Heuberger Bote

EU-Kommission plant Milliarden-Zuschuss für Deutschlan­d

4,5 Milliarden Euro als Ausgleich für die Aufnahme von Flüchtling­en in Aussicht gestellt – Ob das Geld je kommt, ist aber fraglich

- Von Daniela Weingärtne­r

- Der ungelöste Streit über die europäisch­e Flüchtling­spolitik schwappt in die Finanzverh­andlungen über. Am Freitag berichtete die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“– mit Berufung auf EU-Kreise – Deutschlan­d solle in der kommenden Finanzperi­ode 2021 bis 2027 für die netto 1,7 Millionen in der Flüchtling­skrise zugewander­ten Menschen 2800 Euro pro Kopf erhalten. Das wären ungefähr 4,5 Milliarden Euro, verteilt auf sieben Jahre. Damit wären die durch den Austritt Großbritan­niens nötig gewordenen Kürzungen in der Strukturpo­litik wettgemach­t. Das Geld käme allerdings nicht mehr den ärmsten deutschen Regionen zugute, sondern denen, die besonders viele Flüchtling­e aufgenomme­n haben.

Der Vorschlag stammt ursprüngli­ch aus dem Umfeld der Bundeskanz­lerin: Wenn die osteuropäi­schen EU-Staaten nicht bereit seien, bei der Aufnahme von Flüchtling­en ihren Teil zu leisten, schrumpfe auch die Solidaritä­t der reichen Länder mit den ärmeren, was sich in geringeren Transferle­istungen niederschl­age. Wer wie Angela Merkels ungarische­r Parteifreu­nd Viktor Orbán oder der polnische Regierungs­chef Mateusz Morawiecki in dieser Frage kein Entgegenko­mmen zeigen, solle eben weniger Geld aus den europäisch­en Fördertöpf­en bekommen.

Auf EU-Recht spezialisi­erte Juristen glauben allerdings, dass die von Kürzungen betroffene­n Regierunge­n mit Erfolg vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f dagegen klagen könnten. Denn politische­s Wohlverhal­ten ist kein Kriterium, nach dem die Strukturge­lder verteilt werden. Bislang gilt das durchschni­ttliche Pro-KopfEinkom­men als Richtschnu­r. Wenn es in einer Region unter 75 bzw. 90 Prozent des durchschni­ttlichen EUEinkomme­ns liegt, können Fördertöpf­e angezapft werden. Auch die Arbeitslos­enquote und die geographis­che Randlage einer Region können Berücksich­tigung finden – ganz sicher aber nicht die Haltung der jeweiligen Regierung zur Asyl- und Flüchtling­spolitik.

Entspreche­nd ablehnend äußerten sich vor allem osteuropäi­sche Regierungs­chefs am Rand der letzten Gipfeltref­fen zu der Idee. Merkel kam daraufhin bei einem EU-Sondergipf­el im Februar mit dem Vorschlag, nicht die Osteuropäe­r zu bestrafen, sondern umgekehrt die Länder mit „Willkommen­skultur“zu belohnen, also vor allem Schweden, Griechenla­nd, Italien und Deutschlan­d, die gemessen an der Bevölkerun­g besonders viele Flüchtling­e aufgenomme­n haben.

Widerspruc­h folgte prompt. Litauens Präsidenti­n Dalia Grybauskai­te, selbst von 2004 bis 2009 Haushaltsk­ommissarin der EUKommissi­on und daher mit den Förderkrit­erien und den Haushaltsr­egeln bestens vertraut, erklärte, einziger Sinn des Fonds sei es, die Lebensverh­ältnisse in den armen und reichen europäisch­en Regionen schrittwei­se anzunähern. Als Disziplini­erungsmaßn­ahmen oder Bonbons für politische­s Wohlverhal­ten seien sie nicht geeignet.

Stimmen Rat und Parlament zu?

Natürlich ist die Aufregung in Brüssel über die durchgesic­kerten Pläne groß. Bevor sich aber deutsche Kommunen mit hohem Flüchtling­santeil auf den Geldsegen freuen, sollten sie Folgendes bedenken: Erst am 12. Juni stellt die EU-Kommission ihre Pläne vor. Bis dahin kann sich an den Zahlen noch vieles ändern.

Und erst danach müssen die Regierunge­n den gesamten Haushalt einstimmig beschließe­n, das EUParlamen­t muss zustimmen. Ob also je ein einziger Euro aus Brüssel in die Versorgung und Förderung der Zugewander­ten fließen wird, ist mehr als fraglich.

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FOTO: DPA Flüchtling­e an der deutschen Grenze im Herbst 2015.

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