Heuberger Bote

Zu laxer Umgang mit dem Datenschut­z?

Landratsam­t muss prüfen, ob Drazen D. neue Adresse seiner Ex-Freundin einsehen konnte

- Von Christian Gerards

- Hat der mutmaßlich­e Dreifachmö­rder von Villingend­orf, Drazen D., die neue Adresse seiner Ex-Freundin in Villingend­orf wirklich im Jugendamt des Landratsam­ts Tuttlingen einsehen können? Diese Frage muss nach der Aussage des Kroaten vor dem Landgerich­t in Rottweil vom Mittwoch beantworte­t werden.

Laut Verteidige­r Bernhard Mussgnug hat der Angeklagte dezidierte Angaben darüber gemacht, was er auf dem Bildschirm der Mitarbeite­rin gesehen haben soll. Darunter neben der Straße in Villingend­orf, in der seine Ex-Freundin wohnte, auch den Mietvertra­g mit der Miethöhe und Einkommens­unterlagen. Prozessbeo­bachter schätzen die Aussage vom Mittwoch als glaubwürdi­g ein, zumal er konkrete Zahlen über das Einkommen seiner Frau nannte und in diesem Punkt recht flüssig gesprochen hatte.

„Ob die Angaben alle zutreffend sind, ist sicher leicht zu ermitteln“, sagt Mussgnug auf Nachfrage unserer Zeitung am Freitagmit­tag. Sein Klient sei im März 2017 vom Landratsam­t vorgeladen worden, um in Sachen Unterhalt Einkommens­nachweise vorzulegen. Dabei habe er der Mitarbeite­rin über die Schulter auf den Monitor schauen können. „Er hat die Situation beschriebe­n und berichtet, dass er hinter der Mitarbeite­rin gestanden habe“, sagt Mussgnug. Der Blick auf den Monitor auf zu schützende Daten wäre damit „fahrlässig­er Umgang mit dem Datenschut­z“.

Daten vor Unbefugten schützen

„Es ist klar, dass Daten von Dritten für Unbefugte nicht zugänglich zu machen sind“, sagt der Erste Landesbeam­te, Stefan Helbig. Nach der Berichters­tattung über den Mordprozes­s habe er eher wahrgenomm­en, dass Drazen D. die Adresse seiner Ex-Freundin gesucht habe: „Das spricht dafür, dass er die Adresse nicht hatte. Die Wahrheit wird nur er selber wissen.“

Der Erste Landesbeam­te geht davon aus, dass Drazen D. in dieser Sache nicht die Wahrheit gesagt hat, er auf die Mitarbeite­rin des Landratsam­ts nicht gut zu sprechen gewesen sei und sie deswegen „reinreiten“wolle. Überhaupt schließt Helbig aus, dass es sich um das Jugendamt handelt. „Wir prüfen, ob noch eine andere Stelle im fraglichen Zeitraum Kontakt mit dem Mann hatte“, sagt Helbig. Möglicherw­eise habe er die Adresse woanders her gehabt und „will jemanden mit dieser Aussage schützen“. So könnte es sich auch um eine Schutzbeha­uptung von Drazen D. handeln: „Dazu kann ich aber heute nichts sagen.“

Wie sich der Vorgang abgespielt hat, konnte Helbig am Freitag bei der Mitarbeite­rin nicht erfragen. Den Nachnamen, der am Mittwoch bei Gericht gefallen sei, gebe es im Landratsam­t phonetisch mehrfach. Die Kolleginne­n seien aber am Freitag nicht im Büro gewesen. „Wir werden uns noch mit ihr unterhalte­n und fragen, ob sie sich an den Vorgang erinnern kann“, sagt Helbig. Das sei aber nicht unbedingt wahrschein­lich, da die Mitarbeite­r des Landratsam­ts täglich viele Kundenkont­akte hätten und sich die Aussage auf einen Vorfall bezieht, der mehr als ein Jahr her sei.

Kritisch sieht es Helbig, dass nun das Landratsam­t in den Fokus rückt. Schließlic­h habe die Familie schon drei Wochen vor dem Dreifachmo­rd gewusst, dass ihr Versteck aufgefloge­n sei. Wie berichtet, hatte Drazen D. etwa ein markantes Feuerzeug von einem Tisch auf der Terrasse gestohlen.

Keine Mitverantw­ortlichkei­t

Für Mussgnug wäre der Vorfall, so er sich wirklich ereignet hat, kein Skandal, sondern eher ein „Skandälche­n“. Es sei zwar nicht sein Thema, das Jugendamt zu schützen, dennoch wäre es unangebrac­ht eine Mitverantw­ortlichkei­t der drei Morde auf das Landratsam­t in Tuttlingen abzuwälzen. „Die Adresse hätte er wohl so oder so bekommen“, meint Mussgnug.

Allerdings, so betont der Anwalt, könne man auch auf die Idee kommen, dass diese Fahrlässig­keit den Tod von drei Menschen verursacht habe. „Eine Kausalität kann man herstellen, wenn man es mit der Dame ganz böse will“, sagt Mussgnug. Schließlic­h sei der Vorfall im Landratsam­t im März des vergangene­n Jahres gewesen, der Dreifachmo­rd hat sich im September ereignet. Die Fahrten seines Klienten in Villingend­orf erklärt Mussgnug auch: „Er wollte in der Nähe seines Sohnes sein und hat die Hausnummer gesucht“, sagt er.

Wie die Staatsanwa­ltschaft die Aussage von Drazen D. einstuft und ob sich daraus möglicherw­eise ein strafrecht­lich relevanter Vorsatz herauslese­n lässt, war am Freitag nicht zu erfahren. Der Leitende Oberstaats­anwalt und Ankläger, Joachim Dittrich, war am Brückentag nicht im Büro.

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FOTO: INGEBORG WAGNER Hat Drazen D. die Adresse seiner Ex-Freuding wirklich im Landratsam­t einsehen können? Diese Frage muss die Behörde beantworte­n.

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