„Wir hätten nie freiwillig eine Kreuzfahrt gemacht“
Bevor die Sommer-Festivals losgehen, hat die Düsseldorfer Punkrock-Band Broilers Auftritte in der Karibik gespielt
Festivals finden in den letzten Jahren ja nicht mehr nur auf der grünen Wiese statt, sondern auch gerne mal auf einem Kreuzfahrtschiff. Neben diversen Metal-Cruises gibt es auch eine Punkrock-Cruise: die „Salty Dog Cruise“von Flogging Molly. Dieses Jahr waren auf der von Miami, Florida, in See stechenden Cruise neben den Gastgebern auch die Broilers, Offspring und Lagwagon vertreten. Für SZene am Wochenende haben der Sänger Sammy Amara, Schlagzeuger Andi Brügge, Gitarrist Ron Hübner und Keyboarder Chris Kubczak ihr Cruise-Tagebuch geöffnet.
Juli 2017
Als wir mit Flogging Molly in der Berliner Wuhlheide spielen, kommt das Thema „Salty Dog Cruise“zum ersten Mal auf. Und das macht uns alle sehr neugierig. Ein Schiff voller Bands und Punkrock-Fans? Klingt gar nicht mal schlecht.
Herbst 2017
Die Nervosität steigt. Wie läuft das mit dem Grenzübertritt? Brauchen wir ein Visum, wenn ja, welches? Oder geht es ohne? Niemand kann uns da eine verbindliche Auskunft geben. Zweimal sind wir kurz davor, die Cruise komplett abzusagen. Letztlich haken wir mal bei den Metal-Bands, die da auch immer für Kreuzfahrten in die USA rüberfliegen, nach. Die sind mit ESTA rübergeflogen, weil die Konzerte ja alle auf internationalem Gewässer stattfinden. Das bestätigt uns die Border Control dann zumindest auch am Telefon.
Zwei Wochen vor Abflug
Je näher der Termin rückt, desto nervöser wird unsere Bassistin Ines. Sie trifft eine schwere Entscheidung und teilt dem Rest der Band mit, dass sie es nicht schaffen wird. Die Angst vorm Fliegen ist zu groß. Das hat sie komplett zerrissen. Das ist ganz schwierig für uns alle. Jetzt muss also Ersatz her. Die Wahl fällt auf Leon – den Gitarrentechniker von Sammy und Ines, der sich jetzt einige Songs draufschaufeln muss.
Donnerstag – Der Tag des Abflugs
Auf geht es nach Miami. Beim Start können da schon mal Hände schwitzig werden – aber danach ist alles gut. Als wir in Miami ankommen, sind wir super geflasht. Wir haben das alles schon mal gesehen – aber bisher im Fernsehen. Es fühlt sich an wie das Computerspiel GTA – viel zu groß, viel zu viel. Jetzt noch eine Nacht Hotel, und morgen geht es aufs Schiff.
Freitag – Vom Hotel zum Schiff
Wir haben eine Nussschale erwartet – zumindest was die Qualität und Ausstattung angeht. Wir dachten: Okay, das ist eine Punkrock-Cruise, da gibt es vorgemischte Cocktails, Schädel-Bier und schlechtes Essen – aber nichts dergleichen. Die sind hier alle unfassbar nett, die Kabinen sind sauber, das Essen super. Wir hätten eine Kreuzfahrt eigentlich nie freiwillig gemacht. Aber wir sind so dankbar, dass wir diese Chance bekommen haben.
Freitag – Die ersten Eindrücke
Auch vom Publikum sind wir überrascht. Einerseits hätten wir nicht mit so viel deutschsprachigen Besuchern gerechnet. Und andererseits hätten wir erwartet, dass viel mehr Leute über der Reling hängen. Es ist aber echt sehr gesittet. Viele Jungs laufen mit Shirts herum auf denen „Punk is Dad“– Punk ist Papa – steht. Und genau das trifft es. Du siehst hier ganz viele Leute, die man mit langen Klamotten auf der Straße nicht mehr als Punks identifizieren würde – die aber das Punk-Ding im Herzen tragen.
Samstag – Anlegen in Key West, Florida
Generell ist das natürlich sehr touristisch organisiert. Das ist jetzt nicht unbedingt schlimm – aber wenn wir alleine in den Urlaub fahren, würden wir das vielleicht ein wenig anders machen. Gefühlt wurde in Key West alles, was sie im Phantasialand abgerissen haben, wieder aufgebaut. Es ist wie Phantasialand und Disneyland in einem. Es fühlt sich unfassbar unwirklich an – so wie man es aus Film und Fernsehen kennt. Wir fahren mit der Bimmelbahn an ein paar sehr schönen alten Häusern, Bäumen und vielen Hähnen vorbei. Und Chris kauft auch noch ganz klassisch ein T-Shirt für seinen Sohn als Andenken.
Samstag – Der erste Auftritt
Vorm Pool und um den Pool und im Pool stehen die Fans. Draußen platschen die Wellen. Gleich beginnt unser erstes Konzert. Wir sind mega aufgeregt – nervöser als normal. Das Rumpeln hört man hier und da schon mal. Aber das ist trotzdem großartig. Du stehst auf der Bühne und schaust das Publikum an, und jeder hat ein debiles Grinsen im Gesicht. Die Leute gehen zu „Zurück zum Beton“, „Meine Sache“und „Ist da Jemand?“ab. Eine unfassbare Erfahrung.
Sonntag – Anlegen auf den Bahamas
Mit einem Beiboot geht es auf die Insel Great Stirrup Cay. Das kristallklare Wasser lädt zum Abkühlen ein. Im Hintergrund läuft Reggae, und um dich herum sind Menschen, die die gleiche Sozialisation haben, die gleiche Musik hören und sehr ähnliche Werte haben. Das ist ganz toll.
Sonntag – Das zweite Konzert in der Dazzies Lounge beginnt
Die zweite Show unter Deck ist ein bisschen intensiver als die am Tag zuvor. Der Raum ist gepackt voll und dadurch ist die Stimmung noch direkter. Es ist eine schöne kleine Clubshow. Rechts und links von der Bühne gibt es eine mobile Klimaanlage, und wir denken zunächst noch, das wird viel zu kalt. Aber wir unterschätzen das Publikum – und schwitzen mega.
Sonntag – Das zweite Konzert wird unterbrochen
Broilers-Fan Lukas aus Essen darf die Bühne betreten. Er hat ein besonderes Anliegen: Er will um die Hand seiner Freundin Lotta anhalten. Ob sie wohl nächstes Jahr auf der Cruise heiraten? „Nein, so lange gebe ich ihm nicht“, sagt Lotta lachend. Es ist die zweite Verlobung bei einem Broilers-Konzert. Normalerweise lehnen wir solche Anfragen ab, sonst könnten wir das bei jeder Show dreimal machen. Aber für die besonderen Umstände gelten besondere Regeln.
Sonntag – Rückweg nach Miami
Wir blicken auf drei intensive Tage zurück. Wir merken, was wir getan haben. Wir haben Shows von Skinny Lister, Mad Caddies, Flogging Molly und Offspring gesehen. Wir sind auch mit vielen Amerikanern ins Gespräch gekommen – und da konnten wir vielleicht auch unsere Botschaft weitertragen. Wir wollen auf jeden Fall nochmal mit – und dann mit Ines.