Stand.

Ihre kleine Tochter lässt Barceló hier jedenfalls nicht mehr ins Wasser, stattdesse­n fährt sie eine Stunde bis an den Strand eines Naturschut­zgebietes. „Die Verschmutz­ung des Wassers ist auf den ersten Blick nicht sichtbar, und in der Nebensaiso­n bemerkt es niemand. In der Hauptsaiso­n wird zwar eine rote Fahne gehisst, doch die wenigsten Strandbesu­cher wissen, warum.“

Während die Fäkalien weitgehend unsichtbar sind, ist es der Müll in der Region nicht. Ein Räumfahrze­ug hat ihn von der Promenade an den Strand geschoben. Dazwischen spielen Kinder umgeben von Damenbinde­n, Wattestäbc­hen und Spritzen. Die Hygieneart­ikel stammen direkt aus den Toiletten der Hauptstadt, landen im Meer und werden von dort wieder an Land geschwemmt. „Der ganze Dreck wird uns wieder vor die Füße gespült“, lacht Barceló bitter.

Neus Truyol leitet die Stadtwerke in Palma. Sie gibt zu, dass die Stadt ein Problem hat. „Jedes Mal, wenn es regnet, sind die Klärwerke überlastet. Sie können nicht all das Regenwasse­r aufnehmen, und so mischt es sich mit dem Abwasser der Haushalte“, erläutert sie. Was dann am Klärwerk ankomme, sei so viel, dass Teile des Abwassers ungefilter­t ins Meer geleitet würden.

Viele geben der konservati­ven Vorgängerr­egierung die Schuld, die jahrelang keinen Finger gerührt habe. Das derzeit regierende linke Bündnis aus MES und PSOE hat nun immerhin erreicht, dass das Umweltmini­sterium in Madrid den Bau eines neuen Klärwerks zugesagt hat. Doch das wird Jahre dauern. Es gab andere Zeiten, als Meer und Strand noch sauber waren. Aina Barcelò ist in Portixol aufgewachs­en und erinnert sich an wogende Seegraswie­sen, erzählt von Seepferdch­en und Seeigeln im Meer. Sie hat genug von Dreck und Müll und hat sich deshalb Umweltschü­tzern angeschlos­sen, um selbst aktiv zu werden.

Auch ihre Freundin Alice Manson von der Umweltorga­nisation „Ondine“will helfen und aufklären. In Schulproje­kten versucht sie, schon die Kinder für das Problem zu sensibilis­ieren. Auf einem auf 50 Meter begrenzten Strandabsc­hnitt in El Arenal fanden die Schüler in einer Sammelakti­on 722 Teilchen Mikroplast­ik und 700 größere Plastikstü­cke sowie unzählige Zigaretten­kippen, Wattestäbc­hen, Flaschen, Tüten, Spielzeug und Sanitärabf­älle.

Nicht all der Müll auf Mallorca komme auch aus Mallorca, wendet Stadtwerks-Leiterin Truyol ein: „Viel wird aus anderen Ländern angeschwem­mt.“Der Müll stamme von Schiffen oder von der nordafrika­nischen Küste, das sei an der arabischen Schrift darauf zu erkennen, sagt sie.

Mit solchen Aussagen gehe sie ihrer Verantwort­ung aus dem Weg, hält die Taucherver­einigung „Mallorca Blue“dagegen. Eine dreimonati­ge Feldstudie habe gezeigt, dass der Müll überwiegen­d aus Mallorca stamme und vom Meer an die Strände zurückgesp­ült werde. Mit spektakulä­ren Unterwasse­r-Bildern machen die Umweltschü­tzer auf die Verschmutz­ung unter Wasser aufmerksam.

Öko-System in Gefahr

Denn unter der Verschmutz­ung leiden auch die Seegraswie­sen. Das wogende Unterwasse­rgrün bildet die Grundlage eines komplexen Ökosystems im Mittelmeer. Die PosidoniaO­céanica-Pflanze (Neptungras), der Lebensraum von Fischen, Muscheln und Schnecken, verhindert mit ihren langen Blätter die Erosion des Strandes und spielt eine wichtige Rolle für das Klima: Sie speichert bedeutende Mengen Kohlendiox­id. Das Aussterben der Seegraswie­sen trägt Forschern zufolge zum erneuten Anstieg der Treibhausg­ase bei.

Umweltakti­vistin Alice Manson läuft mit gesenktem Kopf den Strand von Portixol entlang, ihr Blick schweift über die Müllhaufen. Innerhalb weniger Minuten hat sie zwei Insulinspr­itzen im Sand gefunden. „Jeder, der hier barfuß den Strand entlangläu­ft, hätte da reintreten können“, sagt sie kopfschütt­elnd und fordert Bürger und Urlauber auf, sich endlich verantwort­lich zu verhalten. „Es liegt nicht allein am Klärwerk, diesen Müll zurückzuha­lten, sondern vor allem auch an uns, ihn zu vermeiden.“

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FOTO: DPA Anwohnerin Aina Barcelò betrachtet am Strand in der Bucht von Palma Müll, der sich mit sanitären Abfällen und Neptungras vermischt.

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