Heuberger Bote

„Wir brauchen Verbesseru­ngen am Transplant­ationsgese­tz“

Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärzt­ekammer, zum Tag der Organspend­e

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- 10 000 Kranke warten laut Vermittlun­gsstelle Eurotransp­lant in Deutschlan­d auf ein Spenderorg­an. Zum Tag der Organspend­e am Samstag sprach Andreas Herholz mit Frank Ulrich Montgomery (Foto: dpa), Präsident der Bundesärzt­ekammer.

Die Bereitscha­ft zur Organspend­e ist zuletzt in Deutschlan­d immer weiter zurückgega­ngen. Wie ist das zu erklären?

Wir haben hier ein gespaltene­s Bild: Tatsächlic­h steigt die Bereitscha­ft zur Organspend­e. 80 Prozent der Bevölkerun­g stehen dem System positiv gegenüber. Mehr als ein Drittel trägt einen Organspend­eausweis. Das sind eigentlich keine schlechten Zahlen. Unser Problem besteht eher darin, die Organspend­er auch zu erkennen.

Was muss jetzt geschehen?

Oft werden potenziell­e Organspend­er in den Krankenhäu­sern nicht als solche erkannt. Auch wird die Informatio­n mitunter nicht an die entspreche­nden Stellen weitergele­itet. Die Novelle des Transplant­ationsgese­tzes hat das zwar verbessert, geht aber noch nicht weit genug. Wir müssen die Rechtsstel­lung der Transplant­ationsbeau­ftragten in den Kliniken stärken. Außerdem sollten wir vor allem Krankenhäu­ser besserstel­len, damit sie sich am Prozess der Entnahme der Organe beteiligen. Da fehlt es überall an Ressourcen.

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach hält das Organspend­esystem für wirkungslo­s. Brauchen wir ein neues Transplant­ationsgese­tz?

Herr Lauterbach irrt hier. Wir brauchen kein neues Transplant­ationsgese­tz, sondern Verbesseru­ngen am Transplant­ationsgese­tz. Gerade bei der Suche nach Organspend­ern: Ein Krankenhau­s bleibt heute oft auf einem Teil der Kosten einer Organentna­hme sitzen, weil es keine eigenen Transplant­ationen macht. Dadurch ist der Anreiz, Organspend­er zu lokalisier­en, sehr gering. Das kann man durch Änderungen im Transplant­ationsgese­tz, aber auch durch verbessert­e Pauschalen bei der Deutschen Stiftung Organtrans­plantation erreichen. Das heißt, die Krankenkas­sen müssen sich hier intensiver beteiligen. Wir haben ein gutes Transplant­ationsgese­tz, das man aber noch verbessern kann.

Viele Menschen fürchten, dass ihre Organe entnommen werden könnten, bevor sie tot sind. Bei anderen gibt es religiöse Probleme ...

Wir können Bedenken nur durch Aufklärung ausräumen. Aber natürlich müssen wir die Entscheidu­ngsfreihei­t der Menschen respektier­en. Wenn jemand nicht spenden will, ist das sein gutes Recht. Doch die Hirntod-Diagnostik, wenn sie nach den Regeln der Kunst durchgefüh­rt wird, ist absolut richtig und sicher, sonst würde ich selbst keinen Organspend­eausweis tragen. Der Mensch, bei dem ein Hirntod festgestel­lt worden ist, ist tot. Davon bin ich wissenscha­ftlich fest überzeugt. Dass es darüber hinaus in manchen Religionen noch Ressentime­nts gegenüber der Öffnung des toten Körpers gibt, ist ebenfalls ein Argument, das Menschen von der Organspend­e abhält. Die Organspend­e stellt aber das größtmögli­che Geschenk für das Leben eines anderen dar.

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