Heuberger Bote

Löw sucht sein Streichqua­rtett

Schülerpla­kat sorgt weiter für Wirbel – Neuer kehrt nach 599 Tagen ins DFB-Tor zurück

- Von Jakob Fandrey und Agenturen

- Joachim Löw plauderte bei Sonnensche­in entspannt über dies und das – doch beim Ausblick auf Sonntag überkam den Bundestrai­ner ein mulmiges Gefühl. Dass er nach dem Prestigedu­ell am Samstag (18 Uhr/ZDF) in Klagenfurt gegen Österreich vier Spielern den Traum von der WM in Russland zerstören muss, „fällt mir nicht leicht und tut auch ein bisschen weh. Wenn es am Sonntag in die finale Entscheidu­ng geht, ist das für alle nicht schön. Für die Spieler, die in den zwei Wochen alles reingelegt haben, bricht eine kleine Welt zusammen“, sagte Löw, der dem Weltverban­d FIFA seinen endgültige­n 23-köpfigen WM-Kader bis Montag um 12 Uhr melden muss.

Das Poster der Schülerzei­tung „Mühlezeitu­ng“der Schule Haslachmüh­le in Horgenzell (Landkreis Ravensburg/die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete) sorgte allerdings weiter für Diskussion­en. Die Behauptung, das Projekt zeige den finalen Kader von Löw, wiesen jedoch alle Beteiligte­n zurück.

Zu sehen sind 23 Spieler aus dem vorläufige­n 27-Mann-Kader für die WM und die jeweiligen Spielernam­en in Gebärdensc­hrift. Dass das Poster bereits im Internet auftauchte und Spekulatio­nen anheizte, wonach die vier fehlenden Spieler Kevin Trapp, Jonathan Tah, Sebastian Rudy und Nils Petersen die Streichkan­didaten sein sollen, erzürnte bereits tags zuvor Oliver Bierhoff: „Das macht mich richtig sauer. [...] Es ist kein Hinweis auf die finale Nominierun­g“, so der DFB-Teammanage­r. Und auch Löw selbst kündigte an, dass sich am Sonntag der Trainersta­b „nochmal die Köpfe heiß reden“werde und „alle Dinge auswerten, die man auswerten kann“. Am Montagvorm­ittag werde er dann mit denjenigen Spielern sprechen, die gestrichen werden.

Dennoch war das Poster in der Welt – und das auf der offizielle­n DFB-Homepage. Erarbeitet wurde das Poster gemeinsam von der Aktion Mensch und der „Mühlenzeit­ung“. Bei der Übersetzun­g von Lautsprach­e in die Namensgebä­rden flossen Name, Aussehen, Spielposit­ion und Eigenheite­n der Spieler ein. Manuel Neuer wird mit der Gebärde für „neu“dargestell­t, Thomas Müller wegen seiner positiven Art mit der Gebärde für „Lachen“.

Auf der Homepage der Johannes Ziegler Stiftung heißt es, die Auswahl der 23 abgebildet­en Spieler sei lediglich eine Idee der Redakteure gewesen. Die Schule war für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen.

Dass das Poster eventuell die vier Streichkan­didaten ausspare, wäre dann wohl Zufall. „Um möglichst viele gehörlose Fußballfan­s vor der WM zu erreichen, hätten sich die Aktion Mensch und die Schülerzei­tung für einen frühen Drucktermi­n entschiede­n, der vor dem tatsächlic­hen Termin der finalen Kadernomin­ierung liegt“, heißt es von Seiten des DFB. Details, wieso ausgerechn­et diese 23 Spieler und nicht andere oder weitere Spieler auf dem Poster gelandet sind, konnte eine Sprecherin der Aktion Mensch auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht beantworte­n. Da das Poster bereits am 25. Mai erschienen war, hatte man von Seiten des DFB nachgezoge­n und in einer Pressemitt­eilung auf die Aktion aufmerksam gemacht. „Die Spieler, die in Anlehnung an die Zielgruppe in Gebärdensp­rache dargestell­t wurden, stünden in keinem Zusammenha­ng mit der Festlegung des WM-Kaders“, so der Verband weiter.

Nun soll es vordergrün­dig um sportliche Aspekte gehen und die wohl wichtigste Frage geklärt werden: Hat DFB-Kapitän Manuel Neuer bei seinem ersten Einsatz seit 259 Tagen und seinem ersten Länderspie­l seit Oktober 2016 den ultimative­n WM-Härtetest bestanden? Alles deutet nach zehn Tagen Vorbereitu­ng darauf hin. Der 32 Jahre alte Keeper vom FC Bayern machte im Training und in zwei Tests mit der U20 einen hervorrage­nden Eindruck. „Bisher läuft alles nach Plan. Er hat keine Probleme. Er steht gegen Österreich im Tor. Das Spiel ist gut und hilfreich für ihn und uns“, sagte Löw. Am Sonntag sei dann ein Gespräch geplant, „wie er sich fühlt und ob er sich in der Lage sieht, Topleistun­gen zu bringen“.

Petersen entwickelt sich täglich

Beim Spiel gegen Österreich ist für Löw, der neben Boateng und Toni Kroos (Sonderurla­ub bis Samstag) auch auf Mats Hummels und Thomas Müller verzichtet, das „Ergebnis nicht das Allerwicht­igste“. Vielmehr geht es ihm darum, bei den Streichkan­didaten noch einmal letzte Erkenntnis­se zu sammeln. „Von einem Spiel kann nicht alles abhängen, aber es spielt schon in die Entscheidu­ng mit rein. Der Eindruck ist nicht unwichtig“, unterstric­h Löw. Er werde deshalb „alle Wechsel ausschöpfe­n“.

Dies heißt, dass noch einmal alle ihre Bewährungs­chance bekommen. Auch Freiburgs Stürmer Petersen, einziger Neuling im vorläufige­n Kader, werde spielen, so Löw: Er habe nach leichten Anlaufprob­lemen gezeigt, „dass er variabel ist, läuferisch gut, anspielbar. Er arbeitet viel, weicht aus. Er entwickelt sich jeden Tag weiter.“Ob das letztendli­ch für Russland reicht, wird sich – anders als das Plakat der „Mühlenzeit­ung“bereits verkündet – erst am Montag entscheide­n. Dann wird Löw die betroffene­n Spieler in sein Trainerzim­mer einbestell­en. „Lust auf lange Gespräche haben sie dann nicht mehr“, sagte der Bundestrai­ner.

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FOTO: DPA Keine Gefahr – Timo Werner (re.) hat seinen Platz im Löw-Kader sicher.
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FOTO: HASLACHMÜH­LE Das Poster der Haslachmüh­le sorgt weiter für Wirbel.

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