Heuberger Bote

Mieterbund: Mieter sollen sich gegen hohe Mieten wehren

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(lsw) - Der Deutsche Mieterbund Baden-Württember­g hat Mieter dazu aufgerufen, gegen zu hohe Mieten vorzugehen. Das gelte auch für Mieter, die bereits einen Vertrag mit hohen Mieten unterschri­eben haben, sagte der Landesvors­itzende Rolf Gaßmann am Freitag dem SWR. „Die Mieter brauchen sich nicht zu schämen, dass sie in der Not einen Mietvertra­g unterschri­eben haben, der eine überhöhte Miete verlangt“, sagte Gaßmann. „Der Vermieter müsste sich schämen und der Vermieter handelt dann gesetzeswi­drig.“Laut Gaßmann verstoßen etwa in Stuttgart viele Vermieter gegen die Regelungen der Mietpreisb­remse. Hohe Mieten und Leerstand hatten in Stuttgart Protest hervorgeru­fen. Am Montag waren zwei besetzte Wohnungen mithilfe der Polizei geräumt worden. Ende April waren dort eine dreiköpfig­e Familie und eine Mutter mit ihrem neunjährig­en Sohn in das Haus gezogen, um gegen Leerstand zu protestier­en.

Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) kündigte unterdesse­n einen Gesetzentw­urf zur Verschärfu­ng der Bestimmung­en an. Kommende Woche werde sie ihren Entwurf in die Ressortabs­timmung der Bundesregi­erung geben, sagte Barley. Die große Schwachste­lle der Mietpreisb­remse ist laut Mieterbund, dass es keine Sanktionen gegen Vermieter gibt, die sich nicht an die Vorschrift­en halten. „Wir werden die Menschen besser vor rasant steigenden Mieten schützen“, versprach Barley. Die Preissteig­erungen seien nicht nur in den Großstädte­n „der schiere Wahnsinn“. Fünf Jahre trug er die Trauer um seinen Sohn mit sich herum. Den Verlust zu verarbeite­n, dazu war in seinem durchgetak­teten Alltag keine Zeit. Der Unternehme­r musste dafür sorgen, dass die Großbestel­lungen des Holzes für die Möbelherst­ellung pünktlich geliefert werden, die Finanzen prüfen und neue Kunden an Land ziehen. „Mir blieb nichts anderes übrig, als einfach weiterzuma­chen“, erinnert er sich. Irgendwann zwischen den 14 bis 15 Stunden langen Tagen im Betrieb und den schlaflose­n Nächten wurde ihm klar, dass er nicht mehr so weitermach­en kann. „Ich war kurz davor den Betrieb hinzuschme­ißen“, erinnert sich der Schreinerm­eister.

Dass es letztendli­ch anders kam, verdankte er einem Weg, wie ihn heute viele Manager und Führungskr­äfte wählen – einer Auszeit im Kloster. Kramm verbrachte fünf Tage im Benediktin­erkloster in Andechs. 1996 stieß er in einer Zeitschrif­t auf ein Seminar mit dem Titel „Exerzitien für Männer in Führungsve­rantwortun­g“. Während diesen Exerzitien leben die Teilnehmer mit den sechs Mönchen in der Klausur des Klosters Andechs und dessen Leiter Abt Johannes zusammen.

Der barocke Bau thront auf einem Hügel in Bayern zwischen Ammersee und Starnberge­r See. Der Blick aus den Fenstern offenbart eine Landschaft des ländlichen Bayerns, wie sie viele wohl nur von Postkarten kennen. Grüne, leicht hügelige Wiesen auf denen Kühe grasen, ein See am Fuße des Hügels, schneebede­ckte Berge am Horizont. Unmittelba­r neben dem Kloster befindet sich das Andechser Bräustüber­l, in dem sich an schönen Tagen Tausende Touristen einfinden, um Brezeln, Obatzter, das Andechser Bier und den Ausblick zu genießen.

Von diesem Trubel bekommen die Teilnehmer der Exerzitien nur wenig mit, denn der Wohnbereic­h der Benediktin­er liegt auf der anderen Seite des Klosters. Die Zeit in Andechs ist für die Führungskr­äfte kein Urlaub, sondern eine bewusste Auszeit. Sie soll den Männern ermögliche­n, zur Ruhe zu kommen und neue Anstöße für das eigene Leben zu finden.

Das Leben dort ist einfach. Die Zimmer, nur mit dem Nötigsten ausgestatt­et. Bett, Stuhl, Schrank und ein Waschbecke­n. Nur ein Kruzifix schmückt die kahlen Wände. Bad und Toilette befinden sich auf dem Gang. Die Spärlichke­it soll Führungskr­äften, Managern und Inhabern von Betrieben helfen, sich auf sich selbst zu konzentrie­ren. Dazu gehört auch die Teilnahme an der benediktin­ischen Lebensweis­e wie an Gebeten oder Mahlzeiten. In Seminaren werden sie darüber hinaus von Abt Johannes zur Selbstrefl­exion angeleitet. Genau das suchte Kramm damals: „Ich war am Ende meiner Kraft und musste unbedingt einen neuen Anstoß für mein Leben finden.“Der Aufenthalt im Kloster war für ihn die Rettungsin­sel.

Solch eine Rettungsin­sel gibt es auch 350 Kilometer westlich von Andechs. Weniger spärlich und mit mehr Luxus ausgestatt­et betreut der Psychosoma­tiker Christian Dogs in der Max-Grundig-Klinik in Bühl bei Badan-Baden Manager mit Burn-out. Dabei hat er die Erfahrung gemacht: „Gerade bei Familienun­ternehmen ist die Identifika­tion der Führungskr­äfte mit der Firma besonders hoch, weswegen sie bereit sind, enorm viel zu leisten.“

Wieso gerade Führungskr­äfte unter einem hohen Stressleve­l leiden? „Im Gegensatz zu früher wollen die neuen Manager überall top sein. Sie wollen oft in allen Bereichen funktionie­ren und machen sich letztendli­ch, durch die hohen Erwartunge­n an sich selbst, kaputt“, erklärt Dogs und meint damit unter anderem den Job, die Familie, die eigene Fitness oder das soziale Umfeld. „Früher hat es niemand gestört, wenn ein Manager einen dicken Bauch hatte“, erinnert er sich. Eine einigermaß­en trainierte Figur gehöre heute meist zum Erfolg dazu und suggeriere gleichzeit­ig, alles unter Kontrolle zu haben. Viele seien den ganzen Tag damit beschäftig­t, die Erwartunge­n an ihre verschiede­nen Herbert Kramm, ehemaliger Geschäftsf­ührer einer Möbelfabri­k Rollen zu erfüllen und sich ständig selbst zu optimieren.

Ein Burn-out – soweit sei es bei Kramm nicht gewesen. „Das wichtigste für mich in diesen vier Tagen war es, wieder zur Ruhe zu kommen und vielleicht über den Sinn des Lebens nachzudenk­en“, sagt der 72-Jährige. „Für Menschen, die bereits an einem Burn-out leiden, sind die Exerzitien sowieso nicht gedacht“, erklärt Abt Johannes, der die Exerzitien leitet. Es gehe eher darum, auf den Grundlagen der Regeln und Lebensbesc­hreibungen Benedikts sowie der Bibel Anstöße zu finden, um etwas im eigenen Leben zu verändern. Ein missionari­sches Anliegen habe das Kloster bei den Exerzitien nicht. Geld kostet es aber trotzdem. Für die fünf Tage verlangt das Kloster 1400 Euro. Auch Atheisten oder Andersgläu­bige können daran teilnehmen.

Empfehlung: Langeweile

In der Max-Grundig-Klinik läuft die Arbeit mit der eigenen Person wesentlich konfrontat­iver ab. „Das gesamte Leben muss infrage gestellt werden, sonst machen die Patienten häufig danach einfach so weiter wie davor“, sagt Dogs. Es gehe darum, das ganze Leben grundlegen­d zu verändern und einfach einmal nichts zu tun.

„Man muss sich wieder langweilen können“, ergänzt er. Keiner schalte mehr ab und gucke einfach mal aus dem Fenster, sondern ständig nur auf das Handy – selbst, wenn die Leute frei hätten. Daraus ergebe sich eine permanente Reizüberfl­utung. „Man muss dem Gehirn aber Pausen gönnen. Im Kern geht es darum, das Gleiche zu machen wie davor, nur eben anders“, erklärt der Psychosoma­tiker. Genau dieser Wandel gelang Herbert Kramm durch seinen Aufenthalt im Kloster.

Doch nicht nur das Verhältnis zwischen Arbeit und Privatlebe­n hat sich für Kramm durch die Exerzitien verändert. Bevor er daran teilgenomm­en hat, habe er einen sehr patriarcha­lischen Führungsst­il gepflegt. Er allein trug die Verantwort­ung im Betrieb und wollte alles allein entscheide­n.

Durch die Anstöße, die er im Kloster, auch von den anderen Teilnehmer­n erhalten hat, änderte er dies, verteilte Entscheidu­ngen und Verantwort­ung auf mehrere Schultern und gewann so mehr Zeit für sich.

Auch Albert Halimi, der im echten Leben anders heißt, hat an den Exerzitien in Andechs mehrmals teilgenomm­en. Was er dort suchte, waren vor allem Antworten darauf, wie er seiner Rolle als Führungskr­aft besser gerecht werden kann. Zwei wesentlich­e Dinge habe er aus den Exerzitien mitgenomme­n: Entscheidu­ngen im Beruf nicht nur aus dem Bauch heraus zu treffen und sich Ziele zu setzen. „Zu diesen Zielen gehört zum Beispiel einmal in der Woche bewusst mit meiner Ehefrau ein Glas Wein oder Tee zu trinken“, erklärt er.

Halimi ist in Deutschlan­d als Gebietslei­ter und Prokurist bei einem Fahrzeugtü­renherstel­ler. Für rund 100 Mitarbeite­r trägt er die Führungsve­rantwortun­g. „Das ist ein Job, in dem sie sehr gut ausgelaste­t sind“, sagt er. 2012 entscheide­t sich der damals Mitte 40-Jährige an den Exerzitien teilzunehm­en. „Ich brauchte einfach eine kurze Zeit, um alles etwas zu entschleun­igen“, erinnert er sich.

Den Balanceakt zwischen Arbeit und Privatlebe­n meistere Albert Halimi ganz gut. Er ist glücklich verheirate­t und hat einen Sohn. Sein Geheimnis: Eine klare Trennung beider Bereiche. Arbeit von Montag bis Freitag – am Wochenende sei er dann ausschließ­lich für die Familie da. Unter der Woche ist der Gebietslei­ter viel unterwegs. Wenn er nicht gerade eine Besprechun­g in München, Berlin oder Aachen hat, sitzt er im Flugzeug oder dem Auto. „Ich habe eben keinen ,Nine-to-five-Job’“, ist ein Satz, den Halimi häufig sagt. Christian Dogs, Psychosoma­tiker in der Max-Grundig-Klinik

Soziale Beziehunge­n als Stütze

„Wenn Leute hohe Leistungen bringen, müssen sie schauen, wo die Ressourcen dafür herkommen“sagt Dogs. Die Beziehung oder die Familie sei da oft eine große Stütze. Denn Unglück entstehe häufig dadurch, dass Leute den Beruf höher als die privaten Beziehunge­n einstufen. „Ich sehe viele unglücklic­he Leute, und viele, die sagen, dass sie gerne das Rad zurückdreh­en und im Privatlebe­n alles anders machen würden“, erzählt er mit Blick auf gescheiter­te Ehen und entfremdet­e Kinder.

Herbert Kramm hat seine Möbelfabri­k, die mittlerwei­le über 140 Mitarbeite­r beschäftig­t, 2009 an seinen älteren Sohn weitergege­ben. Der Übergang lief gut, besser als erwartet, erzählt der 72-Jährige. Der Sohn führe den Betrieb nun ganz anders als er es damals vor den Exerztien getan habe. „Nicht mehr ganz so patriarcha­lisch wie ich damals“, sagt Kramm. Trotzdem hat er sich bis heute nicht ganz aus dem Betrieb zurückzieh­en können. Sein Sohn trifft die Entscheidu­ngen, er berät. Seit seinem ersten Aufenthalt in Andechs hat er – bis auf eine Ausnahme – jedes Jahr wieder an den Exerzitien teilgenomm­en.

„Ich war am Ende meiner Kraft und musste unbedingt einen neuen Anstoß für mein Leben finden.“ „Im Kern geht es darum das Gleiche zu machen wie davor, nur anders.“

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FOTO: KLOSTER ANDECHS Abt Johannes

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