EU-Kommission plant Milliarden-Zuschuss für Deutschland
4,5 Milliarden Euro als Ausgleich für die Aufnahme von Flüchtlingen in Aussicht gestellt – Ob das Geld je kommt, ist aber fraglich
- Der ungelöste Streit über die europäische Flüchtlingspolitik schwappt in die Finanzverhandlungen über. Am Freitag berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“– mit Berufung auf EU-Kreise – Deutschland solle in der kommenden Finanzperiode 2021 bis 2027 für die netto 1,7 Millionen in der Flüchtlingskrise zugewanderten Menschen 2800 Euro pro Kopf erhalten. Das wären ungefähr 4,5 Milliarden Euro, verteilt auf sieben Jahre. Damit wären die durch den Austritt Großbritanniens nötig gewordenen Kürzungen in der Strukturpolitik wettgemacht. Das Geld käme allerdings nicht mehr den ärmsten deutschen Regionen zugute, sondern denen, die besonders viele Flüchtlinge aufgenommen haben.
Der Vorschlag stammt ursprünglich aus dem Umfeld der Bundeskanzlerin: Wenn die osteuropäischen EU-Staaten nicht bereit seien, bei der Aufnahme von Flüchtlingen ihren Teil zu leisten, schrumpfe auch die Solidarität der reichen Länder mit den ärmeren, was sich in geringeren Transferleistungen niederschlage. Wer wie Angela Merkels ungarischer Parteifreund Viktor Orbán oder der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki in dieser Frage kein Entgegenkommen zeigen, solle eben weniger Geld aus den europäischen Fördertöpfen bekommen.
Auf EU-Recht spezialisierte Juristen glauben allerdings, dass die von Kürzungen betroffenen Regierungen mit Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof dagegen klagen könnten. Denn politisches Wohlverhalten ist kein Kriterium, nach dem die Strukturgelder verteilt werden. Bislang gilt das durchschnittliche Pro-KopfEinkommen als Richtschnur. Wenn es in einer Region unter 75 bzw. 90 Prozent des durchschnittlichen EUEinkommens liegt, können Fördertöpfe angezapft werden. Auch die Arbeitslosenquote und die geographische Randlage einer Region können Berücksichtigung finden – ganz sicher aber nicht die Haltung der jeweiligen Regierung zur Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Entsprechend ablehnend äußerten sich vor allem osteuropäische Regierungschefs am Rand der letzten Gipfeltreffen zu der Idee. Merkel kam daraufhin bei einem EU-Sondergipfel im Februar mit dem Vorschlag, nicht die Osteuropäer zu bestrafen, sondern umgekehrt die Länder mit „Willkommenskultur“zu belohnen, also vor allem Schweden, Griechenland, Italien und Deutschland, die gemessen an der Bevölkerung besonders viele Flüchtlinge aufgenommen haben.
Widerspruch folgte prompt. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, selbst von 2004 bis 2009 Haushaltskommissarin der EUKommission und daher mit den Förderkriterien und den Haushaltsregeln bestens vertraut, erklärte, einziger Sinn des Fonds sei es, die Lebensverhältnisse in den armen und reichen europäischen Regionen schrittweise anzunähern. Als Disziplinierungsmaßnahmen oder Bonbons für politisches Wohlverhalten seien sie nicht geeignet.
Stimmen Rat und Parlament zu?
Natürlich ist die Aufregung in Brüssel über die durchgesickerten Pläne groß. Bevor sich aber deutsche Kommunen mit hohem Flüchtlingsanteil auf den Geldsegen freuen, sollten sie Folgendes bedenken: Erst am 12. Juni stellt die EU-Kommission ihre Pläne vor. Bis dahin kann sich an den Zahlen noch vieles ändern.
Und erst danach müssen die Regierungen den gesamten Haushalt einstimmig beschließen, das EUParlament muss zustimmen. Ob also je ein einziger Euro aus Brüssel in die Versorgung und Förderung der Zugewanderten fließen wird, ist mehr als fraglich.