Heuberger Bote

Kathmandu ringt zum sein Welterbe

Drei Jahre nach dem Erdbeben liegt vieles noch in Schutt und Asche

- Von Florian Sanktjohan­ser

(dpa) - Die Tempel und Paläste des Kathmandu-Tals in Nepal wurden bei dem verheerend­en Erdbeben 2015 schwer beschädigt. Der Wiederaufb­au stockt, auch weil Nepalesen und Unesco verschiede­ne Auffassung­en von historisch­er Authentizi­tät haben.

Den Tempel, vor dem die Hippies so gern ihre Hare-Krishna-Lieder sangen, gibt es nicht mehr. Nur der gestufte Sockel des Maju Dega ist geblieben. An anderen Tempeln sind Stützbalke­n in die Ziegelmaue­rn geklemmt. Der massige Taleju mit seinem dreistöcki­gen Pagodendac­h ist eingerüste­t. Am Tribhuvan Museum blättert der weiße Putz ab, auf dem Vordach wuchern Gras und Büsche. Seit dem großen Beben hat sich niemand mehr hoch getraut.

Es war 11.56 Uhr, als am 25. April 2015 in Kathmandu die Erde zitterte. Die Seismograp­hen zeigten den Wert 7,8 auf der Richterska­la, das Nachbeben am 12. Mai war kaum schwächer. Zwei Jahre später trägt der königliche Durbar Square noch immer die Narben der Katastroph­e. Und sie werden noch lange bleiben. „Wir haben nach den Erdbeben geschätzt, dass der Wiederaufb­au zehn Jahre dauern wird“, sagt Christian Manhart. „Aber es wird viel länger dauern.“

Am Geld liegt es nicht

Manhart leitet das Büro der Unesco in Kathmandu, es liegt in einer ruhigen Sackgasse, eine Oase inmitten des täglichen Verkehrsin­farkts. Die Nachbarn hätten mal wieder Plastikmül­l verbrannt, aber der Filter hat die Luftqualit­ät seit dem Morgen vom roten in den gelben Bereich gedrückt. Er lebe gerne hier, sagt der Deutsche, seit drei Jahren nun.

Mehr als 750 historisch­e Gebäude beschädigt­e das Erdbeben, 135 wurden ganz zerstört. Bisher seien weniger als zehn Prozent restaurier­t, sagt Manhart. „Der Schutt ist weggeräumt, die Pyramiden der Tempel stehen noch. Aber der Oberbau und all die Dekoration­en fehlen.“

Am Geld liegt es nicht. Mehr als vier Milliarden Dollar versprach die Weltgemein­schaft dem armen Nepal auf einer Geberkonfe­renz. Riesige Schilder in der Altstadt verkünden, wer hier Gutes tut. Am neoklassiz­istischen Gaddi Baithak, wo früher der König gekrönt wurde und ausländisc­he Würdenträg­er empfing, prangt die US-Flagge. Die Amerikaner verspreche­n, den Palast hinter weißen Säulen „in seiner einstigen Pracht“wiederherz­ustellen.

Knifflige Restaurier­ungen

Die Chinesen halten mit einer Reihe von Schautafel­n im königliche­n Innenhof Nasal Chowk dagegen. Mit Bauplänen und Illustrati­onen zeigen sie, wie sie den neunstöcki­gen Basantapur-Turm wieder aufrichten und seine Balkone aus Salholz aus Jahrhunder­te alten Bruchstück­en neu zusammense­tzen wollen.

„Build back better“lautete der etwas breitbeini­ge Slogan, den Nepals Regierung nach dem Desaster ausgab. Aber so einfach ist das nicht, allein schon wegen der Bürokratie. Archäologe­n müssten Projekte in Nepal öffentlich ausschreib­en und stets den billigsten Anbieter wählen, erklärt Manhart, auch wenn er keinerlei Erfahrung mit Tempeln und Palästen hat. Und dieser beschäftig­e wiederum die billigsten Schnitzer und Steinmetze. „Die alten Balken sind unheimlich delikat geschnitzt, die Figuren haben feine Gesichtsau­sdrücke. Das geht alles verloren, wenn man es schnell und grob macht.“

Allein die Wahl der Ziegel ist knifflig. Für die historisch­en Gebäude braucht man spezielle Ziegel, die nur im trockenen Winter gebrannt werden können. Deshalb muss man sie ein Jahr im Voraus bestellen. Zu aufwändig, finden einige Bauherren. „Manche wollen nur historisch­e Fassaden auf einen modernen Kern pappen, aber das wäre gegen die Venedig-Charta“, erklärt Manhart. Und kurzsichti­g. Denn die nach alter Art gebauten Ziegelgebä­ude mit verzahnten Holzbalken konnten bei Beben mitschwing­en. Die Baumeister wussten, was sie taten.

Im März 2016 beschloss Nepals Regierung, dass beim Wiederaufb­au historisch­e Materialie­n und Bautechnik­en zum Einsatz kommen sollen. Manhart wacht mit Argusaugen über dieses Prinzip. „Ich habe schon einige Baustellen geschlosse­n, weil sie dort mit Beton und Zement gearbeitet haben“, sagt er. „Damit mache ich mir natürlich keine Freunde.“Manhart selbst hat nicht die Befugnis dazu – aber die Kollegen von der Archäologi­e-Behörde Nepals, die er zu seinen Inspektion­en mitschleif­t.

Gleich sieben Welterbe-Stätten drängen sich im Kathmandu-Tal, 2006 hat die Unesco vier Tempel und drei Paläste in ihre Liste aufgenomme­n. „Eine Regierung, die den Welterbe-Status verliert, würde ewig kritisiert“, sagt Meinhardt.

Eine sture Prinzipien­reiterin will die Unesco aber nicht sein. Das sieht man am Stupa von Bodnath, dem größten buddhistis­chen Heiligtum in Nepal. Die Risse in der Kuppelbasi­s sind längst zugespacht­elt. Und über den aufgemalte­n Augen Buddhas glänzen wieder die 13 goldenen Stufen zur Erleuchtun­g. Als die Erde bebte, brachen die drei obersten ab. Man entschied, den gesamten Turmaufbau zu ersetzen, stabilisie­rt durch vier Stahlträge­r im Innern. Die Unesco schritt nicht ein.

Unter flatternde­n Gebetsfahn­en drehen heute Buddhisten aus aller Welt ihre Runden um den Stupa. Tatsächlic­h riss der Pilgerstro­m nie ab, denn der Ort blieb heilig, selbst ohne Goldspitze. Tempel sind in Nepal eben nicht nur Kulisse für TouristenS­elfies, sondern wichtige Orte im Leben der Menschen.

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FOTOS: DPA Erstrahlt in neuem Glanz: der Stupa von Bodnath, das größte buddhistis­che Heiligtum in Nepal.
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Christian Manhart, der Leiter des Unesco-Büros in Kathmandu, fühlt sich in Nepal sichtlich wohl.
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Die Restaurier­ungsarbeit­en werden noch Jahre dauern.

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