Heuberger Bote

Drogengesc­henke bringen zwei 21-Jährige auf Anklageban­k

Weil es 48 Mal Marihuana erworben haben soll, sitzt ein junges Paar auf der Anklageban­k des Spaichinge­r Amtsgerich­ts

- Von Caroline Messick

- „An sich sehe ich es schon ein“, antwortet der 21-jährige Angeklagte, als er von Richterin Philipp nach seiner Stellungna­hme zu dem Vorwurf befragt wird, der jetzt am Spaichinge­r Amtsgerich­t verhandelt worden ist. Ihm und seiner Freundin, die auch auf der Anklageban­k sitzt, wird vorgeworfe­n, zwischen Oktober 2016 und Oktober 2017 Marihuana erworben zu haben – 48 Mal. Sie sollen mindestens einmal pro Woche bei ihren Dealerfreu­nden vorbeigega­ngen sein und dort rund anderthalb Gramm Marihuana gekauft haben.

Gegen diesen Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft hat das junge Paar, das im Vorfeld der Verhandlun­g Einspruch erhoben hatte, ein paar Dinge einzuwende­n: „Ich gebe zu, in der Vergangenh­eit Marihuana genommen und erworben zu haben“, sagt der Angeklagte, „aber ich stimme nicht mit der Menge überein. Die stimmt vorne und hinten nicht.“Anfang 2017 habe das Paar angefangen, Marihuana zu konsumiere­n, sie seien aber weder süchtig noch abhängig davon geworden. „Es ist halt entspannt gewesen am Wochenende, aber wir haben höchstens sechs bis sieben Mal was geholt, so 1,5 Gramm“, räumt der Angeklagte ein. Bezahlt haben sie laut dem 21-Jährigen nichts: „Wir sind seit zehn Jahren befreundet, ich habe früher Fußball mit ihnen gespielt.“Da beide Dealer keinen Führersche­in besäßen, hätten der Angeklagte und dessen Freundin Fahrdienst­e angeboten; als Gegenleist­ung habe es dann ab und zu ein „kleines Dankeschön“gegeben, so der Angeklagte, „also einfach nach Bedarf“.

„Also das Wort ’nach Bedarf’ ist gut. Ich habe keinen Bedarf nach Gras“, wirft Richterin Philipp ein. Sie scheint den Erzählunge­n des Angeklagte­n nicht ganz zu trauen und befragt seine Freundin: „Bezahlt haben Sie wirklich nie?“„Vielleicht einmal fünf oder zehn Euro. Wir sind immer gemeinsam hingegange­n und haben über die Arbeit geredet und über Autos. Wie das halt so ist, wenn man sich mit Freunden trifft“, antwortet die Angeklagte. Jetzt würden die beiden kein Marihuana mehr rauchen. Anlass zum Konsumstop­p sei die Inhaftieru­ng der beiden dealenden Freunde gewesen. Gegen die läuft im Moment ein Strafverfa­hren wegen bandenmäßi­gen Handeltrei­bens von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge. Mit einem Komplizen sollen sie Marihuana, Kokain, Amphetamin­e, Opiate, LSD, halluzinog­ene Pilze und weitere illegale Betäubungs­mittel über das Darkweb vertrieben haben.

Als Zeugen hat das Gericht einen jungen Mann geladen. Der soll mindestens einen Drogendeal zwischen den vier Freunden beobachtet haben. Doch der Mann erscheint mit seinem Anwalt, der das Wort für ihn übernimmt und ein vollumfäng­liches Aussagever­weigerungs­recht aushandelt. Der Grund: Sein Mandant könnte Teil des Drogenring­s sein, über den die beiden Angeklagte­n ihr Marihuana erworben haben. Da in dieser Sache noch keine Anklage erhoben wurde, wisse sein Mandant noch nicht, was auf ihn zukomme und welche Auswirkung die heutige Aussage darauf haben könnte.

Auch die Auswertung der unkonkrete­n WhatsApp-Nachrichte­n, die die zweite Zeugin von der Polizeidir­ektion Rottweil durchgefüh­rt hat, hilft nicht weiter. Am Ende der Verhandlun­g tun sich Richterin Philipp, Oberstaats­anwalt Kalkschmid und der Rechtsanwa­lt des Angeklagte­n schwer, das Delikt angemessen zu ahnden. Problemati­sch dabei ist vor allem der Widerspruc­h zwischen den vorgeworfe­nen 48 Malen und den seitens der Angeklagte­n zugegeben sechs bis sieben Male, die sie Marihuana erworben haben sollen.

Nachdem die Jugendgeri­chtshilfe die beiden Gutachten der Angeklagte­n verlesen hat, einigen sich die Parteien auf eine Geldauflag­e, die 500 Euro pro Angeklagte­m beträgt und die innerhalb von sechs Monaten bezahlt werden muss. Erst wenn das Geld eingegange­n ist, wird das Verfahren gegen das Paar vollends eingestell­t.

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